Witten. Der Neubau der Herbeder Ruhrbrücke in Witten bleibt ein strittiges Thema. Anwohner wollen eine lange Bauzeit um jeden Preis verhindern.
Der geplante Neubau der Herbeder Ruhrbrücke ab 2024 sorgt weiterhin für Konflikte. Am Mittwochabend haben Werbegemeinschaft, Bürgerkreis und Heimatverein zu einer Einwohnerversammlung in den Biergarten des Zollhauses eingeladen. Viele Herbeder beteiligten sich an der Diskussion über die Pläne für Bauarbeiten an Lake- und Ruhrbrücke.
Es ist kompliziert – darin sind sich alle einig. Dass die marode Herbeder Ruhrbrücke ersetzt werden muss, steht außer Frage. Die Vorarbeiten haben bereits begonnen. Doch die Umsetzung bleibt umstritten. Nach den Plänen von Straßen NRW soll die Brücke erst komplett abgerissen und dann an gleicher Stelle neu gebaut werden. Während der Bauzeit von etwa vier Jahren wäre die Direktverbindung nach Herbede unterbrochen – mit massiven Folgen für Gewerbetreibende und Anwohner.
Durch Corona angeschlagenen Geschäften droht bei Vollsperrung das Aus
Petra Weber (53) ist eine von denen, die sich große Sorgen machen, wenn die Brücke abgerissen und damit die Hauptverbindung von und nach Herbede lahmgelegt wird. Sie lebt selbst in Vormholz und arbeitet bei Edeka direkt hinter der Ruhrbrücke. „Mein Chef rechnet im Moment mit 50 Prozent Umsatzeinbußen. Vielleicht müssen sogar Mitarbeiter entlassen werden“, sagt die 53-jährige bei der Bürgerversammlung. Durch die Corona-Krise sind viele ortsansässige Gewerbetreibende bereits angeschlagen. Petra Weber ist sich sicher: „Wenn die Pläne so umgesetzt werden, müssen viele Geschäfte in Herbede sterben.“ Lange Umwege über die Hölzer oder die Autobahn würden viele Wittener auf Dauer nicht in Kauf nehmen, um weiterhin in Herbede einzukaufen.
Davor warnt auch die Werbegemeinschaft. Vorsitzender Dominik Rütter: „Die Ruhrbrücke ist eine Verkehrsader, an der viele Arbeitsplätze hängen. Sie muss unbedingt erhalten bleiben.“
Um während der Bauphase einen Alternativweg über die Ruhr zu schaffen, ist ein Ausbau der bisher autofreien Lakebrücke am Zollhaus geplant. Bei einem Neubau soll sie auf eine Breite von fünf Metern erweitert werden – und dadurch zumindest Platz für Notfallverkehr und städtische Fahrzeuge schaffen. Shuttle-Busse oder sogar Linienverkehr waren ebenfalls in Erwägung gezogen worden, werden inzwischen aber wieder für weniger wahrscheinlich gehalten.
Die Erweiterung wäre direkten Anwohnern wie Maria Wülbeck (77) ein Dorn im Auge. Sie lebt hinter der Lakebrücke und macht sich Sorgen, dass über die breitere Brücke in Zukunft auch Autos fahren und Lärm machen. Andere Herbeder fürchten ebenfalls um die Idylle der Ruhrwiesen – nicht zuletzt mit Blick auf die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2027. Andererseits kennen viele das hohe Verkehrsaufkommen von Fahrradfahrern, Inlineskatern und Fußgängern auf der schmalen Lakebrücke. Eine Erweiterung könnte auch für sie eine Verbesserung bedeuten.
Dennoch: Das Grundproblem der wegfallenden Ruhrbrücke bleibt. Viele Herbeder wollen die aktuellen Pläne von Straßen NRW nicht hinnehmen. Sie fordern ein Gesamtkonzept, an dem sowohl die Stadt Witten als auch die Anwohner beteiligt werden. Auch wenn die Stadt für die Brücke (weil Landesstraße) nicht zuständig ist, sind viele der Meinung, sie müsse sich stärker für die Interessen der Bürger einsetzen und Druck beim Landesbetrieb machen. Das Hauptanliegen der Herbeder besteht darin, die Bauzeit zu verkürzen und so eine langfristige Abkoppelung des Stadtteils zu verhindern.
Alternativpläne der Herbeder Vereine wurden von Straßen NRW abgelehnt
Der Bürgerkreis hat bereits verschiedene Alternativmodelle entwickelt. Vorschläge, wie einen Parallelbau der neuen Brücke neben der alten oder eine Tunnellösung wurden vom Landesbetrieb abgelehnt. Dies sei oft mit zu hohen Kosten oder zu großem Aufwand begründet worden. Für einen Parallelbau wäre einfach nicht genug Platz, argumentiere Straßen NRW. Das ärgert den Verein. „Es muss eine Lösung gefunden werden, gemeinsam mit allen Beteiligten“, sagt Dieter Boele, Vorsitzender des Bürgerkreises. Die jetzige Vorgehensweise bezeichnete er als „absolut undemokratisch“.
Straßen NRW sei auf Einladung der Vereine bisher noch zu keiner Veranstaltung gekommen, um gemeinsam über die Pläne zu diskutieren. Andere Anwohner betonen jedoch auch: „Wir sind alle keine Brückenbauer und wissen nicht, was überhaupt möglich ist. Darüber müssen Fachleute entscheiden.“