Witten. Verantwortliche von Seniorenheimen in Witten kritisieren die Politik und fordern endlich Planungssicherheit für ihre Häuser. Ihre Argumente.
Die vierte Coronawelle rollt durch Deutschland. Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich für eine verpflichtende Impfung für Pflegekräfte in Kliniken, der ambulanten und stationären Pflege sowie in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe ausgesprochen. Diesen Vorstoß sehen Leiter von drei großen Wittener Altenheimen kritisch.
Michael Wolf vom Awo-Seniorenheim in der Egge hält es nicht für „zielführend, nur die Pflege in die Pflicht zu nehmen“. 172 alte Menschen leben in seinem Haus. Über 90 Prozent der Beschäftigten seien geimpft, sagt der Heimleiter. Bei diesem Thema müsse man auch über eine Verpflichtung für weitere Berufsgruppen im Gesundheitswesen nachdenken, findet Wolf. Die Pflegekräfte seien in der Coronazeit bis an ihre Grenzen und darüber hinaus gegangen. „Dafür haben sie zu wenig Anerkennung bekommen.“ Mit der jetzt für sie angekündigten Impfpflicht werde der Eindruck erweckt, man müsse dieses Personal zum Impfen anhalten. „Das lässt jede Wertschätzung vermissen.“
Der Wittener Heimleiter Michael Wolf verweist auch auf die Personalprobleme
Mitarbeitende, die im Seniorenheim an der Egge bislang nicht geimpft sind, hätten gesundheitliche Bedenken, sagt Wolf. Er betont, dass er für das Impfen werbe, „weil ich es für richtig und notwendig halte“. Beim Thema Impfpflicht verweist er auch auf die Personalprobleme der Altenheime. Verzichte man auf ungeimpfte Angestellte, werde sich das Problem unter Umständen noch verschärfen.
Andreas Vincke, Leiter des Seniorenzentrums Feierabendhäuser, ist für 111 Bewohner verantwortlich. Sein Personal sei zu 96 Prozent geimpft, die Angehörigen der Bewohnerinnen und Bewohner zu 99,9 Prozent, sagt Vincke, der im vergangenen Dezember bis zum Januar einen großen Coronausbruch in seinem Haus erleben musste, der auch Menschenleben kostete.
Vincke wäre für eine 2G-Regelung, wenn es um Besuche in Altenheimen geht. Ganz wichtig ist ihm aber: „Es muss in Deutschland geimpft werden, mehr und schneller.“ Da sei in den letzten Monaten von politischer Seite viel falsch gelaufen. „Ich bin sehr enttäuscht über dieses Hin und Her. Wir benötigen klare Entscheidungen, die auch noch morgen und übermorgen gültig sind.“
Geschäftsführer: Nicht geimpfte Mitarbeiter sind keine Querdenker
Dass der Kreis das Impfzentrum in Ennepetal wieder geöffnet habe, sei richtig. Denn die Hausärzte könnten die Impfungen alleine nicht stemmen. Die vierte Coronawelle sei aus seiner Sicht dennoch nicht mehr zu stoppen, sagt Vincke. Der beim Thema Schnelltests betont: „Die sind leider nicht sicher.“
Es müsse darüber nachgedacht werden, wie man Menschen erreiche, die sich bisher nicht hätten impfen lassen. Eine Impfpflicht nur für das Pflegepersonal einzuführen, sei zu wenig. Eine solche Verpflichtung müsse für alle gelten, die in seine Senioreneinrichtung kommen – von der Küchen- und Reinigungskraft bis hin zu den Therapeuten.
Auch André Löckelt, Geschäftsführer des Altenzentrums St. Josefshaus in Herbede, würde sich die 2G-Regel für Gäste in seiner Einrichtung wünschen. „Es sei denn, dass jemand belegen kann, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen kann.“ In dem Heim leben 80 Seniorinnen und Senioren. 92 Prozent des Personals sei geimpft, so Löckelt. Bei den restlichen Beschäftigten gebe es bei einer Impfung gesundheitliche Probleme oder die Menschen hätten schlicht Angst vor der Immunisierung. „Das sind keine Querdenker!“
Auch andere Berufsgruppen haben viele berufliche Kontakte
Eine Impfpflicht nur für das Pflegepersonal hält Löckelt – wie seine Kollegen – für falsch. Auch andere Berufsgruppen hätten beruflich viele Kontakte. „Was ist etwa mit Lehrern, Erziehern, Polizisten oder Feuerwehrleuten?“ Die politischen Entscheidungen der letzten Monate sind für den Heimleiter „nicht mehr nachvollziehbar“. Auch er fordert dringend „mehr Planungssicherheit“ für die Seniorenheime. Politiker, die jetzt eine Impfpflicht für das Pflegepersonal forderten, hätten nicht alles getan, „um aufzuklären, zu planen und rechtzeitig vorausschauend zu organisieren“.