Witten. Schon der Starkregen hatte das Steigerhaus in Witten schlimm getroffen. Nun ist es abgebrannt – und der Sauerländische Gebirgsverein heimatlos.
Das hübsche Fachwerkhaus mit den grünen Schlagläden, eine Wegmarke im Muttental, ist Geschichte. Nach dem verheerenden Brand am Sonntagabend ist Wittens letztes Steigerhaus an der Muttentalstraße 30 nicht mehr zu retten. Die Frontfassade ist weggebrochen, ein paar verkohlte Dachbalken ragen noch in den Himmel. Nur ein paar stählerne Tischgestelle ragen aus Schutt und Asche.
Schreckensnachricht macht erst am Morgen im Verein in Witten die Runde
Unter den Vereinsmitgliedern der Wittener Abteilung des Sauerländischen Gebirgsvereins (SGV) hat die Nachricht, dass ihr Vereinsheim den Flammen zum Opfer fiel, erst am Montagmorgen die Runde gemacht. In der Brandnacht hatte sie niemand informiert. Eigentümer des denkmalgeschützten, über 200 Jahre alten Gebäudes, ist die Stadt Witten. Seit 1979 hat sie es an den SGV vermietet. In den 80er Jahren wurde es noch bewirtschaftet, auch Wanderer konnten dort übernachten. In den letzten Jahren war es nur noch der Treffpunkt für die geselligen Zusammenkünfte der rüstigen Vereinsmitglieder. 120 sind es aktuell, „unser Durchschnittsalter ist 74“, sagt Rüdiger Busch vom SGV-Vorstand.
Wie einige andere Vereinsmitglieder ist er direkt zum Vereinsheim gefahren. Nun schaut er sichtlich betroffen auf die Reste des Steigerhauses. „Dort waren unser Versammlungsraum, die Vorratskammer und die Küche mit Durchreiche zum Jugendraum“, erklärt der 72-Jährige und zeigt auf die zerstörten Räume. Lediglich die Toiletten in einem gemauerten Anbau haben überlebt.
Den SGV hat es mit dieser Brandnacht gleich doppelt getroffen. Beim Starkregen Mitte Juli war die Mutte derart angestiegen, dass sie den Geschichtspark im Muttental komplett überschwemmt hat. Das Steigerhaus und das benachbarte Zechenhaus Herberholz standen im Wasser. „Bis zur Türklinke“, erinnert sich Rüdiger Busch. Nur noch kurz durften die Vereinsmitglieder in das Gebäude, um zu retten, was übrig geblieben war: Besteck, Geschirr, einige Vereins- und Freundschaftsfahnen. Sie sind in einem Schuppen eingelagert. Die hölzerne Wandbekleidung, das Mobiliar mit Sitzbänken und Stühlen sowie die Einbauküche waren komplett hinüber.
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Die Holzbalken des Fachwerkhauses hatten sich mit Wasser vollgesogen. „Ein Sachverständiger sollte die Standfestigkeit des Hauses überprüfen und ermitteln, ob sich eine Renovierung noch gelohnt hätte“, sagt das SGV-Vorstandsmitglied. Betreten durften die Wanderfreunde das Gebäude nicht mehr – das Feuer hat nun Fakten geschaffen. Am Samstag (25.9.) möchte der Verein das weitere Vorgehen bei seiner Jahreshauptversammlung besprechen. „Ich glaube nicht, dass wir mit unserer Altersstruktur noch einmal ein Vereinsheim betreiben können“, sagt Rüdiger Busch resigniert.
Großer Schock im benachbarten Zechenhaus Herberholz
Mitgliederzahl schrumpft
Die Wittener Abteilung des Sauerländischen Gebirgsvereins gibt es seit 1890. Der SGV ist als einziger Verein in weiten Teilen NRWs befugt, Wanderwege mit Markierungszeichen zu versehen, damit jeder Wanderer sicher seiner Route folgen kann. Allein in Witten pflegt der SGV auf über 240 km Wanderwegstrecke die dazugehörigen Wegezeichen.
Der SGV leidet unter Nachwuchssorgen – obwohl das Wandern während der Corona-Pandemie wieder im Trend liegt. In den letzten zwei Jahren ist die Mitgliederzahl des Wittener Vereins von 150 auf 120 geschrumpft.
Auch die Ehrenamtlichen vom benachbarten Zechenhaus Herberholz sind vor Ort. Sie hatten Glück im Unglück. Das Feuer hat nur einige Balken der Remise angekokelt und die Elektrik zerstört. „Das kriegen wir wieder hin. Ist ‘ne Winterarbeit“, sagt der ehemalige Steiger Karl Ackermann. Die größere Sorge bei den Knappen sind die Hochwasserschäden. Im leergeräumten Zechenhaus laufen die Trockenbaugeräte. 80 Zentimeter hoch stand hier die Mutte – die im Gegensatz zu den betroffenen Gebäuden inzwischen komplett ausgetrocknet ist. Dem Pächter des gemauerte weißen Hauses, Heinz Eberle, ist der Schock über den Brand des Steigerhauses anzusehen. „Heute Nacht ging das Telefon, weil es erst hieß, das Zechenhaus wäre betroffen“, sagt er.
Eberle und die anderen Mitgliedern des Fördervereins Bergbauhistorischer Stätten wollen jetzt umso mehr das Zechenhaus wieder aufbauen und an Ostern 2022 eröffnen. Bis dahin wird man die Reste des Steigerhauses abreißen müssen. „Dann ist Wittens letztes Steigerhaus unwiederbringlich weg.“