Witten. Zwei Wittener Studenten arbeiten bei der Corona-Hotline des Gesundheitsamtes. Dafür brauchen sie Wissen – und viel Einfühlungsvermögen.

Zuhause warten Prüfungsvorbereitungen und eine Masterarbeit auf sie, aber in Corona-Krisenzeiten wollen Kristof Szekely (25) und Lanre Aranmolate (27) noch mehr leisten: Die beiden Studenten der Universität Witten/Herdecke arbeiten seit vier Wochen täglich im Gesundheitsamt des Ennepe-Ruhr-Kreises und beraten Bürger in Corona-Fragen. Dabei haben sie schnell festgestellt: Neben fachlicher Kompetenz ist bei den Gesprächen vor allem Einfühlungsvermögen gefragt.

Ich fühle mich krank – kann ich einen Abstrich bekommen? Ich war in Holland – muss ich jetzt in Quarantäne? Ich habe eine Physiotherapie-Praxis – wie komme ich an Schutzmaterial? Ich bin Risikopatient – wie kann ich mich schützen? Fragen wie diese hören Aranmolate und Szekely zigmal am Tag. Wenn sie um 7.30 Uhr ihre Schicht im Gesundheitsamt beginnen, blinkt der Anrufbeantworter meist schon.

Experten für die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts

Schnell sind die beiden Experten geworden, was die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts (RKI) betrifft. „Es gibt klare Vorgaben, nach denen wir entscheiden können, ob zum Beispiel ein Abstrich genommen werden muss oder eine Quarantäne nötig ist“, sagt Aranmolate, der im vierten Mastersemester Psychologie studiert. In solchen Fällen erklären sie den Anrufern, was auf sie zukommt und nehmen ihre Daten zur weiteren Bearbeitung ins System auf.

Schwieriger wird es beizeiten, wenn sie einem Anrufer den Corona-Test verweigern müssen, zum Beispiel, weil dieser keinerlei Symptome aufweist, die RKI-Kriterien also nicht erfüllt. „Manche reagieren dann erstmal sehr ungehalten“, sagt Aranmolate. „Ich kann das gut verstehen. Die Menschen haben Angst und fühlen sich allein gelassen.“ Dann sei es wichtig, die Gründe für die Richtlinien zu erklären und Verständnis dafür zu wecken.

„In der Praxis gibt es Einzelfälle, die nicht ins Schema passen“

Auch wenn die Kriterien auf den ersten Blick glasklar erscheinen, helfen sie nicht immer weiter: „Die Richtlinien können noch so gut durchdacht sein, in der Praxis gibt es trotzdem Einzelfälle, die nicht ins Schema passen“, hat Aranmolate festgestellt. Solche Fälle und andere Fragen, die sie nicht selbst beantworten können, besprechen die beiden Studenten mit den Mitarbeitern des Bereichs Gesundheitsaufsicht und gesundheitlicher Umweltschutz.

„Das macht die Arbeit hier sehr spannend“, findet der 27-Jährige. „Zum Einen ist der Überblick über das große Ganze gefragt, zum Anderen auch Kreativität in der Praxis.“ Die Kompetenz im Team Gesundheitsaufsicht sei beeindruckend, sagen beide Studenten übereinstimmend. Ebenso wie der Umgang mit den Menschen. Das sei ihnen schon an ihrem ersten Tag in der Kreisverwaltung aufgefallen, als sie den Kollegen beim Beantworten von Bürgerfragen zuhörten. „Es hat mir sehr gut gefallen, dass die Mitarbeiter hier versuchen, bei allen Richtlinien auch die Situation der Menschen zu sehen und darauf einzugehen“, sagt Aranmolate.

Weil dies auch den beiden Studenten selbst sehr gut gelingt, weil sie sich als äußerst engagiert und zuverlässig erwiesen haben, sind sie für das Gesundheitsamt des Ennepe-Ruhr-Kreises ein Glücksgriff. „Weil sie ganz am Ende ihres Studiums stehen und bereits umfangreiche Fachkenntnisse haben, können sie unsere Arbeit sehr gut unterstützen. Das ist im Moment viel wert“, sagt Astrid Hinterthür, Leiterin des Fachbereichs Soziales und Gesundheit sowie des Krisenstabs. Und weil die Verunsicherung in der Bevölkerung noch immer groß ist, wird das Team ab der nächsten Woche noch einmal aufgestockt. Dann unterstützen zwei weitere Studentinnen der Universität Witten/Herdecke das Gesundheitsamt.

300 Studierende machen bei CoronAid mit

Wenige Tage nachdem Mitte März alle Schulen und Universitäten geschlossen wurden, gründete Dr. Christian Scheffer, Oberarzt am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke und Dozent an der Universität Witten/Herdecke, die Initiative CoronAid.

Freiwillige Studierende sollen je nach Qualifikation an verschiedenen Stellen eingesetzt werden, um bei der Bewältigung der Corona-Krise mitzuhelfen. Innerhalb kürzester Zeit meldeten sich 300 Studierende. Sie arbeiten zum Teil in Krankenhäusern und Notfallambulanzen, unterstützen aber – wie beim Gesundheitsamt der Kreisverwaltung – auch in der Beratung.

Für Aranmolate und Szekely ist derweil klar: Sie bleiben, solange sie gebraucht werden. „Jeder kann sich in dieser Situation irgendwie einbringen. Als Medizinstudent halte ich es für selbstverständlich, dass ich meine Hilfe an einer Stelle anbiete, an der meine medizinischen Vorkenntnisse gut eingesetzt werden können“, sagt Szekely. Und Aranmolate ergänzt: „Um die Krise besser zu bewältigen, brauchen wir einfach an vielen Stellen Freiwillige.“

Auch interessant