Witten. Wann hört kindliches Ärgern auf und wann beginnt echtes Mobbing? Für die Mutter einer Erstklässlerin aus Witten-Bommern ist die Sache klar.

Mobbing an Schulen? „Das ist ein riesengroßes Thema“, sagt eine Psychotherapeutin aus Witten. „Kinder können so grausam sein.“ Nicht nur in den sozialen Medien finden diese verbalen Angriffe statt. Es kann auch vor Ort passieren, sogar in der Grundschule. Eine Mutter aus Bommern schildert, wie ihre siebenjährige Tochter fast jeden Tag weinend vom Unterricht nach Hause kam. Inzwischen hat sie die Schule gewechselt.

Ständig habe sich das Kind von Klassenkameraden dumme Sprüche anhören müssen oder sei herumgeschubst worden. Lange habe sie gegrübelt, ob das nur Ärgern oder schon Mobbing sei, sagt die Mutter. Inzwischen sei ihr klar: „Das sind nicht bloß kindliche Streitereien.“ Der Leiter der Brenschenschule in Bommern, deren erste Klasse die Siebenjährige besuchte, sieht das anders.

Mutter aus Witten: Mein Kind kam oft weinend nach Hause

Im vergangenen Sommer wurde das Mädchen eingeschult. „Kurz darauf fing es an“, erinnert sich die Mutter. Ein paar Jungs hätten ihre Tochter verbal beleidigt, hätten etwa zu ihr gesagt: „Du bist dumm.“ Außerdem sei sie auf dem Schulhof herumgeschubst oder von der Rutsche gestoßen worden. Auch am Rucksack des Kindes hätten sie sich zu schaffen gemacht oder ihm mal eine Flasche gegen den Mund geschlagen.

Zunächst habe sie das alles nicht so ernst genommen, sagt die 32-jährige Wittenerin. Denn natürlich sei auch ihre Tochter „keine Heilige“. „Aber sie kam so oft weinend nach Hause, hatte morgens keine Lust mehr, in die Schule zu gehen, und war ständig schlecht gelaunt.“ Auch ihr Sozialverhalten habe sich geändert. „Sie ist zuhause aggressiver geworden, weil sie so frustriert war.“

Für Familientherapeut aus Witten fällt der Vorfall unter Mobbing

Es seien immer dieselben Jungen gewesen, die ihr Kind seit Wochen regelmäßig bedrängt hätten. Das habe für sie schließlich den Ausschlag gegeben, dass es sich um Mobbing handeln müsse, sagt die Wittenerin. Peter Unger stimmt ihr zu.

Der Familientherapeut, der in seiner Praxis an der Wartburgstraße auch Mobbingopfer berät, sagt: „Es passiert noch nicht so verantwortlich wie bei Jugendlichen oder Erwachsenen.“ Doch es gehe in dieselbe Richtung, wenn jemand immer wieder einen anderen Menschen durch bestimmte Bemerkungen verletze.

Wittener Grundschulleiter: Sind Vorwürfen nachgegangen

Nun hofft die Mutter, durch ihre Geschichte auf das Thema aufmerksam machen zu können. Das Gespräch mit der Schule habe aus ihrer Sicht nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. „Dort wurde die Situation verharmlost“, so sieht es die Mutter. Das Kind sei noch in einer Orientierungsphase, habe es geheißen. Ihre Tochter habe zwischen den Jungen, die sie offenbar geärgert haben, sitzen bleiben müssen.

Beratungsstellen helfen

„Manchmal reicht ein aufklärerisches Gespräch mit den Tätern, man muss nicht gleich harte Geschütze auffahren, wenn es um Mobbing geht“, rät Familientherapeut Peter Unger. Eltern, deren Kinder betroffen sind, können sich aber auch Hilfe von außen holen. Ansprechpartner sind Psychotherapeuten oder Beratungsstellen.

Die Erziehungsberatung von Pro Familia an der Annenstraße ist Montag bis Freitag von 8 Uhr bis 12 Uhr sowie Montag von 14 bis 16 Uhr und Donnerstag von 15 bis 17 Uhr unter 3928812 erreichbar. Die Schulberatungsstelle des EN-Kreises zieht gerade von Gevelsberg nach Schwelm und ist ab 9. Dezember unter der neuen Nummer 02336-932790 zu erreichen.

Das streitet Thomas Bartelworth nicht ab. „Aber bevor wir im ersten Schuljahr von Mobbing sprechen, müssen wir andere Dinge ausschließen“, sagt der Leiter der Brenschenschule. „Natürlich sind wir den Vorwürfen nachgegangen.“ Eine Sonderpädagogin habe die Klasse beobachtet. Er selbst habe sogar mit dem Mädchen gesprochen und es habe gesagt, es fühle sich wohl an der Schule.

Schulleiter aus Witten: Corona erschwert Schulstart zusätzlich

„Bis zum Mobbing ist es ein weiter Weg. So etwas geschieht langanhaltend, systematisch und mit Vorsatz“, sagt der Rektor. Dazu komme, dass sich Erstklässler zunächst in die neuen sozialen Strukturen an der Schule einleben müssen. „In Coronazeiten allemal ein schwieriges Unterfangen.“ Denn Erstklässler bräuchten viel Nähe. „Die wollen auch mal auf den Schoß der Lehrerin.“ Alles gerade nicht möglich.

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Das erschwere den Schulstart und wirke sich unter Umständen auf das Verhalten mancher Kinder aus. Für Thomas Bartelworth ist jedoch klar: „Die Übergänge sind zwar fließend. Aber frühestens im vierten Schuljahr kann man einen Vorsatz erkennen. Dann geht es tatsächlich ums Fertigmachen.“

Die Siebenjährige hat den Problemen mittlerweile den Rücken gekehrt und besucht seit rund zwei Wochen eine andere Schule. „Sie kommt freudestrahlend in meine Arme gelaufen“, erzählt ihre Mutter. Und sie habe schon eine neue beste Freundin gefunden.

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