Witten. Die Preise für Altkleidung sind eingebrochen. Manche Städte haben die Container am Straßenrand daher schon abgeschafft. Und was macht Witten?
Das Geschäft mit den Altkleidern läuft nicht mehr so gut. Die Preise sind eingebrochen, oft landet Unbrauchbares in den Containern. Einige Kommunen haben schon die Konsequenzen gezogen. In Dortmund etwa sind die Container für Altkleider im letzten Monat aus dem Stadtbild verschwunden. Bürger müssen bis zum Recyclinghof fahren, um ihre gebrauchte Kleidung abzugeben. Droht das auch den Wittenern?
Nein, versichern DRK, Ruhrtalengel und AHE einvernehmlich. „Wir haben keine Pläne, etwas zu ändern“, so Jens Struppek vom Roten Kreuz, das etwa 100 Container im Stadtgebiet stehen hat. Zwar sei der Preis, den die Organisation für die Kleidung bekommt, etwa um die Hälfte eingebrochen, viel Gewinn sei also mit der Sammlung nicht mehr zu machen. „Aber sie ist immer noch kostendeckend.“
DRK Witten: Altkleidung gehört nicht in den Müll
Das bestätigt auch Peter Skotarzik von den Ruhrtalengeln. Sein Verein hat erst im Mai 2018 mit dem Sammeln von Altkleidern begonnen, seine gelben Container im Stadtgebiet aufgestellt. Skotarzik spricht sogar von einem Preisverfall von zwei Dritteln in den letzten drei Jahren. „Aber wir finanzieren zwei Arbeitsplätze damit. Und so lange wir kostendeckend bleiben, machen wir das auch weiter.“
Und eine Sammelstelle an den Wertstoffhöfen nach Dortmunder Vorbild? DRK-Mann Struppek hält die nicht für sinnvoll. Eine Altkleiderspende sei schließlich kein Müll, keine Entsorgung. Auch die Kleiderkammer des Roten Kreuzes werde ja zum Teil aus den Container-Spenden bestückt. Die Container hätten also mehrere positive Effekte und seien schließlich auch ein Service für die Bürger.
Wiederverwendung ist „höchste Form von Klimaschutz“
Auch AHE-Geschäftsführer Johannes Einig betont, es gehe nicht um Gewinne, sondern um die Umwelt. Altkleidung sollte möglichst wiederverwendet oder hochwertig recycelt werden. Schließlich sei die Menge der Ressourcen, die für die Produktion von Kleidung benötigt werde, gigantisch. „So braucht man etwa für die Herstellung einer Jeans rund 22 000 Leiter Frischwasser“, so Einig. Wiederverwendung und Recycling seien daher „die höchste Form von Klimaschutz“.
Bei der AHE landen die Wittener Kleiderspenden der Ruhrtalengel, von Caritas und Maltesern, also aus etwa 70 Containern – das Rote Kreuz in Witten hat einen eigenen Verwertungsweg. Sortiert wird nach tragbar, recyclefähig und Abfall. Der Anteil der noch tragbaren Kleidung werde dabei aber immer kleiner. Er liege nur noch bei 10 bis 20 Prozent, sagt der AHE-Experte. Das hat seinen Grund.
Billigprodukte überschwemmen den Markt
Der Bekleidungs-Markt sei von Billigprodukten überschwemmt worden, erklärt Einig. Die schlechte Qualität der Ware mache sich auch in den Altkleidern bemerkbar. Die Billig-Klamotten sind zudem auch ein Grund für die eingebrochenen Preise. Denn durch sie ist die Menge der Altkleider rasant angewachsen. 1500 Tonnen kommen inzwischen jährlich im EN-Kreis zusammen. „Der Pulli, der früher drei Jahre lang getragen wurde, landet jetzt nach drei Monaten im Kleidersack“, weiß Einig. Aber auch Corona habe seinen Teil zum Preisverfall beigetragen: Durch die Grenzschließungen seien viele Lieferketten unterbrochen worden.
60 neue Kleidungsstücke im Jahr
Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen neun und elf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen auf den Textilsektor zurückgehen, so Viola Wohlgemuth, Expertin für die Modebranche bei Greenpeace, im Jahr 2020.
Dabei werden knapp 40 Prozent der Kleidung in deutschen Haushalten einer Befragung zufolge sehr selten oder nie getragen. Gekauft wird trotzdem: in Deutschland pro Person im Schnitt 60 neue Kleidungsstücke im Jahr. Zwischen 2000 und 2014 hat sich laut einem Bericht des Beratungsunternehmens McKinsey die Zahl der produzierten Kleidungsstücke weltweit verdoppelt und lag 2014 zum ersten Mal jenseits der 100-Milliarden-Marke.
Dennoch: So lange es kein Zuschussgeschäft werde, werde die AHE mit ihren Partnern mit der Altkleider-Verwertung weitermachen, betont Einig und fügt hinzu: Der EN-Kreis habe eine großen Vorteil. „Anders als in Großstädten wie Dortmund gehen die Bürger hier recht wohlwollend mit den Containern um.“