Witten. Zweimal in der Woche musizieren vier Anwohner der Freiligrathstraße vor ihrer Haustür. Ein Lied rührt die Nachbarn dabei ganz besonders.

Es ist kurz nach 19 Uhr und die Glocken der St. Joseph Kirche hören auf zu läuten. Da ertönen die ersten Zeilen von „Glückauf, der Steiger kommt“, dazu spielen E-Gitarre, Bass und Trommel. Angestimmt werden sie von vier Bewohnern der Häuserreihe in der Freiligrathstraße 56, die in ihrer Nachbarschaft zweimal die Woche für ein kurzes, aber knackiges Stimmungshoch sorgen. Kurz nach Beginn der Corona-Krise kamen die Annener Willi Wolters, Rolf Steffen, Markus Bräuer und Martin Pohl auf die Idee, sich gemeinsam - aber jeder vor seiner Haustür - mit ihrer Musik die Zeit zu vertreiben. Auch die Nachbarschaft lassen sie daran teilhaben.

Markus Bräuer (r.) und Rolf Steffen sind zwei der vier Hobby-Musiker, die in der Nachbarschaft der Freiligrathstraße Straßenmusik spielen.
Markus Bräuer (r.) und Rolf Steffen sind zwei der vier Hobby-Musiker, die in der Nachbarschaft der Freiligrathstraße Straßenmusik spielen. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

„Angefangen hat alles, als ich am Fenster stand und für mich allein gespielt habe. Mein Nachbar Rolf hat mich gehört und vorgeschlagen, dass wir doch auch mal zusammen vor der Tür spielen könnten“, erzählt Willi Wolters, der die Musikstücke mit E-Gitarre und Stimme begleitet.

Vor der Corona-Krise haben sie nie zusammen gespielt

Die Hobby-Musiker leben schon seit 25 Jahren in den alten Bergmannshäusern der Freiligrathstraße 56 a-e. Obwohl jeder der vier Wittener regelmäßig Musik mache, haben sie vor der Corona-Krise nie zusammen gespielt, erzählt Rolf Steffen, während er seinen Bass stimmt. „Weil momentan so wenig zu tun ist, war es ein guter Zeitpunkt, um damit anzufangen“, sagt der 61-Jährige.

Und die Hobby-Band kommt gut an: Mittlerweile versammeln sich bis zu 20 Nachbarn auf der Straße -- natürlich mit Abstand. Zu den verschiedenen Musikstücken wippen die Zuhörer im Takt oder singen von ihren Balkonen aus mit. Neben zwei Liedern, die immer variiert werden, ist „Glückauf, der Steiger kommt“ fester Bestandteil des Auftritts. Für das Traditionslied des Ruhrgebiets holt Martin Pohl sogar seine alte Mundharmonika hervor.

Petra (62) und Marvin (28) Wolter freuen sich über Straßenmusik in der Nachbarschaft der Freiligrathstraße zu Corona-Zeiten.
Petra (62) und Marvin (28) Wolter freuen sich über Straßenmusik in der Nachbarschaft der Freiligrathstraße zu Corona-Zeiten. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Nachbarin Manuela Schievelbusch ist begeistert. Jedes Mal, wenn die vier Hobby-Musiker vor ihre Haustür treten um zu spielen, sitzt sie gemeinsam mit ihrem Hund auf dem Balkon im Haus gegenüber und genießt. „Das war eine ganz schöne Überraschung, als die vier das erste Mal gespielt haben. Ich hätte nie gedacht, dass wir so talentierte Musiker bei uns wohnen haben“, erzählt die Wittenerin staunend. Sogar der ein oder andere Autofahrer halte an, um zuzuhören, sagt die Annenerin, dann nippt sie an ihrer Weißweinschorle.

Marvin, Sohn von Willi Wolters, ist sichtlich stolz auf seinen Vater. „Ich finde es eine tolle Idee, gemeinsam Musik zu machen. Die Nachbarschaft ist dadurch in diesen schweren Zeiten noch viel enger zusammen gerückt“, erzählt der 28-Jährige.

Weitere Auftritte in Planung

In dieser Woche ist der nächste Auftritt der Hobby-Musiker von der Freiligrathstraße am Sonntag um 19 Uhr geplant. Generell treten sie zweimal die Woche, meist mittwochs und sonntags auf.

Für die Auftritte proben die vier Annener, jeder in seinem Garten, hinter der Häuserreihe. Getrennt voneinander, und doch gemeinsam.

Es ist Musik gegen die Einsamkeit. Dass die Musiker hin und wieder aus dem Takt geraten ist nicht der Rede wert – der schallende Applaus der Nachbarn spricht Bände. Die Bewohner der Freiligrathstraße werden wohl noch einige Zeit in den Genuss der Musikkünste von Willi, Rolf, Markus und Martin kommen – denn die vier wollen weiterspielen, solange Corona die Welt in Atem hält.

Manuela Schievelbusch freut sich schon auf nächsten Sonntag. Denn sobald die Glocken der Kirche um 19 Uhr verstummen, werden wieder alle Nachbarn singen: „Glückauf, der Steiger kommt!“.

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