Witten. Zauberhafte Idee mit Plastikmüllproblem: An den Schnullerbaum auf dem Hohenstein in Witten darf man keine Nuckis mehr hängen – wegen der Vögel.

Das Ende einer liebgewonnenen Tradition in Witten: Den Schnullerbaum auf dem Hohenstein in Witten soll es in der jetzigen Form nicht länger geben. Ein Zettel unter dem Baum appelliert nun an die Nachhaltigkeit. Um Vögel oder Waldtiere besser zu schützen, sollen Kinder ihre Plastiknuckel in ein Einmachglas legen und nicht länger mit bunten Bändern an den Baum binden.

Für Spaziergänger auf dem Hohenstein war der Schnullerbaum, zwischen Damwildgehege und der Kita „Haus der kleinen Racker“, ein echter Hingucker. Er erleichterte Kleinkindern den sonst tränen- und schreireichen Abschied vom Schnuller. Die Nuckel wurden mit bunten Bändern und einem Wunschzettel an die Äste gebunden, damit die Schnullerfee ihn irgendwann mitnimmt und dann auch ein Geschenk bringt – so die Version für Zwei- oder Dreijährige. Ganz praktisch waren es aber die Erzieherinnen der nahen Kita „Haus der kleinen Racker“, die den Baum im Sommer gossen und pflegten und heimlich die Nuckis abholten und entsorgten.

Fläschchen, Schnullerketten, mit allerlei Krams

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„Aber das hat Überhand genommen“, sagt Erzieherin Kristina Becker. Der Baum war voll – auch mit Fläschchen, Schnullerketten, mit allerlei Krams in kleinen Tüten, den Kleinkinder aus ihrem Leben verbannen sollten. Manche Familien reisten aus den Nachbarstädten an, nur fürs Schnulleranbinden. Teilweise hingen diese richtig hoch. „Um die Schnuller zu entfernen, muss man die richtige Zeit abwarten. Nicht dass ein Kind einen als Schnullerdieb enttarnt. Und das ist im laufenden Kita-Betrieb für uns kaum möglich“, so Becker.

Ein Einmachglas und ein Zettel – das ist die neue Schnuller-Abgabestelle für die Wittener Kinder.
Ein Einmachglas und ein Zettel – das ist die neue Schnuller-Abgabestelle für die Wittener Kinder. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Hinzu kommen die Tiere. Vögel pickten auf dem Plastik herum, es hängen noch viele Kabelbinder an den Zweigen, mitunter wehte der Wind die Nuckis vom Baum herunter. Kurzum: Der Schnullerbaum hat ein Müllproblem. „Wir hatten oft Anfragen, dass sei doch eine Umweltverschmutzung“, erinnert sich Kristina Becker. Die Patenschaft hätte die Kita nun abgegeben.

Hainbuche wurde 2010 gepflanzt

Das Gros der Nuckis wurde inzwischen vom Baum „abgeerntet“. Stattdessen appelliert nun am Fuß der Hainbuche ein Zettel an die Nachhaltigkeit. Den Schnulli darf man weiterhin abgeben – aber nicht mehr in den Baum binden. Stattdessen landet die Plastik-Einschlafhilfe in einem Schraubglas. Dort würde die Schnullerfee auch fündig, heißt es auf dem Zettel. Die Entsorgung gestaltet sich so natürlich einfacher – allerdings hat das Glas einen ähnlichen Charme wie ein danebengestellter Mülleimer.

Die über die Jahre groß gewachsene Hainbuche ist inzwischen von den meisten Schnullern befreit.
Die über die Jahre groß gewachsene Hainbuche ist inzwischen von den meisten Schnullern befreit. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Schnullerbaum-Idee stammt aus Dänemark

Witten war 2008 im Ruhrgebiet eine der ersten Städte, die die Schnullerbaum-Idee aus Dänemark importierten. Dort steht der älteste bekannte Schnullerbaum seit den 1920er-Jahren. Inzwischen haben viele Städte einen Schnullerbaum – etwa Bochum (Stadtpark) oder Dortmund (Westfalenpark). Ein Müllproblem ist dort nicht bekannt.

Nach Möglichkeit sollten Kinder bis zum 24. Lebensmonat vom Schnuller entwöhnt werden, da fortdauerndes Lutschen zu Zahn-, Kiefer- und Zungenfehlstellungen führen kann. Außerdem erhöhe nach Ärztemeinung die Mundatmung das Risiko, an Karies- und Erkältungskrankheiten zu erkranken.

Den jetzigen Schnullerbaum gibt es seit 2010, als die Kita in das Haus Hohenstein einzog. Im Juni wurde damals von der Stadt eine mannshohe Hainbuche gepflanzt. Zuvor hatten das Grünflächenamt und das Amt für Jugendhilfe eine Platane gegenüber dem Streichelzoo zum Schnullerbaum erkoren. An sechs Terminen pro Jahr wurden die Nuckis dort mit einem Hubsteiger aufgehängt. Witten war im Ruhrgebiet eine der ersten Städte, die die Schnullerbaum-Idee aus Dänemark importierten. Inzwischen hat fast jede Stadt einen Schnullerbaum – ein Müllproblem ist anderswo allerdings nicht bekannt.