Witten. J.D.Neuhaus in Witten sorgt dafür, dass schwere Lasten bewegt werden. Gitta Neuhaus-Galladé (27) ist die achte Generation im Familienunternehmen.
277 Jahre ist das Wittener Familienunternehmen J.D. Neuhaus in Heven ansässig. Eine Firma, die hydraulische und pneumatische Hebezeuge und Krananlagen produziert, mit denen schwere Lasten bewegt werden können. Die Hevener sind Weltmarktführer, exportieren ihre Produkte in viele Länder der Erde. Für Geschäftsführer Wilfried Neuhaus-Galladé ist das Jahr 2022 ein ganz besonderes: Seine Tochter Gitta hat sich für die Firma entschieden.
Seit Februar ist die 27-Jährige für den Bereich „Unternehmensentwicklung, Personalwesen und Nachhaltigkeit“ verantwortlich. Gitta Neuhaus-Galladé hat Wirtschaftspsychologie, danach an der Universität Witten/Herdecke noch Management studiert. Sie hat bei zwei deutschen Automobilkonzernen gearbeitet, war zuletzt bei einem Beratungsunternehmen mit dem Schwerpunkt Digitalisierung als Referentin des Vorstands tätig.
Fast jeder vierte Mitarbeiter in Witten-Heven geht in den nächsten Jahren in Rente
Gitta Neuhaus-Galladé ist jetzt die achte Generation im Familienunternehmen J.D. Neuhaus. Kein „ererbtes“ Recht, weil es sich um die Tochter des Chefs handelt, wie ihr Vater betont. „Es gibt bei uns die Familie und es gibt die Firma“, sagt Wilfried Neuhaus-Galladé. Seine Tochter musste sich im Unternehmen bewerben. Die Zustimmung ihres Vaters reichte dabei nicht. „Es gibt noch einen dreiköpfigen Beirat.“ Beim Thema Nachfolge gehe es ums Wollen und Können, so der 65-Jährige.
In Zeiten eines großen Fachkräftemangels muss Gitta Neuhaus-Galladé dafür sorgen, dass das weltweit tätige Traditionsunternehmen über ausreichend Personal verfügt. Am Hevener Firmensitz arbeiten rund 150 Menschen. Fast jeder vierte Mitarbeiter gehört zur „Generation 55 plus“, den Babyboomer-Jahrgängen. Menschen, die in den nächsten Jahren nach und nach in Rente gehen werden. „Das sind Leute, die lange bei uns sind, sehr viel Erfahrung und Wissen haben“, sagt der Firmenchef. Die Frage werde sein, ob es gelinge, sie durch neue Kräfte zu ersetzen. Sei dies nicht möglich, werde man darüber nachdenken müssen, auf welche Weise man Arbeitsabläufe optimieren könne. „Das wollen wir nicht. Aber es wird uns in einer solchen Situation dann nichts anderes übrig bleiben.“
J.D.Neuhaus sucht für das neue Lehrjahr ab August noch zwei Auszubildende
J.D. Neuhaus ist ein Ausbildungsbetrieb, der sechs verschiedene Lehrberufe anbietet. Vier Azubis werden im August im Unternehmen starten. Zwei weitere Ausbildungsstellen konnten noch nicht vergeben werden. Gesucht werden junge Leute, die Mechatroniker oder Mechatronikerin beziehungsweise Fachkraft für Lagerlogistik werden möchten.
Im vergangenen Jahr war es nicht gelungen, alle Lehrstellen zu besetzen. Man fördere auch die fachliche Weiterentwicklung der einzelnen Mitarbeiter und von Arbeitsteams, betont Gitta Neuhaus-Galladé. Menschen können im Unternehmen Karriere machen. „Freie Positionen werden, wenn möglich, direkt aus den eigenen Reihen nachbesetzt.“ Ein Personal-Management, das Mitarbeitern Perspektiven eröffnet - auch damit gute Leute der 277 Jahre alten Firma erhalten bleiben.
Bei J.D.Neuhaus wurde in den vergangenen beiden Coronajahren niemand entlassen. „Da haben wir im Traum nicht dran gedacht“, betont der Firmenchef. Und dies, obwohl auch das Hevener Unternehmen in der Pandemie Umsatzeinbußen hinnehmen musste. Die Auftragsbücher sind wieder voll. Dass man sich von keinen Leuten getrennt habe, zahle sich jetzt aus. Wilfried Neuhaus-Gallade glaubt, dass man beim Umsatz 2022 wieder das Niveau des Vorcoronajahres 2019 erreichen wird.
Schmiedebetrieb wurde von 1905 bis 1919 von einer Frau geleitet
Gitta Neuhaus-Galladé hat noch zwei Brüder. Beide haben auch Wirtschaft studiert. Der jüngere Bruder ist 26, arbeitet bei einem Beratungsunternehmen in Hamburg. Der ältere Bruder (36) ist bei einem großen deutschen Konzern beschäftigt. Ob sie - wie ihre Schwester - ins Familienunternehmen kommen, sei noch offen, sagt der Vater. Mit Blick auf die 27-Jährige kommt er noch auf ein Stück Familien- und Firmengeschichte zu sprechen. „Meine Urgroßmutter Emma Neuhaus hat den Betrieb in Heven von 1905 bis 1919 geleitet, nachdem mein Urgroßvater Louis verstorben war. Als ihr Sohn Max, mein Großvater, 19 Jahre alt war, hat sie ihm dann die Geschäftsführung übertragen.“
1745 fing in Heven alles an
Bei J.D.Neuhaus kann man auf eine 277-jährige Firmengeschichte zurückblicken. 1745 gründete Johann Diederich Conrad Neuhaus (1726–1809) in der Bauernschaft Heven bei Witten eine Windenschmiede. Diese Erfindung zum Bewegen schwerer Lasten legte den Grundstein für die Erfolgsgeschichte von J.D. Neuhaus. 165 Jahre in Heven jede Winde von Hand geschmiedet.
Seit 1995 leitet Wilfried Neuhaus-Galladé als geschäftsführender Gesellschafter das Familienunternehmen. Er baute eine weltweite Vertriebsorganisation auf - mit Tochtergesellschaften in den USA, Frankreich, Großbritannien und Singapur. Heute exportiert das Unternehmen über 80 Prozent seiner Produkte - rund 25 Prozent hiervon gehen allein in die USA.
Damals war die Firma Neuhaus noch ein reiner Schmiedebetrieb, der sogenannte Holzschaft-Winden herstellte, eine Art Wagenheber. Die Erzeugnisse kamen in den umliegenden Kohlegruben, auch bei Schleusen und der Eisenbahn zum Einsatz. Worauf die Unternehmerfamilie heute auch stolz ist: Die 1745 in Heven gegründete Firma ist das älteste Maschinenbauunternehmen Deutschlands, das noch in Familienbesitz ist und von einem Nachfahren des Gründers geführt wird. Gitta Neuhaus-Galladé will diese Tradition fortführen.