Witten/Bochum. Das geht? Am 3. und 4. Juli findet am Kemnader See ein Mittelalterfest statt. Dabei dürfen ohne Test und Maske bis zu 1000 Gäste aufs Gelände.

Vom Lockdown ohne Publikum hinein ins Vergnügen mit vielen Menschen: Mit dem Mittelaltermarkt findet am 3./4. Juli am Kemnader Stausee erstmals wieder eine große Veranstaltung statt. Ohne Maske und ohne Test dürfen sich bis zu 1000 Besucher gleichzeitig auf dem Gelände tummeln. Wie kann das gehen?

Henri Bibow aus Torgau in Sachsen veranstaltet deutschlandweit Ritter- und Gauklerfeste. Auch am Kemnader See machten seine Burgfräuleins und Spielleute schon mehrfach Station. Dabei schlagen rund 200 Mittelalterfreunde ihre Zelte auf und nehmen die Gäste mit auf eine Zeitreise. Händler in Kostümen bieten Schaffelle, Messer, Vogelpfeifen oder Met in rauen Mengen feil. „Mit Masken würde ich so etwas nicht machen, das ist doch komisch“, sagt Bibow.

Veranstaltungen im Freien auch ohne Negativtestnachweis

Es sei ein „ganz schön riskanter Schritt“, gibt er zu, so kurz nach den Lockerungen eine große Veranstaltung zu stemmen. „Wir kämpfen nicht nur gegen die Corona-Auflagen, sondern auch gegen das Wetter.“ Denn alles muss im Freien stattfinden. Regenschützende Zelte mit ihren Innenräumen sind für Besucher tabu.

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Laut Coronaschutzverordnung dürfen Kreise und Städte der Inzidenzstufe 1 Veranstaltungen im Freien auch ohne Negativtestnachweis organisieren. Die Maskenpflicht ist draußen ebenfalls kürzlich gefallen. „Ich darf maximal 999 Personen gleichzeitig aufs Gelände lassen, ab 1000 wäre es eine Großveranstaltung“, erklärt Henri Bibow. Für die zwei Markttage hat er die vier Hektar große Wiese, auf der sonst das Zeltfestival Ruhr stattfindet, gemietet. „Das ist so groß. Da wird es genügend Abstand und kein Gedränge geben.“

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Das Areal wird umzäunt. Zudem müssen alle Besucher ihre Daten hinterlegen, etwa über die Luca-App. Das war es auch schon an Auflagen. Daher ist Bibow zuversichtlich, dass sich sein Spektakulum rechnet..

„Mittelalterfans möchten sich in Witten wiedersehen“

Sein Mut hat wirtschaftliche Gründe. „Wir sind eine Firma mit elf Leuten, die seit acht Monaten in Kurzarbeit sind. Wir wollen wieder was tun!“ Auch die Händler seien seit Langem ausgebremst und drängten regelrecht darauf, wieder zu verkaufen. „Und die Mittelalterfans sind wie eine große Kameradschaft. Sie kennen sich und möchten sich in Witten wiedersehen.“

Henri Bibow ist Chef der Agentur Sündenfrei aus Torgau in Sachsen.
Henri Bibow ist Chef der Agentur Sündenfrei aus Torgau in Sachsen. © WAZ FotoPool | Wolfgang Quickels

Der Veranstalter glaubt zudem, es sei ein Vorteil, der Erste nach dem Lockdown zu sein. „Entweder macht man so etwas ganz früh oder gar nicht. Im August wird es solch eine Menge an Veranstaltungen geben, da nehmen wir uns gegenseitig das Publikum weg.“

Zeltfestival verkleinert sich als „Strandkorb-Edition“

Nicht ganz. In Witten und am Kemnader See ist eine Veranstaltung dieser Größenordnung für dieses Jahr (noch) einzigartig, sagt Thomas Krahforst von der Freizeitgesellschaft Metropole Ruhr. „Ein Festival ist ein großes Invest. Nachher gibt es wieder irgendwelche Lockdown-Maßnahmen. Da verschieben viele die Veranstaltungen lieber auf 2022“, sagt er.

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Allein das Zeltfestival findet in abgespeckter Form statt – als „Strandkorb-Edition“ vom 20. August bis 23. September, ohne Großzelte. Vor Ort werden rund 750 Strandkörbe aufgestellt. In einem der Körbe sitzend, haben die bis zu 1500 Zuschauer (zwei pro Korb) die riesige Open-Air-Bühne mit großen Leinwänden bestens im Blick. Die Zuschauer sind dabei auf vier „Inseln“ aufgeteilt, jeweils mit getrennten Ein- und Ausgängen oder Toiletten. Mehr als 500 Menschen werden so nie zeitgleich aufeinandertreffen.

Das Zaudern seiner Veranstalter-Kollegen kontert Mittelalter-Mann Henri Bibow mit einem Zitat von Martin Luther: „Zur Pestzeit kannst du vor Furcht nichts beginnen.“ Nach der Pandemie komme – wie nach der mittelalterlichen Pest – nun die Renaissance.