Witten. Für die Beschäftigten ist es wie ein Deja Vu. Die Wittener Firma Böhmer hat wieder kurz vor Weihnachten Insolvenz angemeldet. Gibt es Hoffnung?

Die früheren Eisenwerke Böhmer haben Insolvenz angemeldet. Damit wiederholt sich für die noch 140 Beschäftigten das, was sie schon mal kurz vor Weihnachten erlebt haben. 2015 stand der Familienbetrieb in vierter Generation ebenfalls Anfang Dezember vor dem Aus.

Wittener Insolvenzverwalter hat Abschlagszahlungen veranlasst

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Vor sechs Jahren hatte die Firma an der Annenstraße noch gerettet werden können. Die Eisenwerke wurden in die Böhmer Gusstechnik unter Leitung von Wilhelm Böhmer junior und Technical Solutions (Zerspanung) unter der Führung von Bruder Erik aufgespalten. „Beide Geschäftsbetriebe werden in vollem Umfang in vorläufiger Insolvenz fortgeführt, mindestens bis zum 31. Januar“, erklärt am Mittwoch (15.12.) Markus Wischemeyer, damals wie heute der Insolvenzverwalter. Betroffen sind je 70 Beschäftigte in beiden Gesellschaften.

Nach Informationen dieser Redaktion haben sie Ende November keinen Lohn bekommen. Auch das Weihnachtsgeld – rund 50 Prozent – blieb aus. „Wer keine Rücklagen hat, guckt blöd aus der Wäsche“, sagt ein langjähriger Mitarbeiter. Der Insolvenzverwalter hat inzwischen Abschlagszahlungen veranlasst, „um die erste Not zu lindern“. Das Novembergehalt werde vollständig ausgezahlt. Auch das Weihnachtsgeld sei durch das dreimonatige Insolvenzausfallgeld gesichert. Trotzdem ist die die Stimmung an der Annenstraße wenige Tage vor Heiligabend naturgemäß im Keller.

Die Auftragsbücher bei Böhmer in Witten sind voll

Die Beschäftigten arbeiten aber weiter. „Die Auftragsbücher sind voll“, sagen sie und fragen sich, warum kein Geld mehr da ist. „Das stinkt doch zum Himmel“, schimpft einer. Geschäftsführer Erik Böhmer bestätigt in einer mit der IG Metall und dem Betriebsrat abgestimmten Erklärung einen „historisch hohen Auftragsbestand“. Aus einem „toxischen Mix“ von Gründen sei es aber nicht gelungen, „diesen in ausreichende Umsätze zu führen. Die dadurch fehlende Liquidität in Verbindung mit steigenden Vorfinanzierungskosten hat zu einer Zahlungslücke geführt, die uns nun zu diesem Schritt verpflichtet“.

Bis 2019 sei die Situation stabil gewesen, so Böhmer. 2020 habe es mit der beginnenden Pandemie Kurzarbeit und ein leicht negatives Ergebnis gegeben, bevor mit dem Impfstoff 2021 neue Sicherheit in den Markt gekommen sei. Das habe zu einem Auftragsboom geführt. „Die Produktion wurde hochgefahren, wir hatten hohe Planzahlen und gingen in das Vorfinanzierungsrisiko“, so der Unternehmer.

Corona-Ausbrüche im Betrieb

Dann habe es im März und Mai zwei Corona-Ausbrüche gegeben, Mitarbeiter seien erkrankt, weitere mussten in Quarantäne. Böhmer: „Für den Umsatz ein Rückschlag.“ Zudem seien die Beschaffungspreise etwa für Rohstoffe explodiert. „Alle Faktoren zusammengenommen bewirkten ein stark negatives Ergebnis. Daher waren wir nun gezwungen, den Insolvenzantrag zu stellen.“ Böhmer beklagt darüber hinaus immer schwierigere Rahmenbedingungen, etwa hohe Brandschutzauflagen, gestiegene Energiekosten und Auftragsverluste, weil „der Inder“ billiger sei.

Er habe für sich entschieden, „den Druck und die alleinige Verantwortung“ nicht mehr an die nächste Generation vererben zu wollen. „Das muss aber keinesfalls heißen, dass die Öfen endgültig ausgehen.“ Mit dem Betriebsrat werde nach Lösungen gesucht, „über ein Investorenkonzept auch weiter am Markt aktiv zu sein und so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten“ Insolvenzverwalter Markus Wischemeyer: „Es haben sich schon mögliche Investoren für beide Geschäftsbereiche gemeldet.“ Bis Mitte Januar hofft er sagen zu können, ob der Betrieb an der Annenstraße nach über 100 Jahren weitergeht.