Witten. Jöran Steinhauer, der im Diakonissenhaus zur Welt kam, lebt in Lettland. Dort ist er ein bekannter Sänger. Pfingsten ist er in Witten zu hören.
Zur Welt kam er im Wittener Diakonissenhaus, aufgewachsen ist er in Bochum-Weitmar und seit Jahren ist Lettland seine Wahlheimat. Der gebürtige Wittener Jöran Steinhauer ist dort heute ein bekannter Sänger und Songwriter. Mit seiner Band trat er 2014 für das baltische Land beim „Eurovision Song Contest“ an. Am Pfingstsonntag (5.6.) ist der 35-Jährige in der evangelischen Kirche in Rüdinghausen zu Gast und stellt dort sein neues Album „Jollytown“ vor.
Dem Auftritt in seiner alten Heimat geht eine lange Anreise voraus. Steinhauer und seine Bandmitglieder, die Letten Guntis Veilands und Janis Narbuts, legen rund 1900 Kilometer mit dem Auto ins Ruhrgebiet zurück. Ihre Reise führt sie über Estland, Litauen und Polen ins Ruhrgebiet. Das Konzert in Rüdinghausen kam durch einen persönlichen Kontakt zustande. Der dortige evangelische Pfarrer Carsten Griese ist der Patenonkel eines Cousins von Jöran Steinhauer.
Gebürtiger Wittener war zum ersten Mal als Schüler in Lettland
Der Künstler lebt mit seiner Freundin, der Lettin Magda, auf dem Land, in der Nähe der Stadt Talsi im Westen Lettlands in der historischen Landschaft Kurland. Für den Wegzug aus der lettischen Hauptstadt Riga hatte sich Steinhauer zu Beginn der Pandemie entschieden.
Der Sohn eines Pfarrers war zum ersten Mal als 17-Jähriger in Lettland – im Rahmen eines Schüleraustauschs. Nach dem Abi entschied er sich für seinen Zivildienst bei der deutsch-evangelischen Kirchengemeinde in Riga. „Die Hälfte der Woche war ich in einem Diakoniezentrum für Straßenkinder und habe dort in der sogenannten Moskauer Vorstadt hinter dem Bahnhof gearbeitet. Hier leben viele russischsprachige Menschen.“ Viele Kinder, die Steinhauer dort 2006 kennenlernte, hatten Drogenprobleme. „Das war für mich eine wichtige Erfahrung, aber auch sehr bedrückend.“
Während der Zivildienstzeit lernte er Lettisch – die Voraussetzung für seinen späteren musikalischen Erfolg im Land und den Kontakt zu den Menschen. „Die Sprache öffnet einem die Türen“, sagt er. Steinhauer ging zurück nach Deutschland, studierte in Bremen „Integrierte Europastudien“. Lettland aber ließ ihn nicht los.
Seine Mutter machte ihm den Vorschlag, ein Lied über den Lats, die letzte lettische Währung, zu schreiben. 2014 wurde in dem baltischen Land der Euro eingeführt. Jöran Steinhauer wurde mit dem Song, den er auf Lettisch sang und online verbreitete, über Nacht landesweit bekannt. Er setzte sich mit seiner Gitarre in einen Billigflieger und flog nach Lettland, wo er seit Herbst 2013 lebt. „Die Letten nennen mich bis heute ,Latinsch’, also ,den kleinen Lats’. Das wäre so, als wenn ich in Deutschland ,die kleine Mark’ genannt würde“, sagt der Sänger im Telefoninterview mit unserer Redaktion.
Sänger schrieb ein Lied über den ehemaligen Kettenhund Tabo
2014 schickte ihn Lettland zum Eurovision Song Contest nach Kopenhagen. Mit seiner damaligen Band Aarzemnieki („Ausländer“) schied Steinhauer im Halbfinale aus. Seiner Popularität in dem baltischen Land, in dem nur rund 1,9 Millionen Menschen leben, hat dies keinen Abbruch getan.
Der gebürtige Wittener liebt die Menschen in Lettland, die Natur. „Die Leute hier sind genügsam. Sie brauchen relativ wenig, um glücklich zu sein.“ Auch der 500 Kilometer lange Sandstrand des Landes mit seinen Pinienwäldern sei herrlich.
In seiner Wahlheimat ist der Künstler immer wieder zu Gast im lettischen Fernsehen, er arbeitet mit dem dortigen Goethe-Institut und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) zusammen.
Zu seinem Erfolg als Sänger hat 2019 auch sein Lied „Mein Hund ist Lette“ beigetragen. Steinhauers Rüde Tabo, den er aus einem Tierheim holte, lag vorher sechs Jahre lang an einer Kette in einem Stall. „Jetzt ist er frei.“ Zwischen Tabo und den Letten sieht er gewisse Parallelen. Im Herbst 1944 wurde das baltische Land im Zweiten Weltkrieg von der Roten Armee erobert, am 21. August 1991 erklärte sich Lettland für unabhängig von der Sowjetunion.
Jöran Steinhauer und seine Band treten im Juni auch beim Liederfest in Esslingen auf
Den ersten Tag des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat Steinhauer im Baltikum erlebt. „Ich habe viele Menschen mit Tränen in den Augen getroffen. Ich habe selber welche in den Augen gehabt.“ Derzeit versuchten die Letten, die Situation zu verdrängen. Sie hofften auf einen friedlichen Sommer. Vom 16. bis 19. Juni wird in Esslingen bei Stuttgart ein lettisches Lieder- und Tanzfest gefeiert. Steinhauer und seine Band werden dort auch zu hören sein.
Ein Festival mit einer langen Geschichte und einem ernsten Hintergrund. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Besetzung Lettlands durch die Sowjetunion hatten über 120 000 Letten das Land verlassen. Mehr als 8000 lettische Flüchtlinge kamen damals nach Esslingen. Die Stadt wurde auch zu einem der bedeutendsten Zentren lettischer Kultur im Exil. Aber erst einmal geht’s für Jöran Steinhauer jetzt nach Witten.