Witten. Normales Gießen war gestern. Säcke, die die Stämme von jungen Bäumen ummanteln, sollen diese jetzt mit Wasser versorgen. Ein Testlauf in Witten.

Die Stadt Herdecke macht’s, Wetter auch. Bochum hat im letzten Jahr damit begonnen: Damit junge Bäume in der Stadt auch trockene und warme Sommer überstehen, werden sie durch Plastiksäcke an den Stämmen mit Wasser versorgt. Mitarbeiter des Wittener Betriebsamtes haben am Freitag (31.7.) junge Linden und Ahorne auf dem Lärmschutzwall an der Elberfelder Straße in Bommern mit den ersten Bewässerungssäcken versorgt. Ein Testlauf, so Betriebsamtsleiter Hans-Georg Rentrop.

„75 Liter Wasser fasst so ein Sack“, erklärt Carsten Heier, der als Garten- und Landschaftsbaumeister im Betriebsamt für Wittens Stadtbäume zuständig ist. Der Charme der grünen PVC-Säcke: Sie geben das Wasser langsam, nämlich über einen Zeitraum von sechs bis neun Stunden in die Erde ab. Fällt der Stamm eines Baumes, den sie ummanteln, einmal dicker aus, können die Säcke auch über Reißverschlüsse miteinander verbunden werden.

Die Stadt Herdecke schaffte schon im Hitzesommer 2018 Bewässerungssäcke an

Das langsame Bewässern ist sehr wichtig, wenn die Erde, in dem ein Baum steht, sehr trocken ist. Was jeder von Balkonpflanzen kennt: Ausgetrocknete Erde nimmt das Wasser aus einer Gießkanne zunächst nicht auf. Das wertvolle Nass schwappt erst einmal wieder aus dem Topf heraus und fließt auf den Balkonboden. Dorthin, wo es nicht hingehört.

Ein Bewässerungssack ummantelt den Stamm eines jungen Baumes auf dem Lärmschutzwall an der Elberfelder Straße. Der Sack versorgt den Baum über Stunden zuverlässig mit Wasser.
Ein Bewässerungssack ummantelt den Stamm eines jungen Baumes auf dem Lärmschutzwall an der Elberfelder Straße. Der Sack versorgt den Baum über Stunden zuverlässig mit Wasser. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Dies sei auch der Fall, wenn man Jungbäume in trockener Erde auf die übliche Art bewässere, sagt Carsten Heier. Daher sei das neue Bewässerungssystem eine gute Idee. Die Stadt Wetter setzt in Zeiten des Klimawandels seit dem vergangenen Jahr auf Bewässerungssäcke. „Wir haben 80 Jungbäume damit ausgestattet“, so Stadtsprecherin Marietta Elsche. Bäume mit Säcken müssten aber genauso oft gegossen werden wie Bäume ohne. Die Säcke seien jedoch deutlich wassersparender. Beim Gießen mit dem Schlauch gehe bei trockenen, verhärteten Böden eben viel Wasser daneben.

Die Säcke werden auch in zwei Neubaugebieten in Rüdinghausen getestet

Auch die Stadt Herdecke lobt ihre mittlerweile 120 Bewässerungssäcke im Stadtgebiet. Sprecher Dennis Osberg: „Sie geben das Wasser tröpfchenweise an die Bäume ab und versorgen sie so gut.“ Auf die Kunststoffsäcke sei die Stadt im Hitzesommer 2018 gekommen.

Das Betriebsamt Witten wird das neue Bewässerungssystem nicht nur am Lärmschutzwall vor dem Neubaugebiet Bommeraner Heide testen, sondern auch im Neubaugebiet Brunebecker Feld und in der Neubausiedlung Mausegatt, beide in Rüdinghausen gelegen. Jeder dort eingesetzte Bewässerungssack kostet knapp 20 Euro. Sicherlich gut angelegtes Geld, wenn man junge Bäume damit besser durch trockene Sommer bekommt, mit deren Häufung auch Garten- und Landschaftsbaumeister Carsten Heier angesichts des Klimawandels rechnet.

Pilzkrankheit Massaria lässt Äste von Platanen wie Glas brechen

Carsten Heier ist als Garten- und Landschaftsbaumeister im Betriebsamt für Wittens Stadtbäume zuständig.
Carsten Heier ist als Garten- und Landschaftsbaumeister im Betriebsamt für Wittens Stadtbäume zuständig. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Wie zu viel Trockenheit und Hitze Bäume schädigen können, sieht Heier auch an Krankheiten, die Wittens Straßenbäumen – insgesamt gibt es 20.000 im Stadtgebiet – zusetzen. Bei Platanen, eigentlich robuste Straßenbäume, trete die Pilzkrankheit Massaria auf, sagt er. Diese befällt überwiegend ältere Platanen. Infolge des Pilzbefalls kann es zum Absterben von Zweigen und Ästen kommen. „Die Äste brechen dann wie Glas, was sehr gefährlich sein kann, wenn sie nach unten fallen.“

Dann gebe es Bergahorn in Witten, der an der sogenannten Rußrindenkrankheit leide. Ein Pilzbefall, der aussieht wie Ruß. Solche Bäume müssen umgehend gefällt werden. Nicht zuletzt, weil die Rußrindenkrankheit für den Menschen gefährlich werden kann, wie Carsten Heier sagt. Die Pilzsporen verteilen sich nämlich in der Luft und verursachen schwere Atemwegsprobleme. Intensiver Kontakt kann beim Menschen sogar zu einer Entzündung der Lungenbläschen führen.

Weißer Anstrich verhindert Sonnenbrand bei Bäumen

Beim Eichen-Prozessionsspinner sei in diesem Jahr zum Glück nur ein leichter Anstieg zu verzeichnen, so Heier. Am Wittener Hauptfriedhof habe man gute Erfahrungen mit dem Aufhängen von Nistkästen für Meisen gemacht. Die Larven des Eichen-Prozessionsspinners, der ein Schmetterling ist, stehen auf dem Speiseplan der Vögel. Wer sich im Lutherpark oder am Evangelischen Krankenhaus über weiß gestrichene Baumstämme wundert: Alles Sonnenschutz! Carsten Heier: „Bäume können, wenn sie der prallen Sonne ausgesetzt sind, genauso einen Sonnenbrand bekommen wie Menschen.“ Da verbrenne die Rinde, die dann aufplatze. „Dann haben Pilze ein leichtes Spiel und können den Baum schädigen. Das kann ein weißer Schutzanstrich verhindern.“

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