Witten. Endspurt bei der Organisation der Kommunalwahl in Witten. Trotzdem hat Amtsleiter Michael Muhr den allergrößten Stress vermutlich hinter sich.

In den letzten Tagen ist Michael Muhr arg ins Schwitzen geraten. Obwohl die Klimaanlage im Briefwahlbüro, wo er sich derzeit quasi häuslich eingerichtet hat, inzwischen funktioniert. Die vielen Pannen haben dem Wahlamtsleiter der Stadt Witten einiges Kopfzerbrechen bereitet. Doch kurz vor der Kommunalwahl am Sonntag kehrt ein wenig Ruhe ein. Im Interview spricht der 57-Jährige über seine Lieblingswahlen, Termindruck und das Wullenstadion.

Herr Muhr, wie geht es Ihnen?

Michael Muhr: Im Moment wieder gut. Alles läuft gerade nach Plan. Darüber bin ich sehr, sehr froh. Aber vor allem die Sache mit den falschen Stimmzetteln – das habe ich mir schon sehr zu Herzen genommen. Das hätte nicht passieren dürfen. Bei den nicht zugestellten Wahlbenachrichtigungen lag der Fehler allerdings nicht beim Wahlamt. Diese Pannen haben uns aber 14 Tage Vorbereitungszeit gekostet, die ja ohnehin knapp war in der Pandemie.

Das Briefwahlbüro im ehemaligen „Krüger-Haus“ an der Bahnhofstraße in Witten hat sich bewährt, sagt Wahlamtsleiter Michael Muhr.
Das Briefwahlbüro im ehemaligen „Krüger-Haus“ an der Bahnhofstraße in Witten hat sich bewährt, sagt Wahlamtsleiter Michael Muhr. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Was bedeutet die Coronakrise für die Wahl?

Durch die Wahl unter Pandemie-Bedingungen haben wir einen riesigen Mehraufwand. Überall müssen die Abstandsregeln eingehalten werden. Zum Glück haben wir vom Kreis ein Corona-Schutzkonzept an die Hand bekommen. In allen Wahllokalen stehen Spender mit Desinfektionsmittel. Es werden Handschuhe bereitliegen, wenn jemand die Wahlzettel nicht anfassen will. Wir haben auch Stifte da, obwohl ja möglichst jeder seinen eigenen mitbringen soll. Mir liegt vor allem die Sicherheit der Wahlvorstände am Herzen, die den ganzen Tag dort ausharren müssen. Sie werden hinter Plexiglasscheiben sitzen.

Rund 20.000 Bürger in Witten wählen per Brief

Die Briefwahl läuft gut. Knacken wir einen Rekord?

Vermutlich nicht. Rund 20.000 Bürger werden Briefwahl machen. Aber damit werden wir das Hoch der letzten Bundestagswahl 2017 nicht erreichen. Da lag die Zahl der Briefwähler bei gut 21.500.

Hat sich das Krüger-Haus als Briefwahlbüro bewährt?

Auf jeden Fall. Das war immer gut besucht. Rund 8000 Wittener haben hier ihre Briefwahl erledigt.

Seit wann leiten Sie das Wahlamt?

Seit der Landtagswahl im Jahr 2012. Ehrenamtlicher Wahlhelfer war ich aber schon mit 20. Seitdem habe ich an jeder Wahl in irgendeiner Funktion teilgenommen und bin irgendwann in die Organisation reingerutscht. Landtags- und Bundestagswahlen sind mir die liebsten. Da hat man nicht ganz so viel zu tun wie jetzt, wo es fünf Stimmzettel gibt.

„Unter Druck kann ich gut arbeiten“

Was reizt Sie an dem Job?

Man hat ein knallhartes Ziel. Bis zum Wahlsonntag muss alles stehen, koste es, was es wolle. Man kann den Termin ja nicht verschieben. Aber unter Druck kann ich gut arbeiten.

BVB-Fan und Sänger

Michael Muhr ist gebürtiger Dortmunder und deshalb auch BVB-Fan. Im Herbst 1976 verschlug es ihn mit seinen Eltern nach Witten. Er lebt nun in Annen, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.

Der 57-Jährige hat ein abgebrochenes Jura-Studium hinter sich („Das war viel zu theoretisch). Darauf folgte ein duales Studium zum Diplom-Verwaltungswirt an der FH Hagen mit Ausbildung bei der Stadt Witten.

Als Ausgleich zum Job singt Michael Muhr mit seiner Frau in der Stadtkantorei Bochum und fährt gern mit dem Rad zur Arbeit. Er fühlt sich der Kirche sehr verbunden, engagiert sich in Annen und Heven und war immer mal wieder Presbyter.

Ihr schlimmstes Erlebnis in Sachen Wahlen, abgesehen von der aktuellen Panne?

Einmal mussten wir Polizei und Feuerwehr rufen, weil es am Nebeneingang eines Wahllokals brannte. Es hat sich aber herausgestellt, dass das kein Anschlag war, sondern Jugendliche aus Jux Altpapier angezündet hatten. Richtig schlimm war aber, als bei der letzten Kommunalwahl in Stockum die falschen Stimmzettel auslagen. Das war der Supergau. Damit kann man eine ganze Wahl torpedieren. Bei uns hatte es zum Glück keine Auswirkungen aufs Ergebnis.

„Alle 200 Zuschauer im Wullenstadion wussten über die Panne Bescheid“

Ihr lustigstes Erlebnis?

Ach, da passieren oft schöne Sachen. Einmal stand der Vater einer Kollegin im Wahllokal und wollte wählen, war aber gesperrt. Angeblich hatte er schon per Brief gewählt. Versehentlich hatte ein anderer Wähler mit dem gleichen Geburtsdatum seine Unterlagen bekommen. Ich bin dann letztlich mit den richtigen Zetteln ins Wullenstadion, wo der Mann inzwischen war. Er hat dann dort hinterm Tor sein Kreuz gemacht. Und alle 200 Zuschauer wussten über die Panne Bescheid.

Die spannendste Wahl, politisch gesehen?

Die Wahl, als Gerhard Schröder 1997 Helmut Kohl als Kanzler abgelöst hat. Und auf Witten bezogen die Kommunalwahl vor fünf Jahren, weil Bürgermeisterin Sonja Leidemann und Frank Schweppe, ihr Stellvertreter im Amt, gegeneinander angetreten sind.

Wie wählen Sie selbst?

Per Brief. Anders geht das gar nicht. Wenn ich am Wahlsonntag nur einmal von meinem Stuhl aufstehe, werden die Kollegen nervös. Ich muss da immer erreichbar sein.

Was wünschen Sie sich für Sonntag, außer dass alles klappt?

Eine rege Wahlbeteiligung. Damit Bürgermeister und Rat auf solider Basis arbeiten können.

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