Witten. Wiebke Jungermann aus Witten hat sich ihre Haare abschneiden lassen, als ihre Freundin eine Krebsdiagnose bekam. Damit hilft sie gleich mehrfach.

Diagnose Brustkrebs: Diese schlimme Nachricht hat das Leben von Annika (42) aus Witten vor ein paar Wochen komplett auf den Kopf gestellt. „Das hat mich komplett aus den Schuhen gehauen“, sagt sie. Zum großen Schrecken kam bald die Angst vor der Chemo und ihren Folgen. Doch Freundin Wiebke Jungermann spendete ihr einen unerwarteten Trost. Sie versprach: „Wenn dir die Haare ausgehen, dann rasiere ich mir meine auch ab.“

Die beiden Frauen kennen sich schon aus der Grundschule. „Wiebke ist meine beste und älteste Freundin“, sagt Annika. Deswegen kam das Angebot für sie auch überhaupt nicht in Frage: „Hier wird gar nichts abrasiert“, lehnte sie den Liebesdienst entschieden ab. Doch als es dann soweit war und die Haare ausgingen, hat Wiebke Jungermann sich einfach auf keine Diskussion mehr eingelassen: Ohne zu zögern hat sie einen Termin Friseur gemacht und das Bild von ihrem abgeschnittenen Zopf anschließend mit den Worten „Versprochen ist versprochen“ an Annika geschickt. Die muss immer noch schlucken, wenn sie daran denkt: „Das hat mich sehr, sehr berührt.“

Wittenerin hat ihren Zopf zu Hause schon ausgemessen

Wiebke Jungermanns neue Frisur sollte dabei mehr als ein Zeichen der Solidarität sein. „Ich wusste, dass man die Haare spenden und damit anderen Krebskranken helfen kann“, erzählt die Hevenerin. Aus den Zöpfen werden Echthaar-Perücken gefertigt, die dann günstiger an Patienten abgegeben werden können. Allerdings: Im Internet erfuhr die Wittenerin auf haare-spenden.de , dass die Haare dafür mindestens 25 Zentimeter lang sein müssen. Würde ihr Zopf reichen?

Perücken-Macher Max Rieswick braucht etwa sechs gleiche Zöpfe für einen neuen Haarersatz. Das Familien-Unternehmen „Rieswick und Partner“ hat das Projekt haare-spenden.de ins Leben gerufen.
Perücken-Macher Max Rieswick braucht etwa sechs gleiche Zöpfe für einen neuen Haarersatz. Das Familien-Unternehmen „Rieswick und Partner“ hat das Projekt haare-spenden.de ins Leben gerufen. © Rieswick

„Wir haben zu Hause mit dem Zentimetermaß nachgemessen, es war knapp.“ Doch die Friseurin konnte Entwarnung geben. Es reichte für eine 27 Zentimeter lange Spende – und rasiert werden musste auch nichts. Stattdessen ist ein schicker kinnlanger Bob entstanden, der allen gut gefällt. Auch Wiebkes Mann – wobei der gleich gesagt hatte: „Egal wie kurz du es machst – mir ist es recht. Denn die Idee finde ich toll.“

Wittenerin mag ihre neue Frisur nicht besonders gern

Trotz der positiven Resonanz, ist die Bürokauffrau mit dem neuen Schnitt nicht wirklich glücklich: „Alle finden die Frisur schön, nur ich finde sie total nervig.“ Ständig habe sie jetzt Haare im Gesicht herumfliegen, beim Reiten sei ein Zopf auch viel praktischer gewesen. Aber Wiebke Jungermann bedauert ihren Schritt dennoch keine Minute. „Denn ich glaube, Annika hat das gut getan.“

https://www.waz.de/staedte/witten/article230853552.ece

Das kann die 42-Jährige nur bestätigen: „Es war toll zu spüren, wie viel ich ihr bedeute“, sagt sie gerührt. Ihre eigenen langen, blonden Haare zu verlieren sei emotional sehr hart gewesen. „Dass meine Freundin ihre Haare auch abgeschnitten hat, gibt mir meine zwar nicht wieder, aber dieses Zeichen der Verbundenheit lindert den Schmerz.“ Es sei einfach gut zu wissen, dass da jemand ist, der weiß, „wie es mir durch den Verlust geht“.

Dreifach Gutes tun

Hinter der Seite haare-spenden.de steht die Perückenfirma Riewick in Velen, die medizinischen Haarersatz herstellt und Partner der deutschen Krebshilfe und Kinderkrebshilfe ist. Vier bis fünf Zöpfe in gleicher Farbe und Haarqualität reichen dabei für je eine Perücke.

Mit einer Haarspende kann man gleich dreifach Gutes tun: Einerseits gibt es nicht genügend europäischen Echthaar für die Produktion von Haarersatz für Menschen, die durch eine Krankheit oder OP keine Haare mehr haben. Zum anderen sinkt der Preis einer Perücke für die Patientin (oder den Patienten), weil das Haar nicht zugekauft werden muss. Und drittens spendet das Familienunternehmen den Wert des eingesandten Zopfes zusätzlich an eine gemeinnützige Organisation, die der Spender bestimmen darf.

Das sind die Voraussetzungen: Die gespendeten Haare müssen mindestens 25 Zentimeter lang sein und sollten möglichst nicht chemisch behandelt sein – also weder Dauerwelle noch Farbe haben. Der abgeschnittene Zopf muss trocken und mehrfach abgebunden in einem festen Umschlag eingesandt werden. Mehr Infos gibt es unter haare-spenden.de

Deswegen hofft Annika, dass möglichst viele dem Bespiel ihrer Freundin folgen werden. „Das Unternehmen ist auf Haarspenden angewiesen, es gibt hier ja nicht genügend Echthaar“, weiß sie.

Und noch einen Appell möchte sie an dieser Stelle loswerden: „ Geht alle regelmäßig vor Vorsorge – mindestens einmal im Jahr!“ Denn nur weil ihre Krankheit früh entdeckt worden ist , habe sie jetzt gute Chancen, bald ganz gesund zu sein – und wieder schöne lange Haare zu haben.

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