Witten. Unsichtbar und diskriminiert – so fühlen sich arbeitslose Mütter aus Witten. Fehlende Betreuung verhindere den Wiedereinstieg ins Berufsleben.
Als Mitte März Kitas und Schule wegen der Corona-Pandemie schlossen, stellte das die meisten Eltern – allen voran Alleinerziehende – vor große Probleme. Oft mussten die Betreuung von Kleinkindern, Homeschooling und die eigene Berufstätigkeit irgendwie unter einen Hut gebracht werden. Doch auch für arbeitslose Mütter in Witten war es eine schwere Zeit, verbunden mit vielen Zukunftssorgen. „Dass es uns auch mies geht, sieht niemand“, sagt Irene Malonda Vidal.
Die 30-Jährige treibt vor allem die Sorge um ihre berufliche Zukunft um. „Ich habe große Angst, keinen Ausbildungsplatz zu bekommen“, sagt die zweifache Mutter. „Auch, weil viele Firmen wegen der Corona-Krise nun eventuell vor dem Aus stehen.“ Mit einer Handvoll anderer Frauen bereitet sich Malonda Vidal derzeit im Aktivcenter der Awo in Witten auf den Wiedereinstieg ins Berufsleben vor, begleitet von Sozialpädagogin Beate Schwartz.
Beengte Wohnverhältnisse und mangelnde Ausstattung erschwerten arbeitslosen Müttern in Witten das Homeschooling
„Die Frauen haben das Gefühl, nicht gesehen zu werden“, sagt Schwartz. Beengte Wohnverhältnisse und oft fehlende Ausstattung mit Computern und Druckern hätten es ihnen während des Lockdown erschwert, die zahlreichen Hausaufgaben und die Kinderbetreuung zu stemmen. Dass einige Supermärkten Kindern den Zutritt verwehrt haben, machte das Einkaufen für Alleinerziehende zum Spießrutenlauf. „Das war sehr schwierig“, erinnert sich Sabrina Lohmann.
Die 31-Jährige ist gelernte Altenpflegehelferin. „Eigentlich könnte ich sofort wieder in den Beruf einsteigen“, sagt die Wittenerin, die seit acht Jahren arbeitslos ist. Das Hauptproblem ist für sie – wie für die meisten Alleinerziehenden – die fehlende Möglichkeit zur Kinderbetreuung.
Vergebliches Warten auf den OGS-Platz
Denn Sohn Nico (8) wartet derzeit noch vergeblich auf einen Platz in der OGS. Nach den Sommerferien kommt er in die dritte Klasse. Aber dass es in seiner Grundschulzeit noch etwas wird mit der Nachmittagsbetreuung – diese Hoffnung hat seine Mutter eigentlich schon aufgegeben. Denn die Wartelisten sind lang – und arbeitslose Mütter stehen nicht unbedingt auf den oberen Warteplätzen.
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Es ist der immer gleiche Teufelskreis: Ohne Job gibt es keinen Kinderbetreuungsplatz und ohne Kinderbetreuungsplatz keinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Das kennt auch Irene Malonda Vidal nur zu gut. Bis zu ihrer Schwangerschaft arbeitete sie als Raumpflegerin, dann wurde ihr Vertrag aufgelöst. „Von heute auf morgen stand ich ohne Job da“, erzählt die 30-Jährige.
„Wir wollen unseren Kindern doch auch ein Vorbild sein“
Das war vor mehr als sechs Jahren. Seitdem ist sie arbeitslos. In der Kita reichte es so für Tochter Alicia nur für einen 25-Stunden-Platz – zu wenig Zeit, um währenddessen eine Ausbildung zu machen. Nun kommt die Sechsjährige in die Schule. Und die Chancen auf einen OGS-Platz stehen gleich Null.
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Malonda Vidal möchte Heilerzieherin werden, mit behinderten Menschen arbeiten. Eine Teilzeit-Ausbildung zu ergattern, sei schwierig, berichtet sie. Alleinerziehende ohne Job sollten generell anders betrachtet werden, fordert die Wittenerin: „Wir wollen nicht arbeitslos sein. Wir wollen unseren Kindern doch auch ein Vorbild sein.“ Behandelt werde man aber wie ein Mensch dritter oder vierter Klasse.
Wunsch: Für den eigenen Lebensunterhalt sorgen können
Es fehle an allem: von Betreuungsmöglichkeiten zu Randzeiten bis hin zu einer angemessenen Beratung im Jobcenter. Malonda Vidal fühlt sich diskriminiert: „Das fängt bei der Jobvergabe an und hört mit der Wohnungssuche auf.“ Das sei auch der Grund, warum sie mit ihrer Tochter seit Jahren in einer viel zu kleinen Wohnung auf 45 qm lebe. Damit Alicia ein eigenes Kinderzimmer haben kann, schläft ihre Mutter im Wohnzimmer.
Awo hilft bei Integration in den Arbeitsmarkt
Das Aktivcenter der Awo im Celestian-Gebäude bietet im Auftrag des Jobcenters EN berufsvorbereitende Maßnahmen für arbeitslose und alleinerziehende Frauen an – Kinderbetreuung inklusive. Die Mütter entwickeln unter Anleitung erfahrener Sozialpädagoginnen Strategien, um sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Montags bis freitags wird zwischen 8 und 14 Uhr in Gruppen und in Einzelgesprächen gearbeitet. Dabei geht es nicht nur um die Suche nach einem geeigneten Berufsfeld. Unterstützung gibt es auch bei der Regelung einer verlässlichen Kinderbetreuung, Haushaltsorganisation und Suche nach einem Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Im Schnitt bleiben die Frauen sechs Monate in der Maßnahme.
Sabrina Lohmann und Irene Malonda Vidal wünschen sich mehr Unterstützung vom Staat und seinen Institutionen. Ihr Anliegen haben sie auch schon Bürgermeisterin Sonja Leidemann bei einer Bürgersprechstunde vorgetragen. Sie wollen eine Chance, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. „Ich will nicht die typische Hartz-IV-Mama sein“, sagt Sabrina Lohmann. „Ich will weg davon und selbst für unseren Lebensunterhalt sorgen.“
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