Witten. Zum 1. März schließen fast alle Testzentren in Witten. Das Team aus der Stadtgalerie blickt zurück auf Andrang, Leere – und empfindsame Männer.
Die Tränen glitzern in Gülhan Gökhans Augen. Die Trennwände in dem Ladenlokal sind schon entfernt, Kisten mit Ordnern gepackt, die Müllsäcke gefüllt. In wenigen Stunden wird sie das Testzentrum in der Stadtgalerie endgültig abschließen. Fast alle Testzentren in Witten führten an diesem Dienstag (28.2.) zum letzten Mal Abstriche durch.
„Für uns war das hier mehr, als nur Stäbchen in die Nase schieben“, sagt Gülhan Gökhan, die das Testzentrum in der Stadtgalerie leitete. Für sie endet ein intensives Abenteuer. Mit Tagen, an denen die Kunden und Kundinnen so lange Schlange standen, dass Security-Mitarbeiter den Einlass regeln mussten. Insgesamt 45 Mitarbeitende nahmen 1200 Abstriche pro Tag vor. In diesen letzten Stunden arbeiten sie in dem ehemaligen Esprit-Ladenlokal zu zweit. Mitarbeiterin Marla d’Hone darf in ihrer blauen Schutzkleidung wartend in einem Roman schmökern. Nur 15 Abstriche hat sie bislang entnommen. Fünf davon waren positiv.
Immer wieder neue Corona-Regeln erklärt
Covid-Erkrankungen gibt es also weiterhin, aber ab 1. März übernimmt der Bund nicht mehr die Kosten für vorbeugende Coronatests. Die Betreiber der Zentren können Tests nicht mehr mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe abrechnen, erhalten also kein Geld mehr. Lediglich die Teststation des Mediziners Dr. Matthias Thöns neben Ostermann macht noch einen Monat weiter. Alle anderen Zentren schließen.
Denn die Kasse klingelt schon länger nicht mehr. Den großen Knick gab es Ende 2022 mit der Änderung der Testpflichten für Besucher von Pflegeheimen und Krankenhäusern. Statt einen offiziellen negativen Schnelltest vorweisen zu müssen, reicht eine mündliche Aussage. „Zuletzt kamen zu uns vor allem ältere Herrschaften, die Angst davor haben, sich allein zu testen“, sagt Gökhan. Und Menschen, die Sicherheit haben wollten, bevor sie erkrankte Angehörige oder ein neugeborenes Baby besuchen.
Es gab auch viele Stammkunden, die täglich im Testzentrum vorbeischauten – und sei es nur für einen Plausch. Auch in diesem Moment kommt eine ältere Frau. Sie kennt Gülhan Gökhan gut, weil diese ihr so geduldig die immer neuen Corona-Regeln erklärt habe. „Sie wissen gar nicht, wie viele Paragrafen ich in den letzten zwei Jahren lesen musste“, sagt die 47-jährige Kauffrau schmunzelnd.
Zertifikat nach 90 Minuten Schulung
Dabei vergisst man, wie schnell die Testzentren im Frühjahr 2021 aus dem Boden gestampft wurden. Das Testzentrum des DRK in der Werkstadt (längst geschlossen) und das Testzentrum in der Stadtgalerie von Mürvet Kesmen waren zwei der größten Angebote in Witten, mit langen Öffnungszeiten. Der Zulauf auf die Zentren – über 40 waren es zeitweise in Witten – war enorm. Nachdem der Bochumer Medican-Betrug bekannt wurde oder als sich herausstellte, dass viele Schnelltests die Omikron-Variante gar nicht anzeigten, gab es zwar komische Sprüche. Doch die Nachfrage blieb.
In der Stadtgalerie arbeiteten neben der kaufmännischen Leiterin Gökhan vor allem Werksstudenten oder frisch gebackene Abiturienten. 90 und später 120 Minuten dauerte eine Schulung für ein Zertifikat, das etwa die Soziologie-Studentin Marla berechtigt, Abstriche zu nehmen. Dafür gibt es etwas mehr als den Mindestlohn. „Und ein nettes Team“, betont die 20-Jährige. „Ich hatte noch nie einen so tollen Nebenjob.“
Keiner im Testzentrum angesteckt
Neue Mitarbeitende hat Gülhan Gökhan über Hörensagen vermittelt bekommen. Nicht jeder sei dafür gemacht. „Man guckt besser nicht hin, was man da beim Abstrich aus mancher Nase herausholt“, sagt Marla achselzuckend. Hatten sie denn nie Angst, sich zu infizieren? „Tatsächlich hat sich keiner von uns hier angesteckt. Die meisten von uns hatten Corona, aber aus dem Urlaub oder von den Kindern“, sagt Gökhan. Unterschätzt habe sie die Krankheit dabei nie. „Ich besuche meine eigene Mutter nur frisch getestet.“ Ihre vorerkrankte Tante sei an Covid verstorben.
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Noch eine Frage, bevor sie nie wieder jemandem das Teststäbchen tief in die Nase schieben wird: Wer hat unter dem Prozedere mehr gelitten, Männer oder Frauen? „Männer“, sagen die Testerinnen gleichzeitig. „Gerade die, die so tough aussehen, sind empfindsam. Die sind auf dem Stuhl immer ganz nach hinten gerutscht.“