Witten. Seit Mitte Dezember dürfen die Friseure in Witten nicht mehr öffnen. Dass sie laufende Kosten nicht decken können, ist nur eine vieler Sorgen.
„Ich muss am 15. Februar aufmachen, sonst kann ich am 1. März meine Miete nicht bezahlen“, sagt Elke Lübeck. Seit 14 Jahren führt die 52-Jährige ihren Friseursalon „Haar-Design“ an der Ardeystraße in Witten. Nie hätte sie in der Zeit Angst gehabt, ihre Miete oder Mitarbeiter nicht bezahlen zu können. Mit Corona habe sich das geändert: „Mein Konto ist leer.“
Ihrem Vermieter habe sie schon Bescheid gesagt, dass sie kündigen muss, sollte der Lockdown über den 15. Februar hinaus verlängert werden. Wütend ist sie auf die Politik: „Sie verlangen von uns, dass wir zu machen. Dann müssen sie aber auch für uns sorgen“, fordert sie. Auch Monika Prahl von der Friseurinnung Ennepe-Ruhr weiß, dass sich viele Kollegen schwer damit tun, Anträge für finanzielle Unterstützung zu stellen. Das Prozedere sei „recht schwierig“, sagt sie.
Lockdown bringt nicht nur finanzielle Sorgen mit sich
Und selbst wenn die Hürde der Antragstellung genommen ist, fließe das Geld eben nicht immer sofort. Erst jetzt, im Februar, seien einigen Kollegen die November- und Dezemberhilfen ausgezahlt worden, so Prahl. Viele berichten ihr von finanziellen Sorgen. Aber der Lockdown bringe auch eine emotionale Belastung mit sich. „Man muss ja auch gucken, dass es den Mitarbeitern gut geht“, gibt die stellvertretende Obermeisterin zu Bedenken. Kurzarbeitergeld etwa könne immer erst im Nachhinein beantragt werden. Und „der eine oder andere kann das Geld nicht vorstrecken“.
Sie könne verstehen, wenn einige Mitarbeiter sich in dieser Situation einen Nebenjob suchen wollen, um finanziell über die Runden zu kommen. Aber so einfach sie es eben auch nicht. Wer stellt jemanden an, der nach ein paar Wochen oder Monaten wieder kündigt, um in seinen alten Beruf zurückzukehren? Wer seine Rücklagen aufgebraucht hat, könnte also in die Versuchung kommen, seine Existenz durch Schwarzarbeit zu sichern.
Einige Friseure machen weiterhin Hausbesuche
Monika Prahl, die selbst zwei Friseursalons in Hattingen und an der Kreisstraße in Witten führt, weiß, dass einige Kollegen weiterhin Hausbesuche machen. Doch insgesamt hielten sich die Kunden mit Bitten zurück, ihnen die Haare in den eigenen vier Wänden zu schneiden. „Die meisten rufen an und sagen: ,Wir halten durch.’“ Es sei in Pandemie-Zeiten zu gefährlich, den Friseurbesuch nach Hause zu verlegen.
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„Im Salon stimmen die Hygiene-Konzepte“, erklärt Prahl. Bei den Kunden zuhause werde sich womöglich nicht so streng an die Regeln gehalten. Verstehen könne sie aber jeden, „der sagt: ,Ich mache jetzt zweimal die Woche die Haare, dann haben ich wieder Geld für die Woche’“.
Friseure schreiben Brandbrief an die Politik
Friseure in ganz Deutschland haben einen Brandbrief an die Politik geschrieben. Sie fordern, die Friseursalons so schnell wie möglich wieder zu öffnen.
Unter dem Motto „Nur sicher beim Friseur“ warnen sie davor, dass der aktuelle Lockdown einige Kollegen in die Schwarzarbeit treibt. „Täglich werden in Deutschland Haare geschnitten und gefärbt. Dies in einem unkontrollierbaren Umfeld, ohne Hygienekonzept, ohne Kontaktnachverfolgung“, schreiben sie in ihrem Brief.
Der Friseurberuf sei schon immer ein Hygieneberuf gewesen, schreiben die Verfasser weiter. „Das Verständnis für Desinfektion, Sauberkeit und Hygienestandards wird und wurde schon lange vor der Corona-Pandemie in Berufsschulen und Weiterbildungen gelehrt. Darüber hinaus streicheln Stylisten nicht nur die Locken und Konturen ihrer Kunden, sondern auch die Seele der Menschen.“
Erst kürzlich hat das Friseurhandwerk eine Aktion gestartet, um auf die prekäre Situation der Branche hinzuweisen. Dazu haben Friseure in der Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar das Licht in ihren Salons brennen lassen.
Elke Lübeck von „Haar-Design“ vermutet, dass aktuell „90 Prozent der Leute schwarzarbeiten“. Auch auf sie seien bereits verzweifelte Kunden zugekommen und hätten sie um Hausbesuche gebeten. Einige ihrer Kunden seien zwar nicht pflegebedürftig, könnten sich aber trotzdem nicht selbst die Haare waschen, erklärt sie. „Es gibt Leute, die sagen: ,Elke, komm bei mir zuhause vorbei.’ Aber das kann ich nicht machen.“
Zweiter Lockdown war ein Schock
Was die Wittenerin aktuell über Wasser hält, ist ihr Geschäft für Friseurbedarf. „Ich habe Glück, dass Leute vorbeikommen und sich eine Tube Farbe abholen“, sagt Lübeck. Mit diesem Konzept ist sie nicht alleine in Witten. Auch Barbara Maaßen, Inhaberin des Friseursalons Stein in Annen, reicht ihren Kundinnen Haarfarbe heraus, „mit einer Anleitung und meiner Telefonnummer“. Wenn die Anwendung unklar ist, können ihre Kundinnen sie anrufen und erhalten Tipps. „Keine bezahlte Hilfestellung“, versteht sich.
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Auch Maaßen hofft auf den 15. Februar. Zwar sei sie für ihr Geschäft sehr optimistisch und habe „den Kopf noch über Wasser“. Doch ihre Kunden immer wieder zu vertrösten, „das ist schon sehr zermürbend“, sagt die 45-Jährige. Als klar war, dass sie kurz vor Weihnachten wieder schließen musste, war das ein Schock für Barbara Maaßen. „Der Plan war voll“, erinnert sie sich. Von morgens bis abends hätten sie und ihr Team Haare geschnitten, alle Kunden konnten sie aber nicht mehr bedienen vor den Feiertagen.
Auch Monika Prahl vermisst klare Vorgaben und Perspektiven der Regierung während der Corona-Pandemie. „Wenn wir das im Dezember früh genug gewusst hätten, hätten wir das anders organisiert.“ Bis vor Kurzem sei sie noch optimistisch gewesen, dass die Friseursalons am 15. Februar wieder Kunden empfangen können. Doch jetzt, mit Aufkommen neuer Mutationen des Coronavirus, zweifelt sie daran. „Ich glaube nicht, dass wir dann wieder öffnen können.“
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