Witten. Rund 80 „Spaziergänger“ waren am Montag in Witten unterwegs – erneut unangemeldet. Fast doppelt so viele Menschen kamen zur Gegenkundgebung.

Auch am heutigen Montag (10.1.) sind in Witten erneut Gegner der Corona-Maßnahmen unangemeldet auf die Straße gegangen. Die „Spaziergänger“ waren dieses Mal deutlich weniger als noch in der Woche zuvor. Die Polizei spricht von rund 80 Teilnehmenden. Die eingesetzten Beamten ließen die Versammlung zunächst gewähren, stoppten einen Teil von ihnen aber wenig später auf der Ruhrstraße. Ohne Zwischenfälle verlief hingegen die mit geschätzt 150 Teilnehmenden fast doppelt so gut besuchte Gegen-Kundgebung des Bündnisses „Ennepe-Ruhr stellt sich quer“ (ENSSQ) auf dem Berliner Platz.

Die Spaziergänger versammelten sich am Rathausplatz, zogen dann mit Geleit der Polizei durch die Innenstadt.
Die Spaziergänger versammelten sich am Rathausplatz, zogen dann mit Geleit der Polizei durch die Innenstadt. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Eine bunt durchgemischte Truppe der „Spaziergänger“ hatte sich in kleinen Grüppchen gegen 18 Uhr auf dem Rathausplatz gesammelt, war dann in Richtung des ehemaligen Galeria Kaufhof-Gebäudes aufgebrochen. Sie laufe hier mit, weil sie „die Demokratie erhalten möchte“, sagt eine Frau mittleren Alters. Denn diese würde aktuell massiv wackeln. Ihr Mann kritisiert die „einseitige Berichterstattung der Medien“, die die Spaltung der Gesellschaft befeuere. Das Paar möchte sich selbst aber nicht als Impfgegner verstanden wissen. Vielmehr warteten sie auf einen Totimpfstoff.

Keine Zusammenstöße zwischen „Spaziergängern“ und Gegendemonstranten

„Gegen die Corona-Maßnahmen“ sei man, sagt eine andere Frau. Während andere „Spaziergänger“ darauf beharren, dass es sich um einen rein privaten Spaziergang handle, der keinerlei politische Aussage habe. Andere wiederum sind in dem Glauben, dass die Demonstration dieses Mal angemeldet wurde, in die Innenstadt gekommen.

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Insgesamt zeigen sich die Demonstranten an diesem Abend fast durchweg friedlich. Einmal setzt sich ein Grüppchen ab und schleicht um die Gegenkundgebung herum, es wird gepöbelt und mit Gewalt gedroht. Doch das ist eine Randerscheinung.

Spaziergänger fürchten „Schädlichkeit“ der Impfung

Nur „Licht und Liebe, Friede und Freiheit“ wolle man, sagt eine andere Demo-Teilnehmerin. Sie und ihre Bekannten, mit denen sie auf der Wiesenstraße unterwegs ist, lehnen vor allem eine Impfpflicht ab. Die Impfung sei nutzlos bis schädlich, finden sie. Der Impfstoff sei nicht geprüft und die dadurch entstandenen Schäden würden nicht kommuniziert.

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Ein anderer Mann spricht von „gezielter Panikmache“. So sei etwa die Berichterstattung über Bergamo, die Stadt in Italien, die Anfang 2020 von einer heftigen Corona-Welle mit mehreren Tausend Todesopfern überrollt wurde, „fake“. Das Trüppchen, das sich eine „friedliche Gesellschaft“ wünscht, möchte statt der Impfung lieber auf ein gutes Immunsystem setzen.

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Die Teilnehmer bestehen darauf, sich nicht von der politischen Rechten instrumentalisieren zu lassen. „Es interessiert mich nicht, ob die AfD hier mitläuft. Es geht um ein gesellschaftliches Thema, nicht um Politik“, sagt ein anderer Spaziergänger.

Gegendemonstration will Zeichen setzen

Ein klares Zeichen setzen wollten hingegen die Frauen und Männer, die sich auf dem Berliner Platz unter dem Motto „Solidarisch aus der Pandemie“ zusammengefunden hatten. Die Spaziergänger seien „nicht wissenschaftlich fundiert informiert“, findet etwa Rita Hötzel. Gegen die laute Minderheit brauche es ein demokratisches Gegengewicht.

Auch Vertreter der lokalen Politik nahmen an der angemeldeten Gegen-Kundgebung teil. „Die ‘Spaziergänger’ berufen sich auf die Meinungsfreiheit“, sagt etwa SPD-Ratsherr Christoph Malz. „Dabei meinen sie alternative Fakten.“

Kundgebung war doch nicht angemeldet

Eigentlich wollten die „Spaziergänger“ ihre Demonstration diese Woche anmelden. Da aber die beiden Personen, die sich bereit erklärt hatten, sich als Versammlungsleiter bei der Polizei zu melden, jeweils Mitglied einer Partei sind, hat man davon Abstand genommen. Andere Freiwillige meldeten sich nicht, es folgte aber eine längere interne Diskussion über die Vor- und Nachteile, die Zusammenkunft anzumelden. Angemeldete Spaziergänge würden „das ganze Establishment auf die Palme“ bringen und mehr Menschen erreichen, argumentiert ein Teilnehmer. Nicht angemeldete Spaziergänge seien hingegen „sehr schnell vereinbart und flexibel in der Durchführung (so bewegt man sich in einem echten Widerstand: unberechenbar und unvorhersehbar)“, schreibt ein anderer. Und weiter unten: „Diese Revolution jetzt braucht keinen Chef, Leiter oder Präsidenten mehr“.