Witten. Pedelecs boomen. Doch auch in Witten kommt es mit Elektro-Rädern immer wieder zu Unfällen. Wer in die Pedale tritt, sollte sein Rad kennen.
In Coronazeiten haben viele den Spaß am Rad entdeckt. Dies hat einen Trend verstärkt, der seit Jahren zu beobachten ist: Immer mehr Menschen treten gerne in die Pedalen. Und: Es gibt einen Run auf Pedelecs, sprich Räder mit Elektroantrieb, hierzulande meist alle kurz E-Bikes genannt. Damit kann, wer will, schnell unterwegs sein. Auch in Witten kommt es immer wieder zu schweren Unfällen – wie jüngst in Herbede. Was Verkehrsexperten der Polizei zum Start in die Radsaison raten.
Auf der Straße „Im Hammertal“ ist eine Pedelec-Fahrerin vor wenigen Tagen in das Rad eines Mannes gefahren, der vor ihr abbremste. Die 41-Jährige wurde schwer verletzt. Ende März stürzte ein 75-Jähriger im Bereich Oberstraße/Winkelstraße. Er hatte die Kontrolle über sein Rad verloren. Im letzten Sommer verunglückte ein Pedelec-Fahrer auf der Crengeldanzstraße. Der 57-Jährige war mit einem Reifen in die Straßenbahnschienen geraten. Beim Sturz verletzte er sich schwer.
Autofahrer unterschätzen oft die Geschwindigkeit von Pedelecs
Kurt Bodewig, Präsident der Deutschen Verkehrswacht, forderte aufgrund der Unfälle im vergangenen Jahr mehr Fahrtrainings für Menschen, die erstmals mit einem E-Rad unterwegs sind. Besonders Ältere, die das Radfahren für sich neu entdeckten, hätten anfänglich Schwierigkeiten mit dem Elektroantrieb.
Dass Radfahrer unterschätzen, wie schnell man mit einer Motor-Unterstützung ist und wie schwer diese Räder sind, beobachtet auch Siegfried Klein, Leiter der Dienststelle Verkehrsunfallprävention/Opferschutz des für Witten zuständigen Polizeipräsidiums Bochum. Für jeden Radler gelte: „Man sollte nur so schnell fahren, dass man jederzeit bremsen kann.“ Es genügten ein Stein oder Blätter auf der Straße, „schon rutscht man weg“. Elektro-Fahrräder könnten von Radlern oft auch nicht gehalten werden, wenn sie kippten. Klein rät gesundheitlich angeschlagenen Menschen, die unter Umständen auch zu Fuß wackelig unterwegs sind, vom Kauf eines Pedelecs ab.
Fahrräder mit Elektromotor unterscheiden sich
Es gibt unterschiedliche Fahrräder mit Elektromotor. Ein E-Bike ist ein motorisiertes Fahrrad, das auf Knopfdruck und ohne (!) Trittunterstützung beschleunigt. E-Bikes, die bis zu 45 km/h schnell unterwegs sein können, entsprechen einem Kleinkraftrad. Sie dürfen nur mit einer Fahrerlaubnis der Klasse AM gefahren werden und benötigen ein Versicherungskennzeichen. Auch bei E-Bikes, mit denen man 25 km/h erreichen kann, handele es sich in der Regel rechtlich um Mofas, so der ADAC. Die Fahrer müssten Helme tragen, auch ein Kennzeichen sei erforderlich.
Ein Pedelec ist ein Fahrrad mit Elektromotor und einer Trittunterstützung bis 25 km/h. Der Elektromotor kommt zum Einsatz, wenn man in die Pedale tritt. Pedelecs werden in Deutschland häufig als E-Bikes bezeichnet.
Ein S-Pedelec ist ein Rad mit Elektromotor und einer Trittunterstützung bis 45 km/h. S-Pedelecs gelten als Kleinkrafträder. Sie sind zulassungspflichtig und müssen mit einem Kennzeichen vom Versicherer ausgestattet werden. Der Fahrer benötigt die Berechtigung zum Fahren eines Kleinkraftrades, welche im gängigen Kfz-Führerschein enthalten ist. Beim S-Pedelec gilt außerdem die Helmpflicht.
Sein Kollege, Verkehrssicherheitsberater Tobias Schleff, sagt, dass auch Autofahrerinnen und Autofahrer die Geschwindigkeit der Elektro-Räder häufig unterschätzten. Ein Autofahrer sehe einen Radfahrer und denke: „Der ist ja noch weit weg. Da kann ich noch aus dem Auto aussteigen.“ Plötzlich knalle es, weil der Radler flott unterwegs war und den notwendigen Seitenabstand von 1,50 Meter nicht eingehalten habe.
Der Bremsweg und die gefahrene Geschwindigkeit würden von unerfahrenen Radlern in der Regel nicht richtig berücksichtigt. Wichtig sei beim Radkauf: Pedelecs, auch konventionelle Räder, müssten individuell angepasst werden. Von Schnellkäufen bei Angeboten ohne Beratung rät die Polizei ab. Tobias Schleff: „Wir empfehlen allen Radlern, einen Helm zu tragen und durch helle Kleidung, besser noch Reflektoren, für eine gute Sichtbarkeit zu sorgen.“ Die Dienststelle Verkehrsunfallprävention/Opferschutz führe mit der Verkehrswacht seit einigen Jahren auch Trainingsveranstaltungen für Pedelec-Fahrer durch.
Verkehrssicherheitsexperte Siegfried Klein plädiert auch für gegenseitige Rücksichtnahme. Am Kemnader See, wo es getrennte Rad- und Fußwege gebe, sei es trotzdem zu beobachten, dass Radler auf Fußwegen und Spaziergänger auf Radwegen unterwegs seien. Es gebe Radfahrer, die rasten mit einem „Affenzahn, mit 30 oder 40 km/h“ und manchmal nur geringem Abstand an Spaziergängern vorbei. So etwas könne natürlich zu Unfällen führen.
Wittens Fahrradbotschafter Andreas Müller stellt fest, dass Räder mit Elektroantrieb einen großen Imagewandel erlebt haben. Hätten sie früher als „Oma-Räder“ gegolten, würden die meisten E-Räder heute sportlich aussehen. „Deshalb erwärmen sich auch junge Leute für sie.“ Man freue sich, damit schnell unterwegs zu sein und auch längere Distanzen problemlos zurücklegen zu können. Bei diesem Fahrspaß verliere mancher die Geschwindigkeit aus dem Auge. Der Tipp des früheren Verkehrsplaners der Stadt Witten: „Menschen, die lange nicht geradelt sind, sollten erst einmal mit einem normalen Fahrrad fahren.“