Witten. Durch die Corona-Krise hat sich auch die Arbeit der Hebammen in Witten verändert. Vieles kann jetzt nicht mehr übers „Bauchgefühl“ laufen.

Die Hände sind ihr wichtigstes Instrument. Nähe spielt eine große Rolle in diesem Beruf. Die Corona-Krise stellt nicht nur Pflegende in Wittener Heimen und Krankenhäusern vor große Herausforderungen, sondern auch Hebammen. Sie betreuen Frauen im Idealfall von Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit. Wie funktioniert das während der Pandemie, wo nichts ohne Mundschutz und Abstand geht?

Jeanne Wierzba arbeitet in der Hebammenpraxis Witten.
Jeanne Wierzba arbeitet in der Hebammenpraxis Witten. © Privat

„Anfangs war ich wie in einer Schockstarre. Wir wussten nicht, wie es weitergeht, wie wir die Familien versorgen können“, sagt Jeanne Wierzba. Die 37-Jährige ist seit zwölf Jahren Hebamme und hat die Hebammenpraxis an der Stockumer Straße mitgegründet. Sie und ihre sechs Kolleginnen – allesamt freiberufliche Hebammen – haben dann erstmal ein Hygienekonzept entwickelt. „Jeden Tag musste man sich neu in die Vorschriften einlesen.“

Hebammen in Witten kritisieren spärliche Informationen zu Beginn der Corona-Krise

Schutzkleidung? „Hat uns keiner zur Verfügung gestellt und zu kriegen war ja zunächst nichts“, sagt Wierzba. „Wir wären zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen, eine infizierte Frau betreuen zu können.“ Inzwischen haben sie sich die notwendigen Dinge längst selbst besorgt.

Auch Laura Butz (25) aus Witten kritisiert, wie spärlich die Informationen – etwa vom Gesundheitsamt EN – geflossen seien. „Bis heute habe ich nichts Offizielles bekommen“, sagt Butz, die an der Hochschule für Gesundheit in Bochum studiert hat und seit 2018 als Hebamme im Einsatz ist. Die Verwirrung sei zunächst groß gewesen. „Die ersten Wochen musste ich auf eigene Gefahr arbeiten.“ Das meiste erledigte sie telefonisch. Dabei sei ihr Job eigentlich nicht über Telefon oder per Videochat zu leisten. „Vieles läuft übers Bauchgefühl.“

Bei der Geburtsvorbereitung sitzt das Paar jetzt zuhause auf der Couch

Das ist es, was auch Jeanne Wierzba vermisst. Schließlich zähle bei der Betreuung nicht nur der medizinische Aspekt. Die Gebärmutter abtasten, beim Stillen beraten – das geht auch mit Maske und Handschuhen. Geburtsvorbereitung, Rückbildungsgymnastik, Babymassage: läuft alles online. Paare sitzen also jetzt im Wohnzimmer auf der Couch vor dem Bildschirm und üben gemeinsam das Atmen. „Das hat erstaunlich gut funktioniert“, sagt Wierzba.

„Aber Schwangerschaft und Geburt sind sehr emotionale Themen. Wir sind den Frauen oft sehr nah, um sie mit ihren Sorgen und Ängsten auffangen zu können, nehmen auch mal in den Arm.“ Das geschehe jetzt nicht mehr. „Wir halten mehr Distanz.“ Außerdem dürfen sich während des Hausbesuchs keine Freunde in der Wohnung aufhalten, selbst der Partner oder Geschwisterkinder sollten nicht, wie sonst oft, im Zimmer anwesend sein.

Junge Mutter: Es tut gut, sich nur auf das Kind zu konzentrieren

Viele Frauen seien anfangs sehr aufgewühlt und verunsichert gewesen. „90 Prozent aller Schwangeren, die ich betreue, haben gefragt, ob ich überhaupt noch vorbeikommen würde“, sagt Laura Butz – was sie tat. Inzwischen sei ein Stück Normalität eingekehrt. Auch bei den Frauen, die die Hebammen betreuen.

Praxis und Elternschule

Seit 2010 gibt es die Hebammenpraxis Witten an der Stockumer Straße. Sieben freiberuflich tätige Frauen haben sich zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammengeschlossen. Jede Hebamme betreut etwa 70 Familien pro Jahr. Sie begleiten von der Schwangerschaft bis zur Zeit nach dem Wochenbett. Geburtshilfe bieten sie nicht an.

Außer dieser Praxis gibt es noch die Elternschule am Marien-Hospital. Das Angebot dort umfasst ebenfalls die Vorbereitung auf die Geburt und Elternzeit, Betreuung im Wochenbett sowie viele Informationsveranstaltungen. Außerdem gibt es in Witten viele Hebammen, die freiberuflich und allein tätig sind.

Solveig (23) hat vor knapp einer Woche ihre Tochter zur Welt gebracht. Es ist ihr erstes Kind und die Geburt unter Corona-Bedingungen habe sie nicht als beeinträchtigend erlebt. Natürlich sei sie im Vorfeld ein wenig verunsichert gewesen. „Aber man hat unter diesen Umständen eben doppelt auf sich und das Kind aufgepasst.“

Dass sie nach der Geburt außer Oma und Opa keinen Besuch empfangen durfte, fand Solveig nicht schlimm. „Es tut gut, wenn man sich in Ruhe erholen und nur auf das Kind konzentrieren kann“, sieht sie die Situation positiv. Auch der Austausch mit anderen jungen Müttern fehlt ihr nicht so sehr. Ihre Lösung: „Dann löchere ich einfach meine Hebamme mit Fragen.“

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