Witten. Norderney und sein Haus am Weststrand zählen zu den Lieblingszielen vieler Wittener. Aber die Corona-Pandemie hat auch die Insel nicht verschont.
Im Oktober letzten Jahres freute sich der Evangelische Kirchenkreis Hattingen-Witten darüber, dass sein „Haus am Weststrand" binnen fünf Tagen für das ganze Jahr 2020 ausgebucht war. Jetzt, in den Osterferien, steht die 1894 erbaute weiße Villa leer - seit Jahrzehnten beliebtes Reiseziel vieler Wittener. Die Corona-Pandemie hat auch die Nordseeinsel nicht verschont.
Vor allem Gemeindefreizeiten hatten sich im vergangenen Jahr frühzeitig für einen Norderney-Urlaub 2020 angemeldet und für etwa 1000 Menschen knapp 20.000 Übernachtungen gebucht, sagt Matthias Küstermann, der als Geschäftsführer von Witten aus für das Haus am Weststrand verantwortlich ist. 24.000 bis 25.000 Übernachtungen habe das Haus jährlich, so Küstermann. Neun Mitarbeiter sorgen auf Norderney dafür, dass der Aufenthalt für die Gäste zu einem Genuss wird - auch bei Tagungen des Kirchenkreises Hattingen-Witten sowie Fortbildungsveranstaltungen. Geschäftsführer Küstermann freut sich über schwarze Zahlen, die das Haus am Weststrand bislang immer schrieb, dessen jährliche Personalkosten sich auf 500.000 Euro belaufen.
Polizei fuhr durch die Insel-Straßen und forderte die Gäste zur Abreise auf
Die Corona-Krise hat am 17. März das Urlaubsvergnügen am Nordseestrand beendet. Gäste wurden auf der ganzen Insel gebeten, bis spätestens Sonntag, 22. März, abzureisen. Schweren Herzens packten viele ihre Koffer, sagt Kurdirektor Wilhelm Loth auf Anfrage unserer Redaktion. Manche hätten die leider notwendige Abreise bis zuletzt hinausgeschoben. Loth: „Die Polizei fuhr durch die Straßen und forderte die Menschen auf, die Insel zu verlassen. Das waren unschöne Szenen. Aber die Maßnahmen dienen dem Schutz der Inselbevölkerung und der Gäste."
Wie lange Corona das Leben auch auf Norderney und seinen ostfriesischen Nachbarinsel lahmlegt, soll sich in diesen Tagen entscheiden. Jetzt, nach Ostern, will die niedersächsische Landesregierung die Lage auf Grundlage der Infektionszahlen bewerten. Norderneys Kurdirektor geht davon aus, dass seine Insel auch über Samstag (18. April) hinaus - der bisherige Stichtag - keine Feriengäste wird aufnehmen können. Wenn dann der Inselbetrieb irgendwann wieder anlaufe, werde dies mit Sicherheit zunächst nur mit großen Auflagen und langsam und schrittweise möglich sein.
Freund des Kurdirektors starb auf dem Festland am Corona-Virus
Die bisherige stolze jährliche Bilanz des Norderneyer Kurdirektors: 600.000 Gäste, 60 Prozent davon aus NRW, drei Millionen Übernachtungen. Die Corona-Pandemie treffe seine Insel, die zu 100 Prozent vom Tourismus abhängig sei, zur ungünstigsten Zeit, sagt Wilhelm Loth. „Im Frühjahr ist Saisonauftakt. Mit dem Ostergeschäft werden schon finanzielle Polster für den Winter aufgebaut. Die werden uns fehlen."
Dass Norderney derzeit keine Urlauber empfangen darf, ist alternativlos. Dies zeigt auch eine Zahl. Bis Dienstag (7. April) habe es auf der Nordseeinsel sieben Corona-Kranke geben, so Loth. Vier Menschen seien bis zu diesem Tag schon wieder genesen. Sehr traurig: Ein guter Freund des Kurdirektors verlor den Kampf gegen das Virus in einem Krankenhaus auf dem Festland, in Emden.
Die Norderneyer erfahren viel Zuspruch durch ihre Gäste
Nachdem Norderney drei Wochen komplett von der Außenwelt abgeschottet war, gibt es seit der Karwoche eine kleine Inselöffnung. Norderneyer dürfen wieder auf das Festland fahren, um etwa Verwandte zu besuchen oder einen Arzt aufzusuchen. Auch Berufspendler können wieder mit der Fähre übersetzen.
Die Stimmung auf der Insel sei nicht schlecht, betont der Kurdirektor. „Es passiert in diesen Tagen auch viel Gutes. Die Menschen haben jetzt Zeit. Die Leute gehen raus, man grüßt sich, spricht miteinander - mit dem gebotenen Abstand." Und: Die Norderneyer erfahren viel Zuspruch durch ihre Gäste. Wilhelm Loth: „Es ist berührend. Viele haben uns geschrieben, sie würden an uns denken und Norderney nicht vergessen." So wie die vielen Wittener Stammgäste des Hauses am Weststrand.
>>>1972 kaufte der Kirchenkreis das ehemalige Logierhaus
Das Haus am Weststrand wurde 1894 von Louise Hanebuth als vornehmes Logierhaus erbaut. Im Jahr 1900 feierte Prinz Friedrich von Preußen in der „Villa Hanebuth“ seinen 25. Geburtstag. Ab 1921 wurde das Haus von der Stadt Gladbeck als Heim für Kinder aus bedürftigen Familien genutzt. In den folgenden Jahren wurde es stark umgebaut und ergänzt. Der Ev. Kirchenkreis Hattingen-Witten kaufte das Gebäude 1972.
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