Witten. Strenge Hygiene und verzweifelte Angehörige - Corona hat die Arbeit der Bestatter verändert. Eine Wittenerin erzählt - auch von schönen Momenten.

Fast täglich sterben derzeit in Witten Menschen nach einer Infektion mit dem Corona-Virus. Der Lockdown schränkt unser aller Leben ein, verschärfte Hygienevorschriften sind zum alltäglichen Begleiter geworden. Direkten Kontakt mit an Covid-19-Erkrankten oder Verstorbenen haben aber die wenigstens. Hier erzählt eine Bestatterin aus Witten, wie die Pandemie ihre Arbeit verändert hat - von verschärften Hygienemaßnahmen über verzweifelte Angehörige bis hin zu schönen Momenten bei intimen Begräbnissen.

„Vielen ist ja oft nicht klar, dass wir so direkten Kontakt haben“, sagt Birgit Brotkorb vom gleichnamigen Bestattungshaus. „Und wir haben sehr viel Kontakt.“ Allein in den letzten vier Wochen habe sie 15 Covid-Opfer abgeholt und in die Räume des Familienunternehmens an der Pferdebachstraße gebracht - sei es aus dem Krankenhaus oder aus dem Zuhause der Verstorbenen.

Die Frage „Wie schützen wir uns?“ wird immer wieder im Bestattungshaus Brotkorb in Witten besprochen

Allein im Dezember sind in Witten 26 Menschen an oder mit Corona gestorben, so die Stadt. Insgesamt habe sie zwar durchaus bemerkt, dass es mehr Anfragen für Bestattungen bei ihr gegeben habe, sagt Brotkorb. „Aber wir mussten noch nie jemanden ablehnen. Wir sind hier ja zum Glück auch kein Hotspot!“

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Verändert habe sich aber das tägliche Arbeiten. Die Frage „Wie schützen wir uns?“ werde im Team mehrmals in der Woche besprochen. „Wir haben auch richtig geübt“, erzählt die 62-Jährige. Etwa das richtige Anlegen der Schutzkleidung. Und vor allem wie und wann man Kittel, Maske und Handschuhe wieder ordnungsgemäß ausziehe, ohne eventuell Viren auf Oberflächen zu hinterlassen.

Angehörige können oft nicht Abschied nehmen

So müssten etwa die Handschuhe ausgezogen werden, bevor der Sargdeckel von außen berührt wird - weil dieser nicht kontaminiert werden dürfe. „Weil wir ja nicht genau sagen können, wie lange die Viren auf der Oberfläche überleben.“ Jeder Corona-Tote kommt zudem in eine Plastikhülle. Ist diese einmal geschlossen, darf sie auch nicht mehr geöffnet werden. Gleiches gilt für den Sarg eines an Covid-19 verstorbenen Menschen.

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Für die Angehörigen bedeutet das: Ein Abschiednehmen am offenen Sarg ist nicht möglich. „Wir haben traurige Dinge erlebt“, sagt Bestatterin Brotkorb. Manch eine Familien hätte zuvor wochenlang den kranken Verwandten nicht in der Klinik besuchen dürfen, auch beim Sterben nicht dabei sein können. „Sie konnten überhaupt nicht Abschied nehmen“, so die 62-Jährige.

Sarg eines Covid-Opfers darf nicht mehr geöffnet werden

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Einige wenige hätten auch darauf beharrt, das Familienmitglied ein letztes Mal sehen zu können. „Aber da sind wir rigoros“, so die Bestatterin. „Dann sprechen wir mit den Menschen und erklären, dass das einfach nicht möglich ist.“ Schließlich wäre es eine konkrete Gefährdung aller Beteiligten, den Sarg noch einmal zu öffnen - auch für die Angestellten des Bestattungshauses.

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Verändert hat sich aber auch die Art der Bestattungen - und wie Birgit Brotkorb findet, nicht zum negativen. „Viele Familien entscheiden sich für kleine Trauerfeiern. Das ändert die Qualität.“ So habe sie die Zusammenkünfte von vielleicht sechs bis acht Personen im engsten Familien- und Freundeskreis als sehr viel persönlicher und intimer erlebt, als größere Trauerfeiern mit 50 Personen. „Es haben sich viele schöne Gespräche entwickelt, es gab viele schöne Momente.“

Die Todeszahlen in Witten

Insgesamt 152 Menschen sind im Dezember vergangenen Jahres in Witten verstorben. 2019 waren es 119. Ob die Opfer der Corona-Pandemie einen spürbaren Einfluss auf die Todeszahlen haben, ist aber schwer zu sagen, so die Stadt. Denn die Zahl der beurkundeten Todesfälle sei in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. Im gesamten Jahr 2020 verstarben nach Angaben des Standesamtes 1647 Wittener. Das waren 176 Menschen mehr als im Jahr zuvor. Damals verstarben 1471. 2018 waren es 1433. Der Anstieg von 2019 auf 2020 ist also deutlich größer als im Vorjahr.

Die meisten Trauerhallen seien derzeit ohnehin geschlossen. Doch auch so hätten sich schon seit März die meisten Familien für eine Trauerfeier im Freien entschieden. Je nach Wetter sei das zwar auch eine Herausforderung. „Aber es ist sinnvoll“, sagt Brotkorb. Mit 35 Menschen in einer Halle zu sitzen, sei einfach derzeit kein gutes Gefühl. Zumal in einer solch emotionalen Situation fast niemand auf den richtigen Sitz der Maske achten könne.

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