Witten. Das Wasser der Ruhr steigt. Wie lange noch? Und wie groß ist die Gefahr? Wir haben Ruhrverband, Feuerwehr, Stadt und Kreis gefragt.
Der Regen will vorerst kein Ende nehmen. Zehn bis 20 Liter pro Quadratmeter hat der Deutsche Wetterdienst für den Donnerstag (4.1.) vorhergesagt, ein neues Tief soll dann bis Freitagvormittag noch mehr Niederschlag bringen. In den Staulagen des Sauerlandes wird er mit bis zu 25 Litern wohl wieder ergiebig sein. Das hat Auswirkungen auch für Witten: „Der Pegel der Ruhr wird weiter steigen“, sagt Britta Balt, Pressesprecherin beim Ruhrverband. Wie hoch, das können auch die Experten derzeit nicht voraussagen. „Da müssten wir eine Kristallkugel haben.“
Die Ruhr hat die mittlere Hochwassermarke von 5,17 Meter am Mittwochabend überschritten. Am Donnerstagmittag (12.30) lag der Wasserstand am Pegel Wetter bereits bei 5,69 Meter - einen Tag zuvor war es gut ein halber Meter weniger gewesen. Und die Kurve zeigt weiter nach oben. „Bis zum Wochenende wird es sicherlich dauern, bis wir den Scheitelpunkt überschritten haben“, so Balt.
In den Talsperren ist noch genug Platz für Wasser frei
Um die Wassermassen bändigen zu können, war in den Talsperren des Ruhrverbandes nach den Weihnachtsfeiertagen Platz geschaffen worden. Derzeit liegt die Füllmenge bei etwa 86 Prozent - Tendenz steigend. Denn um Hochwasserspitzen zu mindern, würden aktuell erhebliche Wassermengen zurückgehalten, teilte der Verband am Donnerstagvormittag mit.
Der Gesamtzufluss lag da bei 153 Kubikmetern pro Sekunden, abgegeben wurden aber nur 81 Kubikmeter. Dass die Talsperren bis zum Wochenende erst komplett voll- und dann - kontrolliert - überlaufen, sei derzeit unwahrscheinlich. Balt: „Wir gehen davon aus, dass wir es hinbekommen.“
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Doch der Regen lässt sich damit nicht steuern - er hält sich nicht an Grenzen. Der kräftige Niederschlag, der jetzt außerhalb der Talsperren-Einzugsgebiete fällt, etwa im Bergland oder im Bereich der unteren Ruhr, fließe direkt in die Flüsse und lasse sie ebenfalls ansteigen, erklärt die Expertin. Es werde daher mehrmals täglich genau überprüft, wie die Abgabe der Talsperren gesteuert werden müsse, um Überschwemmungen zu verhindern.
Feuerwehr Witten fährt kritische Orte regelmäßig ab
Auch die Feuerwehr Witten schaut derzeit ganz genau hin. „Wir behalten den Pegel Wetter jederzeit im Auge“, so Sprecher Ulli Gehrke. Alle neuralgischen Punkte würden regelmäßig kontrolliert. Die Kontrollfahrten führen unter anderem zum Campingplatz Steger, zur Schleuse Rosendahl, zur Lakebrücke Herbeder Straße und zu den Ruhrlandwiesen an der Wetterstraße. Dort sei das Gebiet bereits teilweise überflutet. „Aber es besteht keine akute Gefahr“, so Gehrke. Auch Einsätze habe es bislang kaum gegeben. „Bisher ist nur ein Keller im Alten Fährweg überflutet worden - auch das ist einer der neuralgischen Punkte.“
Private Vorsorgemaßnahmen treffen
Die Stadt Witten hat in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung von Hochwasser getroffen, die meisten zielen allerdings auf die Folgen von Starkregen-Ereignissen. Etwa wurden und werden mehr Speicherräume für Regen- und Hochwasser geschaffen, um so das Überflutungsrisiko zu senken.
Dennoch sagt Stadtsprecher Jörg Schäfer: „Wir müssen aber auch realistisch sein: Einen hundertprozentigen Schutz vor Hochwasser kann es nicht geben.“ Nicht zuletzt deshalb seien auch die Vorsorgemaßnahmen der gefährdeten privaten Eigentümer wichtig. „Dazu sind sie nach dem Wasserhaushaltsgesetz verpflichtet.“ Schäfer betont: Starkregenmanager Tobias Wanders von der ESW berate alle Betroffenen dazu gerne.
Insgesamt bereitet die Wetterlage der Feuerwehr aber derzeit weniger Sorgen als im Sommer. „Man muss Starkregen und Dauerregen unterscheiden“, erklärt der Feuerwehrsprecher. Starkregen sei durch seine Unberechenbarkeit viel gefährlicher. Zudem seien im Winter - für die Rettungskräfte nicht unwichtig - weniger Personen am Wasser unterwegs, etwa bei Steger oder den Kanuclubs. Und auch das stimmt Ulli Gehrke positiv: „Die Menschen sind nach dem Hochwasser vom 14. Juli 2021 viel aufmerksamer geworden.“
Stadt verweist auf Hochwassergefahrenkarte
Dazu gehört auch, nachzusehen, ob für das eigene Wohngebiet die Gefahr einer Überflutung besteht. Wer das tun will, den verweist die Stadt auf die Hochwassergefahrenkarten des Landes NRW, die unter anderem im Klimaatlas NRW veröffentlicht wurden: www.klimaatlas.nrw.de/klima-nrw-pluskarte. „Wenig überraschend sind Bereiche an der Ruhr am stärksten gefährdet“, so Stadtsprecher Jörg Schäfer. „Besonders die im Bereich In der Lake.“
Doch trotz aller Sorge scheint die „Alarmstufe Rot“ in der aktuellen Hochwassersituation noch lange nicht erreicht zu sein. Beim Ennepe-Ruhr-Kreis, der zuständig ist für den Katastrophenschutz, winkt Pressesprecher Ingo Niemann ab. „Es wurde noch kein Krisenstab eingesetzt.“