Witten. Ein Wäldchen in Witten soll für den Bau des Bildungsquartiers Annen weichen. Dagegen protestiert eine Bürgerinitiative. Das sind die Argumente.
Ist es eine grüne Oase oder kann es weg? Für die Bürgerinitiative „Rettet den Annener Urwald“ ist die Antwort klar: Das kleine Waldstück zwischen Park der Generationen, Gedenkstätte und Westfeldstraße muss erhalten werden. Doch die Stadt plant anders. Auf dem Gelände soll das Bildungsquartier Annen entstehen.
Das sind die Pläne: Die sanierungsbedürftige Baedeker-Grundschule soll auf dem Gelände neu gebaut und vergrößert werden. Außerdem sind dort ein Bürgerzentrum und eine Dreifachsporthalle geplant, die die alte Märkische Turnhalle neben dem Hallenbad ersetzen soll. Für die Neubauten muss das Waldstück zum Teil weichen.
Wittener Bürgerinitiative fordert alternative Bauplätze fürs Bildungsquartier
Dagegen läuft die Bürgerinitiative Sturm. Sie fordert, dass die Stadt den Standort für das Bauprojekt überdenkt und hat dafür schon 2300 Unterschriften gesammelt. „Niemand hat etwas gegen das Bildungsquartier, das ist eine coole Idee“, erklärt Leona Bergmann, die Sprecherin der Initiative. Aber es müssten dafür alternative Bauplätze gefunden werden, bei denen der Wald nicht gerodet werden müsse. Brachen wie das Fabrikgelände am Annener Bahnhof etwa. „Außerdem wäre das Grundstück der Baedekerschule selbst groß genug für eine Erweiterung und auch auf dem Gelände der alten Turnhalle ließe sich eine Neue errichten. Warum also ein Waldstück abreißen, um das Bildungsquartier dorthin zu bauen?“
Warum das Wäldchen so wichtig sei, erklärt die 23-jährige Studentin so: „Es ist eine Frischluftinsel, auf dieser Seite der Schienen gibt es nichts vergleichbares.“ In dem Biotop lebten viele Tier- und Pflanzenarten. „Viele Vögel kann man dort beobachten, auch Füchse haben wir schon gesehen.“ Zudem sei eine solche Freifläche gut gegen die Bodenversiegelung, so Leona Bergmann. „Am Park der Generationen kann man gut sehen, was die anrichtet. Da steht das Wasser oft auf den Wegen.“
Planung sieht zwei Gebäudekomplexe vor
Das Bildungsquartier Annen ist seit Jahren in der Planung. Bereits im Mai 2016 stimmte der Wittener Rat für das Projekt. Umgesetzt werden soll es nach den Entwürfen des Architektenbüros Kuckert in Münster, ihr Konzept überzeugte im Februar 2020 die Jury.In der jetzigen Planung sind für das Quartier zwei Gebäudekomplexe vorgesehen: eines mit der neuen Dreifachsporthalle, das zweite mit Bürgerzentrum – u.a. mit Cafeteria, Räumen für den Kindertreff und Offener Ganztagsschule – im Erdgeschoss und den Klassenräumen der Baedekerschule im ersten Obergeschoss.
Auch die Stadt Witten bescheinigt dem Wäldchen einen ökologischen Nutzen
Den ökologischen Wert des Wäldchens sieht die Stadt durchaus auch. Es handele sich zwar nicht um ein gesetzlich geschütztes Biotop – wie ein Naturschutzgebiet – „es hat aber eine Qualität als Trittsteinbiotop“, erklärt Planungsamts-Leiter Sebastian Paulsberg. Das heißt, die handelt sich um eine (Überbrückungs-)Fläche, die Tiere u.a. nutzen, um auf innerstädtischen Wanderungen in ihrem Lebensraum Halt zu machen.
Daher wolle die Stadt auch möglichst viel von dem Wald erhalten. „Aber 100 Prozent Wald und 100 Prozent Bildungsquartier – das ist nicht machbar“, so Paulsberg. Das Quartier sei ein „sehr gutes Vorhaben“ für den Stadtteil und der Standort dort biete „extrem viele Vorteile“. Daher gehe es nun darum, zwischen den Anforderungen von Schule, Sozialem und Naturschutz den bestmöglichen Mittelweg zu finden. Er verspricht: „Wir werden sehr sensibel mit dem Gelände umgehen.“
Auch deshalb seien in dem Entwurf für die Neubauten – anders als in der Machbarkeitsstudie – die Gebäude bereits an den Rand geschoben worden, so dass nur ein Teil des Biotops umgewandelt werden müsse. „Es war ja das Hauptbestreben in unserer Planung, so viele Bäume wie möglich zu erhalten“, erklärt auch Architekt Christian Kuckert, der mit seinem Büro den Gewinner-Entwurf vorgelegt hat.“ Gerade für die Einbindung der Gebäude in die bestehende Landschaft sei der Entwurf gelobt worden. Außerdem werde es, so Paulsberg, Ausgleichs-Pflanzungen für vernichtete Grünflächen geben.
Bürgerinitiative stellt ihre Bedenken im Haupt- und Finanzausschuss vor
Der Bürgerinitiative ist das nicht genug. Bei einem Termin mit Vertretern der Stadt und der Landschaftsarchitektin haben sie sich die Pläne bereits erläutern lassen. „Es wurde auch darauf eingegangen, was wir gesagt haben“, lobt Leona Bergmann. Aber: Ein naturnah angelegter Schulhof sei zwar eine schöne Idee, allerdings kein Ausgleich zu einem Wald.
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Am 14. Juni will die Bürgerinitiative nun ihre Forderungen noch einmal im Haupt- und Finanzausschuss vorstellen und hat dafür auch Redezeit bekommen. Leona Bergmann bleibt optimistisch. „Das Umweltgutachten ist ja noch nicht fertig, die Planung ist noch nicht abgeschlossen. Man muss sehen, was noch möglich ist – aber ich bin guter Dinge.“ Ob Kompromisse möglich sind? „Darüber muss man dann reden.“
Kontakt zur Bürgerinitiative gibt es per Mail unter annenbleibtgruen@gmx.de oder auf urwaldannen.wordpress.com