Witten. 2020 ist für Äthiopien ein hartes Jahr: eine Heuschreckenplage, die Pandemie und nun auch noch ein Krieg. Ein Verein aus Witten will helfen.
Vor mehr als zehn Jahren hat ein Arzt aus Witten für seine Kollegen eine Rundreise durch Äthiopien organisiert. Der Blick in die Krankenhäuser und Praxen vor Ort hat gezeigt, dass es in der medizinischen Versorgung großen Nachholbedarf gibt. Zurück in der Heimat gründeten die Kollegen den Verein Etiopia-Witten e.V. und schickten fortan Geräte, Krankenbetten und OP-Tische in die Region Tigray. Aktuell herrscht dort Krieg. Straßen sind gesperrt, das Internet funktioniert nicht, Kontakt gibt es nur per Satellitentelefon. Theo Pueplichhuisen (79), ehemaliger Geschäftsführer des Marien-Hospitals in Witten und Sprecher des Vereins, erklärt, warum es auch in Pandemie-Zeiten wichtig ist zu helfen.
Durch die Corona-Krise sind die Möglichkeiten des Vereins sicher stark eingeschränkt. Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf Ihre Arbeit?
Theo Pueplichhuisen: Wir haben bislang immer persönliche Hilfe als sinnvoller erachtet, aber im Moment werden wir sehr wahrscheinlich nicht umhinkönnen, den Leuten erstmal Geld zu schicken. Dazu müssen aber die Banken wieder öffnen. Wir können nicht telefonieren, das Internet ist gesperrt. Die Straßen sind geschlossen. Es ist schon eine sehr problematische Situation dort. Die kriegerischen Probleme haben alles abgeschnitten.
Der Alltag der Menschen in Witten wird aktuell stark durch das Coronavirus und die damit verbundenen Einschränkungen bestimmt. Warum ist es gerade jetzt so wichtig, den Blick weg von den eigenen Problemen und hin nach Äthiopien zu richten?
In der Region da unten hat man ja gar keine Hilfen. Wir haben in der Stadt Mek’ele (Anm. der Red.: seit 2016 Wittens Partnerstadt) eine große Flughafenhalle eingerichtet mit Notbetten. Und es gibt jetzt in dem Zelt die nötigen Schutzkleidungen und Masken. Das ist alles runtergebracht worden von uns. Man ist also dort inzwischen gut aufgestellt. Aber im Moment leiden die Menschen dort unter dem Ausbruch des Krieges.
Was macht den Menschen vor Ort besonderes zu schaffen?
Wegen der Wahl in Amerika schaute die ganze Welt auf Amerika und keiner guckte nach Äthiopien. Das ist etwas, was die Leute da unten auch zutiefst traurig macht, weil niemand das Problem sieht. Wir haben schlimme Filme gesehen über die Heuschreckenplage, die über Äthiopien hergeht. Die fressen alles weg. Es kommt eine Hungersnot auf Äthiopien zu, das sehen wir heute schon. Dann kam die Pandemie noch dazu. All das zusammen ist schon Geißel genug. Und dann kommt noch oben drauf dieser schreckliche Krieg . Das ist etwas, das von einem Land, das ohnehin schon so arm ist und so in Problemen steckt, nicht noch zu stemmen ist.
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Wie genau engagiert sich der Verein, um den Menschen in Äthiopien zu helfen?
Ich habe zum Beispiel für die Klinik in Mek’ele, in der wir seit über zehn Jahren tätig sind, sehr viele Geräte organisiert. Damals wurde die Intensivpflegestation in dem Krankenhaus, aus dem ich komme, nach acht Jahren abgebaut und durch eine neue ersetzt. In Äthiopien wurde sie wieder aufgebaut und läuft da jetzt seit zehn Jahren wunderbar. Das ist die erste Intensivpflegestation in ganz Äthiopien, die monitorgesteuert ist. Da kommen die Chefärzte sogar aus Addis Abeba (Anm. der Red.: die Hauptstadt Äthiopiens), um sich das anzuschauen. Wir haben auch schon Herzkatheter unten, ein CT . . . Die Klinik in Mek’ele haben wir damit – würde ich sagen – zu einem der modernsten Krankenhäuser Äthiopiens hochgebracht.
Gibt es noch weitere Projekte?
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Es kommen auch viele Ärzte der Region zu unseren Fortbildungsveranstaltungen. Wir veranstalten jedes Jahr eine sogenannte „German Week“. Da fahren dann unsere Ärzte runter und veranstalten Seminare. Zum Beispiel: Als wir vor zehn Jahren mit der Arbeit anfingen, kannte man in der Region noch gar keine Ultraschalldiagnostik. Wir haben hier dann Ultraschallgeräte gesammelt und bestimmt 40 Stück dorthin gebracht. Und die ganzen Ärzte und Chefärzte der Region kommen dann zu einer Fortbildung in dieses Krankenhaus in Mek’ele. Wenn sie das Seminar hinter sich gebracht haben, bekommen sie ein Ultraschallgerät in ihren Koffer gepackt und können damit nach Hause fahren.
Wollen Sie sich, wenn es wieder möglich ist, über Ihren üblichen Einsatz hinaus auch humanitär in dem Land engagieren?
Das werden wir tun, in Abstimmung mit unseren Leuten vor Ort, damit wir wissen, was notwendig ist. Ob Suppenküche oder etwas anderes. Wir werden sehr wahrscheinlich die finanziellen Mittel hinbringen, damit die Menschen Lebensmittel einkaufen können.
Wie schätzen Sie die Möglichkeiten, sich zu engagieren, auf längere Sicht ein? Auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie.
Verein hat auch Schulen in der Region um Mek’ele gebaut
Etiopia-Witten hat vier Schulen in der Region um Mek’ele gebaut. „Die bestehen aus vier Klassenräumen, einem Lehrerzimmer und einem Büro – und ganz wichtig: aus einer Toilettenanlage mit Wasser“, sagt Theo Pueplichhuisen.
Die Schulen haben „Baumschulen“ ersetzt. Aber nicht solche, wie man sie hierzulande kennt, sondern dort „ist das Wort im wahrsten Sinne richtig“, sagt der Vereinssprecher. „Der Lehrer kam morgens mit der Tafel an, hat sie an den Baum gelehnt, die Kinder haben sich um den Baum geschart und haben dann den Unterricht über sich ergehen lassen.“
Wir sind ganz zuversichtlich, dass die kriegerische Auseinandersetzung sich hoffentlich bald legt, sodass wir wieder den Zugang zu den Menschen dort bekommen. Wir gehen auch davon aus, dass es durch die Impfmöglichkeit gegen Corona möglich sein wird, dass Leute vielleicht im Februar/März nächsten Jahres hinfliegen können. Das sind natürlich Vermutungen und Hoffnungen. Ob das eintrifft, wissen wir nicht.
Information zum Verein und zu Spendenmöglichkeiten gibt es auf etiopia-witten.de
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