Witten. Der andauernde Regen konnte Sänger Joris beim Strandkorb-Festival nicht die gute Laune verderben. Die übertrug sich sofort aufs Publikum.

Welche Konzerte die besten seien, fragt Sänger Joris ganz zu Beginn seines Auftritts bei der Strandkorb-Edition des Zeltfestivals ins Publikum. Und gibt die Antwort direkt selbst: „Die Konzerte im Regen.“ Da sitzen die Zuschauer zumeist noch in ihren Strandkörben, unter Regenjacken und -capes. Das angekündigte Gewitter ist zum Glück vorbeigezogen. Trocken bleiben die Besucher an diesem Abend trotzdem nicht. Doch weder der Echo-prämierte Sänger noch seine Band lassen sich davon auch nur eine Sekunde die gute Laune verderben – und das Publikum auch nicht.

Denn der 31-jährige aus Ostwestfalen zeigt sich seinen Fans an diesem Abend als vielschichtiger Künstler, egal ob am Klavier, mit Gitarre oder einfach durch seine markant-heisere Stimme, die jedes Lied unverkennbar zu seinem macht. Mal ist er voller Energie, tanzt, animiert das Publikum, es ihm nachzutun. Dann wieder ist er leise, in sich versunken, wenn er am Klavier sitzt und seine Lieder über Schmerz, Verlust, aber immer auch Hoffnung singt. So wie beim zweiten Lied des Abends: „Glück auf“.

Von oben schützt der Strandkorb, für die Beine müssen es Regencapes sein – die meisten Zuschauer waren für das Konzert von Joris gut auf das Wetter vorbereitet.
Von oben schützt der Strandkorb, für die Beine müssen es Regencapes sein – die meisten Zuschauer waren für das Konzert von Joris gut auf das Wetter vorbereitet. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Die Freude am Auftreten nach langer Corona-Pause ist Joris anzumerken

Der Song ist keine reine Hommage an den Bergbau, sondern handelt vom Durchstehen dunkler Zeiten, vom Füreinander da sein. Daher die Grußformel der Bergleute. Die ganze Republik könne sich eine Scheibe vom Zusammenhalt im Ruhrgebiet abschneiden, ruft Joris ins Publikum. „Das Lied ist für die ganze Stadt, ich verneige mich vor euch.“

Volle Energie und Einsatz: Joris bei seinem Auftritt bei der Strandkorb-Edition des Zeltfestivals Ruhr.
Volle Energie und Einsatz: Joris bei seinem Auftritt bei der Strandkorb-Edition des Zeltfestivals Ruhr. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

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Lange konnten Musiker in der Pandemie keine Live-Konzerte spielen. Die Freude am Auftreten an sich ist dem Liedermacher und seiner Band anzumerken. Mal spielt er eine Reggae-Version seines ersten Hits „Schneckenhaus“, dann versammelt er in Lagerfeuermanier seine Musiker um sich und improvisiert auf Zuruf aus dem Publikum die Lieder anderer Künstler. Bei Helene Fischers „Atemlos“ will das nicht so recht klappen: „Ich kann den Text wirklich nicht“, lacht er dann.

Publikum tanzt gegen den Regen an

Die Energie auf der Bühne – „Wir haben hier oben einfach Spaß“ – überträgt sich schnell aufs Publikum. „Ich hab gehört, gegen Regen hilft Tanzen“, ruft Joris. Und sehr viele Zuschauer folgen seiner Aufforderung, verlassen ihre Strandkörbe und tun, worum sie gebeten wurden. Der Trick funktioniert nicht sofort, aber etwa ab der Hälfte des Konzerts ist dann auch das Wetter der Veranstaltung gewogen und der Regen hört auf.

Überall strahlende Gesichter beim Auftritt von Joris. Die Zuschauer feierten trotz des Regens vor ihren Strandkörben.
Überall strahlende Gesichter beim Auftritt von Joris. Die Zuschauer feierten trotz des Regens vor ihren Strandkörben. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Immer wieder wechselt der Sänger von nach vorne gehenden Songs wie „Untergang“ vom neuen Album zu unter die Haut gehenden Liedern wie „Bis ans Ende der Welt“ – ein sehr persönliches Lied, in dem er Jahre später den Tod des Vaters seines besten Freundes und die Trauer um ihn verarbeitet hat. Und auch politisch zeigt sich Joris: plädiert für Toleranz, Zusammenhalt, ruft zum Wählen auf – und kommt für seine Zugaben mit einer Regenbogenfahne auf die Bühne zurück.

Viele Lieder seines im April erschienen Albums „Willkommen Goodbye“ erklingen an diesem Abend – neben seinen Hits wie „Herz über Kopf“ oder „Signal“. Komisch sei es, ein neues Album in Corona-Zeiten zu veröffentlichen, sagt der Sänger. Denn man wisse so nicht, wie die Leute auf sie reagieren. Nach diesem Abend weiß er es. „Danke, dass ihr uns trotz der unfassbaren hohen Bühne noch habt höher schweben lassen.“ Und verabschiedet sich mit zu einem Herz geformten Händen.