Witten. Ohne Abstand und Maske sollen Grundschüler ab dem 15. Juni unterrichtet werden. Wittener Lehrer sagen: „Wir fühlen uns wie Versuchskaninchen.“

Grundschüler in NRW sollen überraschend ab dem 15. Juni wieder regulär unterrichtet werden. Zwei Wochen vor den Sommerferien - macht das Sinn, ist das umsetzbar? Die Stimmung an Wittens Grundschulen ist gemischt: Für Eltern und Kinder sei dies eine gute Nachricht, aber viele Lehrkräfte sagen auch: „Wir fühlen uns wie Versuchskaninchen.“

Unisono hört man: „Wir freuen uns wahnsinnig, die Kinder wiederzusehen.“ Als Schulleiterin Alexandra Schüler diese Nachricht am Morgen den Zweitklässlern der Grundschule Vormholz verkündet hat, brach lauter Jubel aus. Kritisch wertet die Rektorin aber die Ankündigung, dass im Klassenverband ohne Masken und Abstandsregeln unterrichtet wird. „Alles, was wir den Kindern gerade beigebracht haben, ist wieder hinfällig.“

Rektorin: „Wir sehen uns im Sommer in Quarantäne zuhause sitzen“

„Wir wissen nicht, wie wir den Infektionsschutz gewährleisten können“, sagt die Rektorin der Rüdinghauser Grundschule, Beatrix Ruhnke, ganz deutlich. „Das ist nicht nachvollziehbar.“ Sie schildert die Sorgen der Kollegen: „Wir haben uns alle auf den Sommerurlaub gefreut und sehen uns in Quarantäne zuhause sitzen.“ Ihr Kollegium hätte gern das Schuljahr so zu Ende gebracht, wie es nun gerade mühsam organisiert worden war. Vor allem die Kurzfristigkeit der Ankündigung ärgert viele Rektorinnen. „Wir haben in so kurzer Zeit soviel für den Infektionsschutz auf die Beine gestellt. Und das ist jetzt alles nicht mehr relevant“, fragt sich auch Susanne Daum, die die Bruchschule leitet. „Da fühlt man sich vereimert.“

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Von Matthias Korfmann und Christopher Onkelbach

Für Wittens Grundschulen bedeutet die neue Ankündigung von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer eine große Umstellung. Derzeit besuchen Grundschüler einmal pro Woche den Unterricht, aufgeteilt in Kleingruppen. Ab 15. Juni soll im Klassenverband unterrichtet werden. Die Klassen sollen sich aber nicht treffen, so dass Anfangs- und Pausenzeiten versetzt werden müssen. Das Personal fehle an allen Schulen. „Es gibt überall Kolleginnen, die schwanger oder vorerkrankt sind“, sagt Susanne Daum. „Einen kompletten Stundenplan können wir gar nicht leisten. Und: Schon jetzt ächzen die Lehrkräfte. „Dadurch, dass versetzt unterrichtet wird, hat man nie Pause.“

Unterricht geht, aber keine Abschlussfeier

„Wir werden das hinbekommen“, beruhigt Andreas Strätling von der Baedekerschule. Noch könne er nicht einschätzen, wie die Eltern diese Entscheidung finden. „Wir dürfen zum Beispiel keine Abschlussfeier für die Viertklässler geben. Aber 25 Kinder zeitgleich in einem Raum zu unterrichten - das geht?“

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An Schulen mit Kindern aus sozial schwachem Umfeld findet die Entscheidung aber auch Anklang. Susanne Daum weiß von Eltern, die ohne die Kinderbetreuung in Existenznot kommen. „Und wir haben das Gefühl, dass wir einige unserer Kinder in der Coronazeit verloren haben“, sagt Susanne Daum. Den verpassten Stoff könne man in den zwei Wochen nicht nacharbeiten, „da geht es vielmehr um Beziehungsarbeit“.

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