Witten. 31 Wittener sind über 100 Jahre alt, eine Dame hat sogar die 110 geknackt. Warum werden immer mehr Menschen so alt? Eine Expertin gibt Antworten.

Aktuell sind in Witten 31 Personen 100 Jahre oder älter, darunter 28 Frauen und drei Männer. Für eine Stadt mit knapp 100.000 Einwohnern ist diese Zahl beeindruckend. Wie kann es sein, dass immer mehr Menschen ein Methusalem-Alter erreichen? Wir haben nachgefragt bei der Oberärztin der Geriatrie im Ev. Krankenhaus, Dr. Maria Marques.

Ein Blick in die Statistik: Genau 100 sind derzeit zehn Wittenerinnen. 101 Jahre alt sind acht Frauen und ein Mann. Ein Mann ist 102 Jahre alt, ebenso wie zwei Frauen. Drei Personen, zwei weiblich, einer männlich sind 103. Vier Frauen sind 104, eine Frau 105 und Grete Fastenrath mit nun 110 Jahren der älteste jemals in Witten lebende Mensch. Warum gibt es so viele über 100-Jährige?

Marques: Das ist eine gute Frage und daran wird noch viel geforscht. Ich glaube, es ist eine Kombination verschiedener Faktoren. Etwa eine gesunde Lebensweise mit regelmäßiger Aktivität, ausgewogener Ernährung, ausreichend Schlaf. Das Zusammenwirken aus sozialem Umfeld, Lebenseinstellung und nicht zuletzt medizinischem Fortschritt ist meiner Meinung nach hier wichtig. Die Genetik spielt auch eine Rolle, ist aber nicht alleiniger Punkt.

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Das heißt: Wenn meine Eltern ein biblisches Alter erreichen, werde ich dies nicht automatisch auch tun?

Nein, dafür gibt es keine Garantie. Die Gene haben zwar einen großen Einfluss auf ein hohes Alter, zu wieviel Prozent, wird aber noch erforscht. Fest steht: eine gesunde Lebensführung kann die Chancen auf ein hohes Alter erhöhen.

Kennt sich mit Hochbetagten aus: Die Oberärztin der Geriatrie im Ev. Krankenhaus Witten, Dr. Maria Marques. 
Kennt sich mit Hochbetagten aus: Die Oberärztin der Geriatrie im Ev. Krankenhaus Witten, Dr. Maria Marques.  © WAZ | Volker Beushausen

Man könnte doch meinen: Dank des medizinischen Fortschritts können wir alle die 100 erreichen.

Das Thema Gesundheitsvorsorge oder -prävention ist auch nur einer der Faktoren. Mit Sicherheit werden alle Menschen im fortgeschrittenen Alter irgendwann Einschränkungen beim Sehen, Hören oder der Mobilität haben. Bei den Themen Gelenkersatz, Hör- oder Sehhilfen sind wir schon sehr weit gekommen. Auch etwa, wenn es darum geht, einen Schlaganfall zu verhindern. Aber: Der Mensch ist mehr als nur der Körper! Es gilt die lateinische Redewendung „Mens sana in corpore sano“, „ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“. Das gilt in beiden Richtungen: Ich muss meinen Körper und den Kopf trainieren, damit ich gesund bleibe.

Was meinen Sie mit dem „sozialen Umfeld“ als Faktor?

Ganz wichtig ist eine eine gesunde und bejahende Lebenseinstellung. Die bekomme ich, wenn ich in einem positiven Umfeld lebe, was übrigens nicht immer die Familie sein muss. Ich muss mich wohlfühlen und ich brauche Ansprache. Diese Lebensbejahung kann jemand, der vereinsamt ist und isoliert lebt, schlecht aufrecht erhalten.

Kann ich alt werden, auch wenn ich abends ein Gläschen Rotwein trinke?

Ich rate zu einem Verzicht auf negative Substanzen wie zum Beispiel das Rauchen. Gegen einen moderaten Konsum von Alkohol ist aus meiner Sicht nichts einzuwenden, wenn die Person ansonsten gesund ist.

Und schafft man es trotz Vorerkrankungen zum Hochbetagten?

Meistens werden Menschen richtig alt, wenn sie auch sehr lange gesund waren. Wer in früheren Jahren zum Beispiel eine Krebserkrankung hatte, hat eben auch eine andere Gesamtkonstitution.

In Witten und Gesamtdeutschland sieht man: Richtig alt werden meist nur Frauen und nur wenige Männer. Warum?

Entscheidend sind meist die unterschiedlichen Lebensweisen: Männer hatten bisher andere Sozialgewohnheiten. Sie haben geraucht und getrunken, haben körperlich schwerere Berufe ausgeübt und oft auch risikoreicher gelebt.