Witten. Endlich wieder die Eltern umarmen oder sie auf dem Zimmer besuchen: Das ermöglichen die neuen Lockerungen in Altenheimen. Doch Skepsis bleibt.
Ab sofort dürfen Angehörige, die Vater oder Mutter in einem Wittener Altenheim besuchen, die Eltern endlich umarmen. Bewohner, die noch mobil sind, dürfen wieder ins Dorf, zur Bank oder ein Eis essen gehen. Ab 1. Juli sind zudem Besuche auf den Zimmern möglich. "Das alles war lange weit weg", sagt André Löckelt. Der Geschäftsführer des Josefshauses in Herbede freut sich über diesen Schritt Richtung Normalität: "Für die Bewohner ist das ein unheimlicher Segen."
Lange lebten sie in den Seniorenzentren wegen der Corona-Pandemie beinahe isoliert. Mitte Mai, ab Muttertag, waren zumindest streng geregelte Kurzbesuche möglich: meist nur ein halbes Stündchen, auf Abstand und mit Maske. Berührungen blieben tabu. Die Mitarbeiter haben dies mit viel Aufwand gemanagt. "Doch inzwischen merkt man, dass die Angehörigen durch die allgemeinen Lockerungen im normalen Umfeld mehr einfordern", so Löckelt. "Warum müsst ihr so streng sein?", hieße es oft. Der Ton sei durchaus rauer geworden.
Besuche auf dem Zimmer sind auch in Wittener Heimen ab 1. Juli möglich
Da komme die neue Verordnung des NRW-Gesundheitsministeriums, von der die Heime am Freitag (19.6.) erfahren haben, gerade recht. Am Montag darauf haben sie sich in den Häusern zusammengesetzt und überlegt, wie das nun wieder umzusetzen sei. Im Herbeder Josefshaus dürfen Angehörige ab dem 1. Juli täglich von 9 bis 18 Uhr ohne Anmeldung einen der 80 Bewohner auf dem Zimmer besuchen. Einen Mundschutz müssen sie natürlich trotzdem tragen und ihre Hände an der Pforte desinfizieren.
Im Übrigen, so Löckelt, hätten bettlägerige Bewohner sowie Palliativ-Patienten von Anfang an Besuch auf dem Zimmer erhalten dürfen. Auch Besichtigungen seien möglich gewesen. Private Möbel, etwa von Neuankömmlingen oder bei Neuanschaffungern, hätten zur Sicherheit vier Tage im Keller gelagert. Über ein zweites, hinteres Treppenhaus hätten sie hinein- oder hinaustransportiert werden können.
Mitte Juli soll auch der Speisesaal im Josefshaus wieder geöffnet werden. "Die Veranstaltungen im Innenhof werden wir beibehalten", sagt Leiter Löckelt - zumal in der warmen Jahreszeit.
Wittener Altenheimleiter: Unser Haus muss offen sein
"Erfreulich" bewertet Andreas Vincke die Lockerungen. "Unser Haus muss offen sein", betont der Leiter der Feierabendhäuser am Schwesternpark. Trotzdem könne er sich nicht beklagen, denn in den vergangenen Wochen sei alles gut gelaufen. "Die Angehörigen waren sehr vorsichtig und verständnisvoll", sagt er und spricht auch seinen Mitarbeitern ein großes Lob aus, die etliche Überstunden gemacht hätten. Sie haben Bewohner zum Friseur, zur Fußpflege oder zum Besuchstermin gebracht. Sie haben Waffeln nicht im Café gebacken, sondern in den einzelnen Wohnbereichen.
Dass ab 1. Juli Besuche auf dem Zimmer möglich sind, bedeute ein Stück Entlastung. Vincke: "Wir geben da einen Teil der Verantwortung an Bewohner und Angehörige ab." Er erwarte, dass jeder umsichtig mit der neuen Freiheit umgehe.
Eine neue Regel gibt es im Awo-Haus an der Kreisstraße
So sieht das auch Monika Pytlik, die das Awo-Seniorenzentrum an der Kreisstraße in Annen leitet. Sie sagt: "Wenn sich alle an die Regeln halten, können die neuen Lockerungen eine Erleichterung sein." Trotzdem wolle man darauf achten, dass nun nicht zu viele Menschen auf den Fluren herumlaufen.
Eine neue Regel wird es an der Kreisstraße, wo sich bislang alle sehr diszipliniert verhalten hätten, dennoch geben: "Wir werden bei den Besuchern die Temperatur messen." Pytlik empfiehlt, gerade jetzt im Sommer: "Alles, was draußen stattfindet, ist unbedenklicher."
Eine leichte Skepsis angesichts der neuen Lockerungen bleibt dennoch. Monika Pytlik: "Es geht um ein besonders schützenswertes Klientel, und tausendprozentige Sicherheit gibt es nicht." Auch Andreas Vincke ist klar: "Das Risiko erhöht sich." André Löckelt vom Josefshaus fasst zusammen, was er und seine Mitarbeiter denken: "Man hat Angst, dass was passiert. Hoffentlich geht das gut."
>>> Info:
Ende März gab es den ersten bestätigten Corona-Fall in einem Wittener Altenheim. Betroffen war das Awo-Seniorenzentrum an der Egge. Am 7. und 8. April hatte das Gesundheitsamt dort vorsorglich alle 172 Bewohner und 145 Beschäftigten testen lassen.
Dabei stellte sich heraus, dass eine Mitarbeiterin und eine weitere Bewohnerin infiziert waren. Laut EN-Kreis seien seitdem keine weiteren Corona-Fälle in Wittener Altenheimen bekannt.