Witten. Seit Montag kann man das 9-Euro-Ticket kaufen, das deutschlandweit für Bus und Bahn gilt. Das Interesse in Witten ist groß. Das sagen die Kunden.

Der Verkauf des 9-Euro-Tickets ist auch in Witten am Montag (23.5.) gestartet und man kann jetzt schon sagen: Das wird ein Bestseller. Bereits vor Öffnung des Bogestra-Kundencenters in der Bahnhofstraße standen die Kunden Schlange. Der Ansturm hielt den Tag über an.

Am meisten freut es Bogestra-Mitarbeiterin Janina Schultze, „dass endlich wieder etwas los ist. Seit der Corona-Zeit ist das Interesse an Nahverkehr ziemlich mau“. Sie verkauft vorab ausgedruckte Tickets für den Monat Juni direkt vor dem Center auf der Bahnhofstraße, „damit die Leute nicht so lange Schlange stehen müssen“. Alle, die ihr Geld passend haben, nehmen das Angebot gerne an. Viele bleiben aus Neugier stehen – und nehmen das Ticket mit. „Viele befürchten, dass das Ticket ausverkauft sein könnte. Aber wir können immer nachdrucken, es ist immer verfügbar“, so Schultze.

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„Das ist ein richtig tolles Angebot“

Walfried David hat es sich gesichert: Der Rentner hat sich ein 9-Euro-Ticket im Bogestra-Shop in Witten gekauft.
Walfried David hat es sich gesichert: Der Rentner hat sich ein 9-Euro-Ticket im Bogestra-Shop in Witten gekauft. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Das 9-Euro-Ticket soll neue Kunden für die öffentlichen Verkehrsbetriebe gewinnen und die Menschen von Energiekosten entlasten. Für den niedrigen Preis kann man einen Monat lang mit Bus und Bahn quer durch Deutschland fahren. Es gibt drei Monatstickets (Juni, Juli, August). Die Aktion läuft vom 1. Juni bis zum 31. August. Zum Vergleich: Eine einzige Fahrt von Witten nach Bochum kostet aktuell beispielsweise 6,10 Euro – ohne Rückfahrt.

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Wer wartet in der Schlange? Das ältere Ehepaar will im Juni öfter mal das Auto stehen lassen. „Wir wohnen in Annen und unser Enkel in Bommern. Da fahren wir nun mit dem Bus hin“, sagen sie. Anne (43) möchte das Ticket Vater und Mutter zum Vatertag schenken: „Meine Eltern haben doch Zeit. Damit können sie in Witten einfach mal auf Tour gehen und was entdecken“, hofft sie. Werner (72) hat schon Touren ausgetüftelt, die er mit Gattin, Fahrrädern, Bahn und Billigtickets nun in Angriff nehmen möchte. Zuerst soll es ins Sauerland gehen. „Ich finde, das ist ein richtig tolles Angebot. Das verleitet wirklich mal dazu, das Auto stehen zu lassen“, betont er.

Fahrt zum Friedhof ist sonst zu teuer

Den ganzen Tag über standen Kunden in Witten für das 9-Euro-Ticket an. Die Wartezeit betrug fünf bis zehn Minuten.
Den ganzen Tag über standen Kunden in Witten für das 9-Euro-Ticket an. Die Wartezeit betrug fünf bis zehn Minuten. © Köpsel

Viele, die jetzt hier anstehen, hätten sich die regulären Ticketpreise nicht leisten können. „Endlich gibt es mal ein Angebot auch für Rentner“, sagt eine Frau. „Bus und Bahn sind viel zu teuer. Ich kann es mir kaum leisten, nach Langendreer zum Friedhof zu fahren.“ Eine andere Frau nimmt das Ticket als Ersatz fürs Sozialticket (sonst 40 Euro) und eine dritte möchte erstmals nach langer Zeit damit in den Urlaub fahren. „Bis zur Ostsee, auch wenn ich mehrmals umsteigen muss. Aber so billig komme ich nie wieder dorthin“, sagt sie.

Auch der Ticketautomat im Hauptbahnhof Witten ist an diesem Montag von einer Traube Menschen umgeben. Grün leuchtet auf dem Display das Angebot, zwischen arabischen Sätzen hört man immer nur den Wortfetzen „9-Euro-Ticket“. Im Ticketshop im Bahnhof dagegen war das Interesse zwar da, „aber nicht überwältigend“, so ein Verkäufer.

Gute Werbung für den ÖPNV

Auch Janina Schultze merkt, dass das Informationsbedürfnis noch groß ist. Ihre häufigsten Antwortsätze: „Wir buchen das Ticket2000 billiger ab.“ „Auch das Schoko-Ticket wird neun Euro kosten.“ „Sie können alle Fahrten nutzen, außer ICE.“ Und vor allem: „Sie müssen später Namen und Geburtstag darauf eintragen.“

Mitnahme von Fahrrädern nicht garantiert

Peter Bökenkötter, Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr (VER), hält nicht viel vom 9-Euro-Ticket. Er fürchtet enorme Verluste für sein Unternehmen, das ohnehin finanziell am Krückstock geht. „Man hätte einfach mal ÖPNV-Experten fragen müssen, bevor man so ein Ding anschiebt. Ich glaube nicht, dass die Kunden damit vorwiegend unsere Busse nutzen, sondern dass für Leute, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, vor allem der überregionale Zugverkehr interessant ist.“

Die Verkehrsunternehmen raten, sich das Ticket auf dem digitalen Weg zuzulegen. Bei den Busfahrern der VER beispielsweise ist das Ticket nicht erhältlich, in Bogestra-Bussen schon. Infos: www.bogestra.de/9-euro-ticket.

Die DB stockt derweil ihr Personal auf: Es gibt mehr Sicherheitspersonal, Reinigungskräfte und „Fahrradlotsen“ in den Bahnhöfen. Die DB betont: Weil die Züge sehr voll werden können, kann die Mitnahme von Fahrrädern nicht garantiert werden.

Nach Angaben von Sandra Bruns, Sprecherin der VER und Bogestra, werden die meisten 9-Euro-Tickets über die App verkauft. Schon um elf Uhr waren es zwischen Witten und Gelsenkirchen über 1000 Stück. „Auffallend ist, dass viele in den Kundencentern gleich Tickets für alle drei Monate kaufen und für mehrere Personen.“

Ob Bus und Bahn nun deutlich voller werden? Sandra Bruns hat ihre Zweifel. „Das Ticket fällt ja in die Sommermonate, wenn Schul- und Semesterferien sind und sowieso weniger los ist.“ Sie glaubt, dass vor allem diejenigen mit dem 9-Euro-Fahrschein fahren, die sonst ein Tagesticket oder eine Viererkarte genutzt hätten, also Gelegenheitsfahrer. Angesichts der Schlange vorm Wittener Kundencenter muss man aber sagen: Eine gute Werbung für den ÖPNV ist das Ticket allemal.