Witten. Die neue 68 Meter lange Schrägseilbrücke des Rheinischen Esels sorgt auch außerhalb Wittens für Aufsehen. Das sagt ein Bahntrassen-Experte.

Er gilt als deutscher „Bahntrassen-Papst“: Der promovierte Chemiker Achim Bartoschek hat nahezu alle Radwege auf ehemaligen Bahntrassen in Deutschland befahren und auf der Homepage www.bahntrassenradeln.de beschrieben. Am Samstag wird der 53-Jährige auch einer Wittener Trasse die Ehre erweisen, denn dann wird die neue Schrägseilbrücke des Rheinischen Esels über die Pferdebachstraße eröffnet. Aus Expertensicht: Wie ist diese Investition zu bewerten? Ein Interview.

Um Sie einmal vorzustellen: 2001 sind Sie begeistert durch Eifel und Hunsrück geradelt, entlang des Maare-Mosel-Radwegs, des Schinderhannes-Radwegs und des Maifeld-Radwegs. Weil es überhaupt keine Informationen über diese Trassenwege gab, haben Sie ehrenamtlich mit dem Aufbau einer Internetpräsentation begonnen. Viele begeisterte Radler liefern Ihnen Informationen zu und mittlerweile zeigt Ihre Homepage weltweit Bahntrassen auf. Wie viele Kilometer Bahntrasse gibt es denn in Deutschland?

Bartoschek: Es sind 816 Strecken mit insgesamt etwa 5500 Kilometern. Also rein auf Trassen, ohne die Anschluss-Radwege. Zahlenmäßig gibt es in NRW die meisten Trassen. In unserem Bundesland werden nur noch wenige Strecken hinzukommen, da das Alleenradwegeprogramm weitgehend abgearbeitet ist.

Wie viel davon sind Sie selbst schon gefahren?

In Deutschland etwa 90 Prozent. Inzwischen wurde aber so viel neugebaut, dass ich kaum hinterherkomme.

Achim Bartoschek ist ITler und passionierter Radfahrer. Er steckt hinter der Entwicklung vieler Radwege auf ehemaligen Bahntrassen im Ruhrgebiet
Achim Bartoschek ist ITler und passionierter Radfahrer. Er steckt hinter der Entwicklung vieler Radwege auf ehemaligen Bahntrassen im Ruhrgebiet © WAZ FotoPool | Sebastian Konopka

Und was radeln Sie im Jahr und auf welchem Rad?

Mein Jahresrekord liegt bei 9000 Kilometern und ich habe ein ganz normales Trekkingrad, ohne E-Motor.

Der Rheinische Esel, die ehemalige Eisenbahntrasse ist vorwiegend mit einer wassergebundenen Decke versehen und nur teilweise asphaltiert, die wie hier an der Dortmunder Straße nahe den Stadtwerken.
Der Rheinische Esel, die ehemalige Eisenbahntrasse ist vorwiegend mit einer wassergebundenen Decke versehen und nur teilweise asphaltiert, die wie hier an der Dortmunder Straße nahe den Stadtwerken. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Auf Ihrer Seite bahntrassenradeln.de erhält der Rheinische Esel eine mittelgute Bewertung: drei von vier Fahrrädern. Sie empfehlen die Strecke also für einen Ausflug. Was fehlt denn zu einer Vier-Sterne-Bewertung?

Freigabe am Samstag

In Witten endete für Fußgänger und Radfahrer der „Rheinische Esel“ bisher abrupt in der Baustelle der Pferdebachstraße – die bis auf kleine Restarbeiten fertig ist. Nach der Einweihung und Freigabe am Samstag (3.6., 13 Uhr) ist diese Lücke geschlossen. Die ehemalige Bahntrasse führt nun nahtlos von Dortmund über Witten nach Bochum.

Die 68 Meter lange Schrägseilbrücke hat das Bochumer Unternehmen IHT Bau im Auftrag der Stadt Witten errichtet. Medien schreiben bereits von einer „Mini-Golden-Gate-Bridge“.

Mit der neuen Brücke ist die größte Schwachstelle ausgemerzt. Vier Räder erhalten Strecken, die einen besonderen touristischen Mehrwert bieten, die man einfach mal gefahren sein muss. Etwa die steile Strecke einer ehemaligen Zahnradbahn auf der Schwäbischen Alb, der Vulkan-Radweg in Hessen oder der Vennbahnradweg ab Aachen nach Ostbelgien.

Gibt es solche Highlights auch in unserer Gegend?

Der Erzbahnweg in Bochum mit vielen interessanten Brücken etwa der Erzbahnschwinge ist schon spektakulär. Dann der Zollvereinweg durch die Industriekultur. Und natürlich der Panoramaradweg Niederbergbahn mit drei großen Viadukten und einer Waggonbrücke.

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Beim Rheinischen Esel wird immer wieder eine Asphaltdecke statt der wassergebundenen Decke diskutiert. Was sagen Sie dazu?

Es gibt deutschlandweit eine klare Tendenz zu Asphalt, denn die Fahreigenschaften sind einfach besser. Andere Systeme, etwa eine wasserdurchlässige Oberfläche auf der Korkenzieherbahn bei Solingen haben sich bisher nicht bewährt. Die Diskussion über das Miteinander von Fußgängern und Radfahrern kann man am besten über die Breite lösen, dann gibt es weniger Konflikte. Die Balkantrasse in Leverkusen ist teils vier Meter breit. Bei neueren Strecken gibt es manchmal separate Spuren für Fußgänger und Radler, getrennt durch einen Grünstreifen.

Wie bedeutend ist die Eröffnung der Schrägseilbrücke, die ja nach Jahrzehnten eine Lücke des Radwegs von Dortmund nach Bochum schließt?

Diese Brücke ist auf jeden Fall etwas Besonderes. Im Ruhrgebiet gibt es sehr viele Brücken gerade im Zuge von Bahntrassenwegen, die oft eine typische Handschrift des Regionalverbands Ruhr tragen. Meistens werden die ehemaligen Bahnbrücken verwendet. Bei Neubauten gibt es kleinere Alukonstruktionen bis zu ganz großen Brückenbauten, die wie in Witten eine eigene Ästhetik haben.

Fällt Ihnen noch mehr ein, wie man den Rheinischen Esel aufwerten könnte?

Beliebt sind immer die Trassen, die ihre eigene Bahnvergangenheit thematisieren. Das können Infotafeln sein, aber auch Relikte wie Schwellen, Schienen, Signaltafeln, Prellböcke, eine historische Lok am Wegesrand oder ein Bahnwaggon mit einem Café. Beim Rheinischen Esel gibt es da ja schon einige Ansätze.