Witten. In der Corona-Pandemie ist der Bedarf an Nachhilfe in Witten gestiegen. Es gibt aber zu wenig kostenlose Angebote für Kinder, so die Institute.
Schule auf, Schule zu. Mal Präsenzunterricht, wieder Lernen zu Hause, dann Quarantäne: Seit März 2020 ist das schulische Leben wegen der Corona-Pandemie auf den Kopf gestellt. Die Folge sind Lernlücken - und die sorgen wiederum für eine erhöhte Nachfrage in den Nachhilfe-Instituten in Witten.
„Die Lernlücken bei unseren Schülern sind leider sehr ausgeprägt“, sagt Britta Weimann, Inhaberin der Nachhilfeschule „Disco“ in der Galenstraße. „Insbesondere bei den jüngeren Schülern konstatieren wir Defizite in den Bereichen Kopfrechnen, Rechtschreibung, und Umgang mit digitalen Lernmedien.“ Sie führe diese Problematik vor allem auf die langen Schulschließungen zurück.
Ein Beispiel ist ihr besonders präsent: Ein Mädchen mit Eltern, die kaum Deutsch sprechen, sei 2020 eingeschult worden, kurz darauf wurden die Schulen geschlossen. Die Erstklässlerin bekam Arbeitsblätter nach Hause geschickt, konnte aber nicht ihre Eltern um Rat fragen. Gleichaltrige traf sie auch nicht, da die Spielplätze gesperrt waren. „Auch wir konnten sie nicht betreuen, da uns Präsenzunterricht verboten war. Das Mädchen musste die erste Klasse wiederholen.“ Sie sei kein Einzel-Schicksal.
Mehr außerschulische Lernangebote nötig
Gerade bei den Schülern, die einen Migrationshintergrund haben, und insbesondere bei den Schülern der dritten bis sechsten Klassen, sehen wir enorme Sprachdefizite“, sagt Roman Borik, Projektkoordinator bei Lernimpuls Witten. „Neben den Schulschließungen und Homeschooling haben sie ja auch viel weniger Sozialkontakte zu verkraften.“ Bei den Abschlussklassen sehen er und seine Kollegen „enorme Defizite“ in Mathematik.
Beim Studienkreis Witten werden „eklatante Defizite“ bei fast allen Schülern aller Jahrgänge beobachtet, selbst Klassenwiederholer hätten gravierende Probleme, gibt die Inhaberin Maria Gockel an. „Besonders sind natürlich die Hauptfächer betroffen, es fehlt die kontinuierliche Einübung des Gelernten, dadurch vergessen Schüler sehr viel.“ Nachhilfeinstitute könnten kompetente Hilfe leisten. „Jetzt ist es wichtig, dass alle eng zusammenarbeiten“, findet die ehemalige Gymnasiallehrerin für Latein und Erdkunde.
Es müssten viel mehr außerschulische Lernangebote geben, fordert auch Roman Borik von Lernimpuls Witten. „Unsere kostenlosen Angebote haben im vergangenen Jahr, allein zwischen Herbst und Winter, etwa 200 Schüler genutzt – die sind grundsätzlich ausgebucht.“
Öffentlich finanzierte Nachhilfe zu kompliziert
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Angebote zur Lernförderung seien oft unüberschaubar, findet Britta Weimann von Disco. „Hier wäre es wünschenswert, diese Angebote zu bündeln und zentral öffentlich zu machen.“ Lernförderung müsse zudem niedrigschwellig angeboten werden. „Wir haben viele Schüler, die über das Paket Bildung und Teilhabe die Nachhilfe finanziert bekommen, aber der Verwaltungsaufwand und die Bearbeitung ist zu kompliziert.“ So dürften sie etwa ein Kind, das die Nachhilfe finanziert bekommt, nur drei Stunden wöchentlich unterrichten. Wenn das Kind in zwei Fächern Nachhilfe benötigt, dürfe es nur eineinhalb Stunden pro Fach unterrichtet werden, erklärt sie. „Das ist zu wenig!“
Schüler nicht sicher im Umgang mit Laptop oder Tablet
Weimann sieht Chancen in einer Anpassung des Curriculums – also der Lehrpläne. Sie schlägt ein „Corona-Halbjahr“ vor: Sechs Monate lang Grundlagentraining, Kopfrechnen, Grammatik, Strategien zum Vokabellernen seien eine Möglichkeit, Lücken zu schließen, glaubt die Latein- und Deutschlehrerin.
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Und noch etwas müsse dringend geübt werden: der Umgang mit digitalen Endgeräten. Viele Kinder wüssten nicht, damit umzugehen. Die Verwendung von Schreibprogrammen mit ihren Features, die Recherche im Internet, das Erstellen von Präsentationen wird oft von den Schulen erwartet, aber nicht eingeübt, bemängelt Weimann.