Witten. Gerade ging das Impfen los, da gab es 42 positive Corona-Tests in einem Wittener Seniorenheim. So haben die Betroffenen die Krise überstanden.
„Wer sowas mitgemacht hat, denkt sich: Ich tue alles, damit das nicht noch mal passiert“, sagt Monika Pytlik. Die 62-Jährige ist die Leiterin des Awo-Seniorenzentrums Witten-Annen, in dem es zu Beginn dieses Jahres einen Corona-Ausbruch gegeben hat. Seit Anfang März ist das Haus offiziell wieder coronafrei. Die Krise ist überstanden. Pytlik erzählt, wie Bewohner und Mitarbeiter in dieser schwierigen Zeit durchgehalten haben.
„Wir waren eins der ersten Häuser, das geimpft wurde“, sagt Monika Pytlik. Anfang Januar gab es den Hoffnung versprechenden ersten Pieks. Doch nur wenige Tage später kam dann alles ganz anders als erwartet: Bei den Corona-Tests, die regelmäßig bei Mitarbeitern und Bewohnern gemacht worden sind, gab es am 13. Januar 42 positive Ergebnisse.
Der Ernst der Situation war jeden Tag präsent
21 Mitarbeiter und genauso viele Bewohner hatten sich mit dem Coronavirus infiziert. Eine von ihnen war Monika Pytlik. „Ich musste sofort die Einrichtung verlassen“, erinnert sie sich. Und es hat sie richtig erwischt. „Ich war nicht im Krankenhaus, aber hatte alle Symptome, die man so haben kann.“ Dreieinhalb Wochen konnte sie nicht arbeiten, nicht vor Ort helfen. „Man weiß, man kann nicht, man ist krank. Aber man hat keine Ruhe“, sagt die 62-Jährige.
Jeden Tag sei ihr der Ernst der Situation bewusst gewesen. Sie wusste aber auch: Auf ihr Team ist Verlass. „Ich wusste, es wird alles getan, was getan werden muss.“ Und das, obwohl auch das Personal zu dieser Zeit stark dezimiert war. „Die Mitarbeiter, die noch da waren, haben Übermenschliches geleistet“, sagt Monika Pytlik. „Die waren großartig.“ Dieses Engagement und der Zusammenhalt gaben ihr Zuversicht. „Das stimmt einen schon positiv, wenn man das sieht“, so die Einrichtungsleiterin.
In den Fluren finden wieder Begegnungen statt
In enger Abstimmung mit dem Gesundheitsamt und mit vereinten Kräften haben Bewohner und Mitarbeiter diese schwere Zeit nun hinter sich gelassen. „Vor zwei, drei Wochen waren die Flure noch ohne Leben. Jetzt ist wieder Begegnung da“, sagt Pytlik.
In einer Sitzecke haben sich zum Beispiel einige Bewohnerinnen zusammengefunden. Sie spielen ein Brettspiel, machen Späße. „Ein bisschen Kontakt ist wieder schön“, sagt Martha Kuhlmann. An die Quarantäne-Zeit vor ein paar Wochen denkt sie nicht gerne zurück. „Fernsehen war das einzige, das geblieben war“, erinnert sich die 93-Jährige. Und Heidi Soltau, die neben ihr sitzt, ergänzt: „Ich war froh, wenn der Tag rum war und ich im Bett lag.“
Bewohner genießen es, sich wieder austauschen zu können
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Die Frauen genießen es sichtlich, sich wieder austauschen zu können. Vor ein paar Wochen konnten die Bewohner sich höchstens mal aus der Ferne zuwinken, erzählt Martha Kuhlmann. Jetzt wirken die beiden Frauen wie ein Magnet. Wer vorbeikommt, bleibt kurz stehen, setzt sich dazu, es wird gelacht, über Magazine gesprochen, die man untereinander austauschen will.
Würde man hier nicht so viele FFP2-Maske sehen, man könnte meinen, es gäbe keine Pandemie. Von Normalität, wie die Bewohner sie gekannt haben, kann aber noch nicht die Rede sein. „Es fehlt noch ein bisschen was“, sagt Heidi Soltau. Und das sei auch okay. „Lieber ein bisschen mehr Vorsicht“, findet auch Martha Kuhlmann.
Ein paar Gruppenaktivitäten sind wieder möglich
Auch wenn fast alle Bewohner und Mitarbeiter im Awo-Seniorenzentrum Witten-Annen geimpft sind, gelten auch weiterhin Sicherheitsmaßnahmen wie etwa Abstands- und Hygieneregeln. Unter deren Berücksichtigung sind nun aber wieder ein paar Gruppenaktivitäten möglich. So gibt es etwa Gottesdienste, Sitztanzen und die Bewohner dürfen auch wieder gemeinsam im Speisesaal oder Café essen.
„Der Andrang war schon groß, als es wieder die ersten Angebote gab“, sagt Monika Pytlik. Die Zeit der Quarantäne war für einige der Senioren langweilig. „Die mussten ja den ganzen Tag im Zimmer bleiben“, erklärt Pytlik. Ihnen hat der Austausch gefehlt, der Kontakt zu den Angehörigen. „Einige waren traurig“, so Pytlik, andere waren auch wütend, wieder andere fühlten sich allein.
Pandemie hat Aufmerksamkeit auf die Pflege-Branche gelenkt
Diese Zeit ist nun vorbei. „Aber es geht langsam. Es ist nicht direkt das pralle Leben da.“ Der Ausbruch habe Spuren hinterlassen. „Mitzukriegen, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, dass das so rasend schnell gehen kann. . . Da sind Ängste zurückgeblieben“, sagt die Heimleiterin. Zwar hätten die meisten Betroffenen die Infektion gut überstanden, vier Bewohner sind allerdings in der Zeit des Ausbruchs mit dem Coronavirus gestorben. Und ein paar Mitarbeiter haben sich bis heute nicht erholt.
Wenn die Corona-Krise aber etwas Gutes mit sich gebracht habe, dann, dass sie die Aufmerksamkeit auf die Pflege-Branche gelenkt habe. So sehr Monika Pytlik hofft, dass die Pandemie bald überstanden ist, so sehr wünscht sie sich auch eins: dass diese Sichtbarkeit und der Respekt für die Arbeit in der Pflege bleiben.