Witten. 2014 hat der Wittener Bäckermeister Andreas Grasshoff seine Koffer gepackt und flog nach New York. Warum die Weltmetropole seine neue Heimat ist.

Andreas Grasshoff ist gebürtiger Wittener. Der heute 58-Jährige machte sein Abitur auf dem Albert-Martmöller-Gymnasium, wurde Bäcker- und Konditormeister, studierte Betriebswirtschaft und war als Familienunternehmer viele Jahre lang Chef des Backhauses an der Dortmunder Straße. Im Mai 2014 begann für Andreas Grasshoff ein neues Leben in New York City. Warum er - auch in Corona-Zeiten - so gerne in der Weltmetropole am Hudson-River lebt, darüber sprach er mit unserer Redaktion am Telefon.

Warum hat Sie New York so fasziniert, dass Sie vor sechs Jahren dorthin gezogen sind?

Der Wittener Bäcker- und Konditormeister Andreas Grasshoff lebt seit sechs Jahren in New York City. Seit drei Wochen verlassen seine Freundin und er aufgrund der Corona-Pandemie ihre Wohnung in Manhattan nicht mehr.  
Der Wittener Bäcker- und Konditormeister Andreas Grasshoff lebt seit sechs Jahren in New York City. Seit drei Wochen verlassen seine Freundin und er aufgrund der Corona-Pandemie ihre Wohnung in Manhattan nicht mehr.   © Grasshoff | Grasshoff

Grasshoff: Ich war 2006 zum ersten Mal mit meiner damaligen Frau Iris in New York City. Unsere Backhaus-Mitarbeiter hatten uns einen Kurztrip zum Christmas-Shopping geschenkt. Die Stadt hat mich sofort fasziniert. In New York City ist die Welt zuhause. Am 31. Mai 2014 bin ich hier mit drei Koffern und einem Motorradhelm gelandet. Ich habe Witten verlassen, weil es ein Gerichtsverfahren gegen mich gab, das aber im September 2014 eingestellt wurde. Ich bin nach New York gegangen, auch um Schaden von meinen Unternehmen abzuwenden.

„In New York werde ich als Deutscher wahrgenommen"

Wo wohnen Sie, was machen Sie heute beruflich? Stehen Sie jetzt in Amerika in der Backstube?

Ich wohne mit meiner Lebensgefährtin mitten in Manhattan, in der 59. Straße, in unmittelbarer Nähe des Central Parks. Ich habe hier eine Firma gegründet, bin ein deutscher Investor und Vizepräsident des größten Lions-Clubs in der Stadt. In New York werde ich als Deutscher wahrgenommen - mit den bekannten Tugenden Pünktlichkeit und Zielstrebigkeit. In New York kann ich diese Tugenden mit Visionen verbinden. In Deutschland ist man ja oft der Ansicht, was gut ist, soll immer so bleiben. Neues muss sich erst beweisen, bevor es in Deutschland akzeptiert wird. Das ist in New York City anders. Hier leben übrigens rund 50.000 Deutsche! Und man kann feststellen: Die Deutschen werden im Ausland deutscher.

In was investieren Sie als deutscher Investor?

Ich halte zwei Patente an Herstellungsverfahren für eine neue Backware. Dieses ist zuerst für den amerikanischen und anschließend für den europäischem Markt bestimmt. Ich war auch in meiner Wittener Zeit kreativ, habe für meine spanische Firma Kaffeemaschinen und eine Porzellan-Serie designt. Meine Freundin, eine gebürtige Texanerin, leitet ein internationales Mode-Unternehmen.

„Ich bin in 20 Minuten am Strand, in einer Stunde in riesigen Waldgebieten"

Wo haben Sie sich kennengelernt?

Bekannte haben uns zusammengebracht, da wir leidenschaftliche Unternehmer sind, die Leidenschaft für hervorragende Restaurants und die Liebe zu den Motorrädern von Harley-Davidson gemeinsam leben. Im vergangenen Jahr haben wir in der Weihnachtszeit zusammen Witten besucht. Meine Eltern leben noch in Witten.

Vermissen Sie nicht manchmal die überschaubare Wittener Welt und das viele Grün, das Sie in Ihrer alten Heimat genießen konnten?

Nein. Ich bin in 20 Minuten am Strand, in einer Stunde in riesigen Waldgebieten und in weniger als zwei Stunden in einer schneebedeckten Bergwelt.

„Durch Corona ist das öffentliche Leben zum Erliegen gekommen"

New York City in Corona-Zeiten - eine Stadt mit vielen, vielen Toten. Das ist das, was deutsche Fernsehzuschauer erschreckt, wenn Sie derzeit Bilder aus Ihrer neuen Wahlheimat sehen.

Wir haben hier viele Tote, weil wir viele Menschen sind. In New York City leben rund 9,4 Millionen Einwohner. Durch Corona ist das öffentliche Leben in den Straßen gänzlich zum Erliegen gekommen. In den Straßen gibt es nur noch rund drei Prozent des sonst üblichen Autoverkehrs! Manhattan (Sutton Place), wo meine Freundin und ich leben, ist ein gut situiertes Viertel. Die Menschen wissen, wie man sich in Corona-Zeiten zu verhalten hat. In unserem Viertel sieht man zum Beispiel niemanden ohne eine Schutzmaske auf der Straße.

Wie hat Corona Ihr Leben verändert?

Wir haben unsere Wohnung seit drei Wochen nicht mehr verlassen. Meine Freundin arbeitet aus ihrem Homeoffice. Ich bin vor Corona gerne mit meiner Harley-Davidson durch die Stadt gefahren. Meine Freundin fährt auch gern Motorrad. Das machen wir jetzt nicht mehr. In New York City gehen Menschen gerne aus. Auch dies ist derzeit nicht möglich. Ich glaube, dass die Erkrankungswelle sich jetzt aufs Land ausbreiten wird, dass das Leben in New York City ab Mitte Mai langsam wieder anlaufen wird. Aber wir werden weiterhin diejenigen schützen, die geschützt werden müssen, also Alte und Kranke.

„Mein Ziel ist es, ein New Yorker zu werden"

Haben Sie einen Plan, einen Wunsch für die Zeit nach Corona?

Oh ja! Meine Freundin und ich werden mit Freunden, Autos und Motorrädern eine Reise nach Tennessee und nach Atlanta machen.

Können Sie sich vorstellen, einmal wieder nach Witten zurückzukehren?

Nein! Mein Ziel ist es, ein New Yorker zu werden und ein Teil der Kraft, die man nur hier erleben kann. Mein Sohn Julian, der mit seiner Mutter jetzt die Backhäuser in Witten, Bochum, Wuppertal und Unna betreibt, hat zu mir einmal gesagt: ,Du hast die Eigenschaft, den Ort, an dem Du lebst, schnell als Heimat zu verstehen.' So ist es! Hier in New York, dieser internationalen Stadt, habe ich die Welt vor der Tür. Das ist sehr inspirierend!

>>> Corona-Pandemie

Die USA sind das Epizentrum der Corona-Pandemie. In keinem Land der Welt haben sich bislang mehr Menschen mit dem Virus infiziert - bisher über 600.000.

Rund 26.000 Todesfälle sind in den Vereinigten Staaten zu beklagen, wobei keine andere Stadt in den USA schlimmer von dem Ausbruch des Corona-Virus betroffen ist als die Millionen-Metropole New York.