Witten. Im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen hat Witten keinen Leitfaden zur Nutzung einer gendergerechten Sprache. Den fordern nun die Grünen.
Dieser Antrag wird im Wittener Stadtrat für „ordentlich Puls“ sorgen – schließlich sitzen dort vor allem Männer, oft dem Rentenalter nahe und konservativ. Die Grünen fordern einen „Leitfaden für gendergerechte Sprache“ für die Stadtverwaltung. Wird also das Gendersternchen in Pressemitteilungen, Amtsblättern oder Verwaltungsvorlagen Pflicht?
Die Diskussion in der Ratssitzung (19.3.) dürfte spannend werden, denn der Antrag der Grünen ist überfällig und keineswegs überflüssig: Noch gibt es keine einheitliche Formulierungshilfe für die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung – im Gegensatz zu fast allen anderen Kommunen.
Tatsächlich hatte schon Bürgermeisterin Sonja Leidemann (SPD) eine einheitliche Sprachregelung angeregt. Unter anderem im Referat für Kommunikation wurden dann verschiedene Modelle erarbeitet. Der neue Verwaltungsvorstand unter Bürgermeister Lars König (CDU) aber beschloss im März 2023 den kleinsten gemeinsamen Nenner: Die Mitarbeitenden müssen sich an das Landesgleichstellungsgesetz (LGG) halten. Die Krux dabei: Wie eine geschlechtergerechte Sprache praktisch umgesetzt wird, liegt in der Verantwortung der oder des Einzelnen.
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Nur die Verwendung von Sternchen oder anderen Sonderzeichen wurde den Wittener Angestellten untersagt, da diese nicht den gesetzlich vorgegebenen Regelungen entsprechen. „Dem Vorstand ist eine einheitliche Sprache der Verwaltung wichtig. So bleibt Sprache auch für Nicht-Muttersprachler verständlich“, erklärt Stadtsprecherin Lena Kücük.
Die städtische Gleichstellungsbeauftragte Cornelia Prill war in den Prozess eingebunden. „Ich hätte mir auch gut andere Varianten vorstellen können“, kommentiert sie diplomatisch die Entscheidung von 2023.
Grüne wollen „anwendungsfreundliche Lösung“
Diese ist nie öffentlichkeitswirksam diskutiert worden. Und wenn man sich die Veröffentlichungen der letzten Monate anguckt, findet man alle Spielvarianten. Auch die Parteien formulieren unterschiedlich: In einem Antrag der SPD ist die Rede von „vielen Bürger*innen und Schüler*innen“. Andere finden in ihren Texten geschickte Formulierungen, wie Mitarbeitende, Ordnungskräfte oder Gewerbetreibende. Aber auch „Schüler“ als Begriff für alle Schulkinder kommt vor.
Die Wittener Grünen positionieren sich in ihrem Antrag für keine Variante. Sie fordern lediglich einen Leitfaden als Orientierung für die Mitarbeitenden. Dieser solle eine „einheitliche, anwendungsfreundliche Lösung enthalten, die Unsicherheiten vorbeugt“. Insbesondere eine Verwaltung sollte „die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern“ in ihrer Kommunikation berücksichtigen.
Stadt Dortmund nutzt Gendersternchen
Die Stadt Dortmund zum Beispiel nutzt verbindlich das Gendersternchen für Mitteilungen an ihre Mitbürger*innen. Das Sternchen steht bekanntlich für die unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten und hemmt kaum den Wortfluss eines Textes. Institutionen wie der große Landschaftsverband Westfalen-Lippe setzt in seinen Schreiben an die Bürger:innen den Doppelpunkt. Das große Binnen-I, also BürgerInnen, findet man dagegen selten. Die meisten Firmen oder auch dieser Verlag schreiben von Bürgerinnen und Bürgern, auch wenn diese Doppelung oft die Lesbarkeit erschwert und manche/-n nervt.
Cornelia Prill weiß, das generische Maskulinum wird oft damit begründet, „dass die weibliche Form mitgedacht wird“. Sie hört auch oft, dass „man doch andere Probleme als das Gendern“ hätte. Dabei sei vielen Menschen die Sprache alles andere als egal. „Das habe ich erfahren, als ich bei einer Rede nur die weibliche Form verwendet habe. Vorab hatte ich angekündigt, dass die Männer damit natürlich auch gemeint seien. Na, da war die Stimmung im Saal aber bombastisch!“
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