Witten. Der Kaufhof schließt, die Stadtgalerie schwächelt. Trotzdem sollte man Witten als Einkaufsstadt nicht abschreiben, meinen die Einzelhändler.
Die letzten Tage von Galeria Kaufhof in Witten sind gezählt – und zurzeit bringt der Ausverkauf Leben in die Innenstadt. Mehr als manchem der umliegenden Einzelhändler lieb ist. Denn Wittener wie Auswärtige decken sich zurzeit auf dem Kaufhof-Wühltisch mit Weihnachtsgeschenken zu Dumpingpreisen ein. Doch mehr als das Aus des Warenhauses fürchten die Händler den Ruf Wittens als Einkaufsstadt. Denn totsagen sollte man die Bahnhofstraße nicht.
Auch die Stadtgalerie in Witten schwächelt
Den Wittener Einzelhändlern stehen schwierige Zeiten bevor. In der kommenden dunklen Jahreszeit wird es an der oberen Bahnhofstraße ein dunkles, nicht mehr beleuchtetes Kaufhof-Gebäude geben. Auf der anderen Seite der zentralen Einkaufsmeile schwächelt die Stadtgalerie. Dort stehen zurzeit viele Geschäfte leer oder sind mit Zwischenmietern belegt. Doch sie können die Lücken nicht füllen, die vor allem Modeläden wie C&A, Esprit, Street One und Gerry Weber mit ihrem Weggang hinterlassen haben.
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„Deswegen müssen wir gucken, dass wir zwischen den beiden Polen schöne Geschäfte haben, die Leute in die Stadt ziehen“, sagt Angelika Bilow-Hafer, die die „Genuss-Galerie“ am Berliner Platz betreibt und sich im Vorstand der Standortgemeinschaft Mitte engagiert.
„Dass der Kaufhof schließt, hat nichts mit Witten zu tun. Er ist deshalb insolvent, weil dessen Konzept nicht funktioniert hat“, so Bilow-Hafer. „Ich fahre nicht in die Stadt, um Produkte zu finden, die es im Internet billiger gibt. Ich möchte Erlebniskauf. Waren, die ich anfassen kann, zu denen ich gut beraten werde, die ich testen kann.“
Stammkunden halten letztem Kaufhaus in Witten die Treue
Das größte Problem nach der Schließung von Galeria Karstadt Kaufhof am 17. Oktober sei nun der „psychologische Effekt“, fürchtet Sabine Wirths-Hohagen von der Buchhandlung Lehmkul. „Wenn in der Weihnachtszeit die Fenster des Kaufhofs nicht mehr beleuchtet sind, darf uns das nicht runterziehen.“ Wie man gegensteuern kann, wüssten viele Wittener Händler doch. Denn „das Leben zwischen Bochum, Dortmund und dem Ruhrpark war für den Wittener Handel noch nie leicht“, weiß auch Christine Gassmann-Berger, die das Kaufhaus Gassmann mit vier Filialen betreibt.
Ihr Warenhaus mit dem typischen blauen Namenszug ist nun bald das letzte „richtige“ Kaufhaus in der Stadt. Noch laufen die Geschäfte gut, denn Gassmann kann auf viele Stammkunden setzen. „Und ich habe das Gefühl, dass Leute sich wieder auf den stationären Einzelhandel besinnen. Unsere Position hat sich durch Corona etwas gebessert“, sagt Gassmann-Berger.
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Umso mehr fürchtet sie den negativen Effekt, „wenn Kunden eingebläut wird, nach Witten müssten sie gar nicht erst kommen, denn da ist nichts mehr“. Ein Quartier könne sich auch erholen. Die Geschäftsfrau verweist auf die untere Bahnhofstraße. „Die wurde mit ihren Leerständen schon hundert Mal totgesagt.“
Kunden kaufen schon für Weihnachten ein
Sorgen machen sich viele Wittener Einzelhändler um das Weihnachtsgeschäft. Viele Kunden nutzen offensichtlich die starken Rabatte bei Galeria Kaufhof, um sich dort mit Wäsche, Spielwaren oder Haushaltswaren einzudecken, die in knapp drei Monaten auf dem Gabentisch liegen sollen. Das weihnachtliche Geschenkpapier gibt’s übrigens gleich mit.
„Die Händler, die in Witten überleben wollen, werden diesmal leerausgehen“, glaubt Sabine Wirths-Hohagen. Auch ihre Buchhandlung sei betroffen, denn trotz Buchpreisbindung gibt Kaufhof 60 Prozent Rabatt auf Bücher.
Dort sorgen inzwischen mehrere Gemüseläden, zwei syrische Restaurants und die türkische Bäckerei „Mr Simit“ für orientalisches Flair. Einige Ladenlokale sind nicht an klassische Einzelhändler vermietet, sondern zum Beispiel an eine Erziehungshilfe oder einen Kinderhilfsverein. Christine Gassmann-Berger: „All diese Geschäfte sehen nett und ordentlich aus und das ist besser als all die Leerstände in den Vorjahren.“ Auch Angelika Bilow-Hafer ist die Veränderung aufgefallen. „Durch die Ansiedlung des Unikat-Clubs ist eine Achse Wiesenviertel – Uni-Treff entstanden, die sich immer besser entwickelt.“
Kaum noch Leerstände auf der Bahnhofstraße in Witten
Die stellvertretende Vorsitzende der Standortgemeinschaft hofft, dass bald neues Leben ins Kaufhof-Erdgeschoss einzieht. Sie sieht dort echte Chancen. „Das Untergeschoss ist nicht uninteressant, mit Zugang zum Parkhaus und eigenem Eingang. Ich könnte mir dort sehr gut einen Supermarkt vorstellen, der auch attraktive Ideen für die Mittagspause bereithält.“
Der Einzelhandel bröckele in jeder Stadt, nur auf unterschiedlichem Niveau, sagt Bilow-Hafer. „In Düsseldorf, Hamburg und eben auch Witten.“ Tatsächlich gibt es in der unteren Bahnhofstraße wie auch in der oberen zurzeit nur relativ wenige Leerstände. „Und das ist ein gutes Zeichen.“