Witten. .

Wer sich nicht auskennt, läuft fast daran vorbei. Denn die Jalousien sind heruntergelassen. Und das Schild über der Tür verkündet schlicht: „Lebensmittel“. Doch dahinter verbirgt sich Wittens wohl letzter Tante-Emma-Laden.

Der immerhin etwa 90 Quadratmeter große Geschäftsraum an der Kurt-Schumacher-Straße/Ecke Flaßkuhle wirkt kleiner. Rundum und in der Mitte stehen Regale voll mit allem, was der Mensch zum Leben so braucht. Tiefkühlpizza und frisches Obst ebenso wie Marmelade und Knäckebrot, Sojasoße und Gewürze oder Saft und Süßes. Sogar einzelne Päckchen Papiertaschentücher gibt es. Für 15 Cent. „Wir bieten ein Vollsortiment ohne Fleisch.“ So heißt das im Fachjargon, sagt Inhaberin Marianne Günther (69). „Und was man bei uns nicht findet, das braucht man auch nicht“, scherzt ihr Mann Hans-Adolf, ebenfalls 69, und meint das doch ein bisschen ernst. Zu Recht. Wer benötigt schon mehr als 70 Sorten Wurst oder 20 Sorten Käse? Genau – und die findet er in der Tat bei den Günthers.

Hinten im Laden steht die Theke mit dem leckeren Belag. Hier schmiert der Chef auf Wunsch auch Brötchen oder drapiert Tomaten und Gurken auf einen Salatteller. Und hier gibt es täglich ein warmes Mittagessen. Zum Beispiel Graupensuppe im 20-Liter-Topf. Die Menge reicht kaum aus. Auch Spaghetti mögen die Kunden gern. Oder Möhren durcheinander. Und die selbst gebackenen Torten, die immer freitags auf Süßmäuler warten und um 10 Uhr schon ratzeputz weg sind.

Fast nur Stammkundschaft

Von 7.30 bis 13 Uhr stehen die Günthers im Laden. Und mit ihnen Ellen Nagel (65), die gute Seele, ohne die das alles gar nicht möglich wäre. Klar, die Öffnungszeit bedeute schon einen gewissen Luxus. Die beschränkt sich auf den Vormittag, seit Hans-Adolf Günther 2002 schwer erkrankte und die beiden Frauen den Laden schmeißen mussten. Die Kunden, ohnehin fast alles Stammkundschaft, hätten sich schnell daran gewöhnt. „Jedenfalls hat keiner gemeckert.“

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Von DerWesten

Ach ja, die Kunden. Auf die lässt Marianne Günther nichts kommen. „Mit denen haben wir schon viel Freud und Leid erlebt“, sagt sie. Wie das eben so sei in einem kleinen Lädchen mitten im Wohnviertel. Und genau das werde ihnen auch fehlen, wenn sie mal aufhören. Im nächsten Jahr, es ist das 20., könnte es so weit sein.

Mit Leidenschaft

Die Tür geht auf. Drei junge Männer in dunklen Anzügen kommen herein, marschieren zielstrebig nach hinten. „Das sind die Herren von der Sparkasse“, weiß Marianne Günther. Täglich holen sie hier ihr zweites Frühstück. „Die Brötchen sind einzigartig, mit viel Belag“, sind sich die Drei einig. Und freuen sich schon auf Fleischwurst ohne Butter und Pute mit Remoulade. Die Chefin kassiert nur noch eben.

Hans-Adolf Günther ist Autodidakt und eigentlich Textilgroßhandelskaufmann. Seine Frau hatte beruflich mit Steuern zu tun. „Ich empfand es aber immer als Berufung, Lebensmittel zu verkaufen und tue das mit Hingabe“, sagt der Chef. Weil das allein nicht zum Leben reichen würde, richtet das Ehepaar Büffets aus. Mal nur für acht, aber auch für 160 Personen. Mal nur mit Schnittchen, aber auch mit gespicktem Hasenrücken. Und mit der gleichen Leidenschaft, wie sie ihren Tante-Emma-Laden führen.