Witten. Der Protest gegen die Corona-Politik hat sich verändert: Die bisher stillen Spaziergänger zogen am Montagabend lautstark durch Wittens City.

Der Protest der Impfskeptiker in Witten hat sich verändert. Statt den schweigenden, mitunter wenig wahrgenommenen „Spaziergängen“ durch die City gab es am Montagabend (17.1.) erstmals eine angemeldete Demonstration, die ab 18 Uhr lautstark durch die Straßen zog. Die Zahl der Teilnehmer ist gewachsen.

Die parallel stattfindende Gegenkundgebung des Bündnisses „Ennepe-Ruhr stellt sich quer“ auf dem Rathausplatz fiel dagegen ruhig und kleiner aus. Bei einer Mahnwache wurde der 141 an oder mit Corona verstorbenen Menschen aus Witten gedacht. Im Nieselregen wurden Kerzen angezündet, mit Abstand und Maske standen die Menschen in kleinen Gruppen auf dem Rathausplatz verteilt. 100 Menschen sollen sich laut Polizei hier versammelt haben. Die Anzahl der „Spaziergänger“ wird unterschiedlich eingeschätzt. Die Polizei nennt 168 (angemeldet waren 100), das Ordnungsamt schätzt 200, die Teilnehmenden selbst 300 Leute. Am Montag vor einer Woche waren nur 80 Impfskeptiker unterwegs.

Zwei Drittel der Teilnehmer tragen Maske

Ein Zeichen: Die Gegendemonstration auf dem Rathausplatz in Witten gedachte der Corona-Toten.
Ein Zeichen: Die Gegendemonstration auf dem Rathausplatz in Witten gedachte der Corona-Toten. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Der Protestzug „gegen überzogene Maßnahmen“, für eine freie Impfentscheidung und gegen die „Impf-Apartheid“ startet diesmal auf dem Kornmarkt in Begleitung von Polizei und Ordnungsamt. Mit Trommeln, Sprechchören und schnellen Schrittes marschieren sie durch Bahnhofstraße, Berliner Straße, Wiesenstraße und Ruhrstraße mehrfach ihre Runde. Etwa zwei Drittel der Teilnehmer tragen Maske. Diese ist nach der neuen Corona-Schutzverordnung des Landes vorgeschrieben. Auch wenn nicht alle Teilnehmer sich daran halten, lassen die Beamten sie gewähren.

Hinter Transparenten, auf denen „Wir sind die rote Linie“ steht oder Plakaten mit „Nein zum Gesundheitsterror! Lasst unsere Kinder in Ruhe“ versammeln sich verschiedenste Menschen. Einige wollen nicht mit uns reden, schimpfen auf die einseitig berichtende Presse. Eine Frau verschenkt Rosen an die Umstehenden. „Ich möchte den Sympathiefaktor für uns steigern“, sagt sie rundheraus. Die Motivation der ehemaligen Lehrerin: „Das ist zu viel Druck wegen einer Krankheit, die weite Teile der Bevölkerung nicht bedroht.“

Polizei trennt Demonstranten

Auch Familien mit kleinen Kindern laufen mit – obwohl die Situation nicht immer entspannt ist. Als Ulla Weiß, Fraktionsvorsitzende der Linken, die Mahnwache für beendet erklärt, die „Spaziergänger“ sich aber für eine weitere Runde entscheiden, treffen beide Gruppen aufeinander. Es kommt zu einem „verbalen Aufeinandertreffen“, so die Polizei, die eingreift und beide Gruppen voneinander trennt. Tatsächlich werfen die „Spaziergänger“ den Gegendemonstranten immer wieder den Ruf „Nazis raus“ entgegen. Die Blumenverschenkerin ruft fröhlich mit und erklärt: Die Nationalsozialisten hätten Andersdenkende unterdrückt, genauso würden Ungeimpfte behandelt. Die Geimpften seien darum die „Nazis“. Besonders laut wird es vor den Wiesenviertel-Kneipen, etwa dem Café Raum.

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Überhaupt provozieren die „Spaziergänger“ mit Parolen, die geschichtlich aus einem ganz anderen Zusammenhang stammen. „Wir sind das Volk“ etwa. Oder den Fridays-for-Future-Slogan: „Wir sind laut – weil ihr uns die Freiheit klaut“. Ihr Ziel erreichen die Demonstranten: Viele Passanten bleiben stehen, Neugierige schauen aus den Fenstern ihrer Wohnungen. „Sehen Sie nicht, dass der Widerstand wächst“, ruft die Blumenfrau euphorisch – angesichts der 200 von 98.000 Wittener, die mit ihr demonstrieren.