Witten. Die Sprayer-Szene verschandelt nicht nur die Innenstadt von Witten. Sie macht auch vor historischen Orten und Orten des Gedenkens nicht halt.

Seit Jahren zieht Witten die Sprayer-Szene an. Kaum noch eine Straße in der Innenstadt, die ohne Graffiti-Schmierereien ist. Und täglich, so scheint es, kommen neue hinzu. Auch der Lutherpark lockt Leute an, die mit Sprühdosen bewaffnet die alte Parkanlage in eine Schmuddelecke verwandeln. Jetzt ist sogar das dortige Mahnmal Ziel einer ihrer Attacken geworden.

Schmuddelecke: Aussicht vom Lutherpark aus in Richtung Rathaus. Ein beliebter Treffpunkt von Jugendlichen.
Schmuddelecke: Aussicht vom Lutherpark aus in Richtung Rathaus. Ein beliebter Treffpunkt von Jugendlichen. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Seit Jahrzehnten erinnert das von Bildhauer Fritz Theilmann geschaffene Mahnmal an die Gefallenen, Verstorbenen, Vermissten, Flüchtlinge und Vertriebenen des Zweiten Weltkriegs. Ein Ort der Erinnerung, ein Ort des stillen Gedenkens. Auf der Rückseite des Mahnmals ist jetzt in großen blauen Buchstaben „Susanne“ zu lesen, darunter sieht man einen großen blauen Penis.

Ein Graffiti, von dessen Existenz die Stadt erst durch unsere Redaktion erfuhr, obwohl täglich Hunderte von Wittenern durch die Parkhälfte spazieren, in der man auch die Gräber der Unternehmerfamilien findet, die einst Wittener Wirtschaftsgeschichte schrieben - wie etwa der Chemiker Otto Schott oder die Familie Berger.

Stadt Witten: Die Entfernung verfassungsfeindlicher Parolen oder Symbole hat Vorrang

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Laut städtischem Gebäudemanagement soll die Schmiererei an dem Mahnmal im Laufe der kommenden Woche entfernt werden. Die Kosten hierfür liegen laut Stadtsprecher Jörg Schäfer „im hohen dreistelligen Bereich“. Geld, das die Stadt nicht für die Entfernung jedes „Tags“ ausgibt, wie die Sprayer ihre illegalen Hinterlassenschaften nennen. Anderes Beispiel: das denkmalgeschützte Haus Witten.

Polizei: Graffiti-Schäden anzeigen

Die Stadtverwaltung arbeitet derzeit an einem Gesamtkonzept zur Stadtsauberkeit. Eines der Wahlkampfthemen von Wittens neuem Bürgermeister Lars König (CDU). Der Umgang mit Graffiti-Schmierereien werde einer der Punkte in diesem Konzept sein, so Stadtsprecher Jörg Schäfer.Die Polizei betont, dass jeder Graffiti-Schaden angezeigt werden sollte. Dies erhöhe die Chance, Täter zu überführen. Polizei-Sprecher Marco Bischoff: „Eine Anzeige ist auch online möglich.“ Hierfür kann die Online-Plattform des für Witten zuständigen Polizeipräsidiums Bochum genutzt werden (bochum.polizei.nrw). Im dortigen Menü findet man das Stichwort „Internetwache“. Geschädigte sollten der Polizei auch Fotos zukommen lassen.

Heute Standesamt, einst eine repräsentative Burganlage, die im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und später wiederhergestellt wurde. Die Bruchsteinmauer, die Haus Witten von der Ruhrstraße trennt, ist mittlerweile großflächig verschmiert. Die Brücke, die das historische Gemäuer mit dem Stadtpark verbindet, ebenso.

Die verschmierte Bruchsteinwand am Haus Witten an der Ruhrstraße. Die Brücke, die von dort zum Stadtpark führt, ist komplett besprüht.
Die verschmierte Bruchsteinwand am Haus Witten an der Ruhrstraße. Die Brücke, die von dort zum Stadtpark führt, ist komplett besprüht. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Für die Stadt hat die Entfernung von Graffitis mit verfassungsfeindlichen Parolen oder Symbolen sowie persönlichen Beleidigungen Vorrang. Weitere Schmierereien beseitige man nur, „wenn es unsere Kapazitäten und Budgets zulassen“, so Sprecher Jörg Schäfer. Nicht zuletzt habe die Säuberung von solchen Schmierereien oft etwas von einem „Hase-und-Igel-Spiel“. Sei ein Schaden behoben, tauche woanders in der Stadt ein neuer auf.

Am vergangenen Sonntag konnte ein mutmaßlicher Sprayer in Witten-Bommern auf frischer Tat ertappt werden

Wie viel allein die jährliche Graffiti-Entfernung kostet, kann die Stadt nicht beziffern. Diese Arbeiten würden aus den Budgets verschiedener Ämter bestritten, heißt es. Für Stellen, die häufig beschmiert oder beklebt werden, denke man über eine Anti-Graffiti- oder Anti-Flyer-Schutzbeschichtung nach. Sprecher Schäfer: „Diese sind allerdings teuer und müssen regelmäßig erneuert werden.“

Klein fing es an, so seht es jetzt aus: Graffiti-Schmierereien am  Eckhaus Ruhrstraße/Oststraße, mitten in der Wittener City.
Klein fing es an, so seht es jetzt aus: Graffiti-Schmierereien am Eckhaus Ruhrstraße/Oststraße, mitten in der Wittener City. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Am vergangenen Sonntag (28.2.) gelang das, was eher selten möglich ist: Ein mutmaßlicher Sprayer wurde in Bommern auf frischer Tat ertappt. Farbschmierereien verunstalteten nicht nur das Erscheinungsbild einer Stadt, sagt die Polizei. Illegale Sprühereien verursachten auch einen erheblichen finanziellen Schaden für den Geschädigten. Wovon auch viele Wittener Hauseigentümer betroffen sind. Es handele sich nicht um Kavaliersdelikte, sondern Sachbeschädigungen, wie Polizeisprecher Marco Bischoff betont.

2018 wurden bei der Wittener Polizei 410 Sprayer-Attacken angezeigt, 2019 nur 185. Viele Hausbesitzer, so kann vermutet werden, haben offenbar kapituliert. Von den 410 angezeigten Fällen konnte die Polizei 114 aufklären, von den 185 lediglich 21.

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