Witten. Thomas Petermann hat das gemacht, wovon andere nur träumen. Der Wittener reiste durch Indien und Südostasien - dreieinhalb Jahre lang.
Alles begann mit einer Abfindung, mit der Thomas Petermann seine Firma, für die er im Sauerland als Techniker tätig war, verließ. Der Wittener war nicht mehr verheiratet und hatte auch keine weiteren Verpflichtungen. Der Startschuss für die Idee, auf eine ganz große Reise zu gehen. Die Geschichte von einem, der sich aufmachte, sein Leben zu ändern und ferne Länder zu erkunden – dreieinhalb Jahre lang.
Der 52-Jährige ist ein ruhiger, besonnener Mann, aber auch einer, der den Nervenkitzel sucht. Thomas Petermann besaß einmal mehrere Motorräder, nahm an Rennen in ganz Europa teil. Urlaube verbrachte er mit seiner Frau früher gerne in Südostasien und der Karibik. „Reisen war immer mein Steckenpferd“, sagt er. Nach der Trennung von seinem Arbeitgeber wollte der Werkzeugmacher und Techniker eigentlich nur ein Jahr auf Reisen gehen. „Ich musste was an meinem Leben ändern, wollte die drei W-Fragen klären: Wo komme ich her? Wer bin ich? Wo will ich hin?“
In Indien hat Thomas Petermann schöne Landschaften, aber auch viel Armut gesehen
Ende 2015 löste Petermann seinen Hausstand in Aachen auf, wo er damals lebte. Im Januar 2016 begann sein großes Reise-Abenteuer. Für seine erste Etappe hatte er sich mit einem Inder verabredet, den er 2010 in Spanien kennengelernt hatte. Zusammen flogen die Männer ins indische Mumbai, das frühere Bombay, mit rund 20 Millionen Einwohnern heute die siebtgrößte Stadt der Welt. Von dort aus ging es weiter bis zur Südspitze Indiens. Danach reiste Petermann alleine weiter – fünf Monate lang kreuz und quer durch Indien, wo er mit dem Motorrad, zu Fuß, mit Zügen und Flugzeugen unterwegs war.
Am Strand von Goa verbrachte er seine Nächte in einer Hängematte. Er erlebte das weltbekannte Holi-Fest im indischen Pushkar, mit dem Inder den Frühling begrüßen, indem sie sich gegenseitig mit Farbpulver bewerfen. In Indien hat Thomas Petermann viele schöne Landschaften, aber auch viel Armut gesehen – und eine Bekanntschaft gemacht. Ein indischer Juwelier, den er kennengelernt hatte, lud ihn ein, eine Weile bei seiner Familie zu leben. „Ein strenger Hindu.“ Was Thomas Petermannn erlebte, waren sehr patriarchalische Strukturen. „Die eingeheiratete Schwiegertochter musste die ganze Familie bedienen und saß beim Essen selbst an einem Katzentisch.“
Alleine in einer Hütte am Strand mit einem Surfbrett
Drei Monate war der Wittener danach auf Sri Lanka mit dem Motorrad unterwegs. Sechs Wochen lebte er in einer Hütte am Strand, war alleine mit seinem Surfbrett. „Ich bin ein Meerfan“, sagt der 52-Jährige. Ein Weltenbummler, der keiner vorab festgelegten Reiseroute folgte. „Ich habe mich treiben lassen. Ich wusste nur, ich möchte unbedingt nach Angkor Wat in Kambodscha.“ Die dortige weltberühmte, über 1000 Jahre alte Tempelanlage sollte er auch zu Gesicht bekommen.
Der Fleecepullover flog zurück nach Hause
Unterwegs war Petermann immer mit leichtem Gepäck, das ihm auf der Reise dann noch viel zu schwer wurde. Alles passte in einen Rucksack: die Unterwäsche, zwei Hosen, T-Shirts, eine Badehose, ein paar Wanderschuhe, Sandalen und Flip-Flops. Einen Fleecepullover und eine Regenjacke, die er nicht brauchte, schickte er zurück nach Hause.
Nach seinem Aufenthalt auf Sri Lanka wusste Petermann zunächst nicht, wie seine Reise weitergehen soll. Bis er im Internet las, dass es einen Deutschen gab, der mit seinem 15 Meter langen Segelschiff zwei Jahre nach Australien gesegelt war und dort nun einen Mitsegler suchte. Der Bootseigner wollte zur thailändischen Halbinsel Phuket. Thomas Petermann traf sich mit ihm in der australischen Stadt Cairns. Der ursprüngliche Plan: „Wir wollten in drei Monaten bis nach Phuket segeln.“
Ein Segeltörn zu zweit von Australien nach Malaysia
Es sollte anders kommen: Petermann ging in Port Dickson in Malaysia von Bord, da der Segeltörn sich aufgrund von widrigen Wetterverhältnissen lange hingezogen hatte. So verbrachten die beiden Männer gemeinsam ein halbes Jahr auf dem Segelschiff. Ein Törn von Australien über die indonesische Insel Komodo, auf der die größten Warane der Welt leben, Bali und Singapur bis zur malaysischen Küstenstadt Port Dickson.
Das große sechsmonatige Meer-Abenteuer habe nichts von Südsee-Romantik gehabt, betont der Wittener. „Das war zu zweit auf dem Schiff harte Arbeit. Wir waren Tag und Nacht unterwegs, einer musste immer wach bleiben.“ Nach dem halben Jahr auf dem Boot wollte Thomas Petermann alleine weiterreisen – mit dem Bus und dem Zug quer durch Malaysia. Eine Etappe, bei der er sich verlieben sollte. „In George Town, auf der Insel Penang, habe ich eine Taiwanesin kennengelernt. Seither sind wir ein Paar.“ Von Malaysia aus zog es Petermann nach Thailand, Bangkok, von dort aus ging es mit einem Motorroller nach Sukhothai, die alte Königsstadt Siam, weltberühmt durch ihre jahrtausendealten Steinmonumente. „Ich bin bis zu den Grenzen von Siam und Kambodscha gefahren.“
„Man bekommt einen anderen Blick auf die Welt und auf sich selbst“
Das sogenannte goldene Dreieck erkundete er per Motorroller. Mit seiner Freundin reiste er anschließend durch Vietnam, erlebte in Hanoi ein beeindruckendes Drachenbootrennen auf dem Mekong. Auch die weltberühmte Tempelanlage Angkor Wat ging Petermann nicht aus dem Kopf – es ging also nach Kambodscha. Danach war er mit seiner Freundin in Taiwan verabredet. „Dort fahren die Züge pünktlich“, erzählt er schmunzelnd. „Und für eine 140 Kilometer lange Strecke in der ersten Klasse habe ich umgerechnet acht Euro bezahlt.“ Taiwan habe eine fantastische Landschaft, „in der Mitte der Insel liegen rund 3500 Meter hohe Berge“, schwärmt Petermann von der Heimat seiner Freundin. Den oft bemühten Satz „Reisen bildet“, kann der 52-Jährige nur unterstreichen. „Man bekommt einen anderen Blick auf die Welt und auf sich selbst.“
In Witten aufgewachsen
Thomas Petermann, der vor seiner Heirat Thomas Mähler hieß, ist in Witten aufgewachsen. Er hat das Schiller-Gymnasium besucht und nach der Mittleren Reife verlassen. Bei Siemens in Witten machte er eine Lehre als Werkzeugmacher, danach die Fachhochschulreife.
In Aachen war Thomas Petermann an der Fachhochschule für Luft-und Raumfahrttechnik eingeschrieben. Danach war er als Werkzeugmacher und Techniker für einen Ingenieurdienstleister tätig, zuletzt für einen Automobilzulieferer im Sauerland.
Im August 2019 kehrte der Weltenbummler nach Witten zurück. Während seiner dreieinhalbjährigen Reise durch Indien und Südostasien ist er immer gesund geblieben. Der 52-Jährige führt dies auch darauf zurück, dass er immer scharf gegessen hat. „Danach gab es stets einen Schnaps.“ Eine Weltreise, wie er es sich 2016 vorgenommen hatte, hat er nicht geschafft. Nach Südamerika, noch ein Wunschziel, ist er nicht gekommen. Stattdessen absolvierte er ab September 2019 eine halbjährige Ausbildung, die den Techniker jetzt für eine Arbeit in der Entwicklungshilfe qualifiziert.
„Es gibt keine Garantie dafür, dass die Dinge so laufen, wie man das gerne hätte“
In diesem Februar war Thomas Petermann acht Tage mit dem Verein Ethiopia Witten in Äthiopien, hat Schulen in der dortigen Tigra-Region und ein Krankenhaus in der Stadt Mek‘ele besucht. Petermann kann sich vorstellen, für Entwicklungshilfe-Projekte in Malaysia zu arbeiten – der Wahlheimat seiner Freundin Yvonne Huang Yi Fang. In Deutschland, sagt er, hätten viele Menschen ein großes Bedürfnis nach Sicherheit. „Alles wird versichert, aber es gibt im Leben keine Garantie dafür, dass die Dinge so laufen, wie man das gerne hätte.“ Derzeit wird Petermanns Reiselust durch die Corona-Pandemie gestoppt. Was ihm sein über dreijähriges Abenteuer zeigte: „Man sollte immer den Mut haben, etwas zu verändern. Denn es ist möglich - wenn man den Mut hat!“