Witten. Jeder für sich und doch gemeinsam: Die Wittener Lokalredaktion arbeitet seit zwei Wochen im Homeoffice. Wie funktioniert das eigentlich?

Seit nunmehr zwei Wochen ist auch unsere Arbeit nicht mehr so, wie sie bislang war: Während ein Reporter in der Redaktion am Berliner Platz die Stellung hält, arbeiten die anderen Redakteure von zuhause aus, um dem Coronavirus nicht auf die Sprünge zu helfen. Arbeiten im Homeoffice - wie fühlt sich das eigentlich an? Fünf Meinungen:

Zurückgezogen ins Kinderzimmer

Kreativ im Kinderzimmer: Während der Neunjährige liest, kann Susanne Schild ungestört an seinem Schreibtisch arbeiten.
Kreativ im Kinderzimmer: Während der Neunjährige liest, kann Susanne Schild ungestört an seinem Schreibtisch arbeiten. © Schild

Was gut ist: Seit die Kinder nicht mehr zur Schule müssen, kann ich ausschlafen. Theoretisch könnte ich aufstehen, die Kaffeemaschine anstellen, die Jogginghose anziehen – und der Arbeitstag beginnt. Man verlottert etwas, aber ich finde die Arbeit im Homeoffice ganz gut. Ich glaube, in Sachen Digitalisierung und Umweltschutz macht Deutschland gerade enorme Fortschritte.

Wenn da nicht diese Sache mit der Schule wäre! Unsere Familie wurde wie viele andere auch mit einer Flut an Hausaufgaben überschüttet. Zig PDFs zum Ausdrucken wurden gemailt. Beide Kinder ächzen unter der Flut an Aufgaben, die sie jeweils für mehrere Stunden beschäftigt. Und erklären Sie einer Siebtklässlerin mal nebenbei Chemie!

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Dass mein Konzept - „Kinder, ignoriert die Frau im Wohnzimmer“ - so nicht aufging, überrascht wenig. Den großen Esstisch im Wohnzimmer habe ich nach zwei Tagen wieder geräumt. Ich brauche einen ruhigen Ort, der nach Kreativität und Unordnung aussieht – so, wie mein Schreibtisch in der Redaktion. Mein Homeoffice habe ich gefunden: Ich arbeite jetzt im Kinderzimmer meines neunjährigen Sohnes. Total verwüstet und doch ruhig – denn der kommt hier nicht freiwillig rein, um seine Hausaufgaben zu machen. Susanne Schild (Sushi)

Smartphone steht kaum still

Sekretärin Stefanie Wand arbeitet am Küchentisch. Ihre Katze freut’s.
Sekretärin Stefanie Wand arbeitet am Küchentisch. Ihre Katze freut’s. © Wand

Mein Küchentisch ist nun mein Homeoffice. Die Terrassentür ist geöffnet, draußen kärchert die Nachbarschaft und die Katze liegt schnurrend auf dem Stuhl neben mir. Nach fast zwei Wochen Heimarbeit klappt das Sekretariat der WAZ-Redaktion Witten auch aus meinem 30 Kilometer entfernten Zuhause fast wie am Schnürchen. Arbeite ich in der Redaktion an zwei großen Monitoren, behelfe ich mich in meiner Küche mit zwei Laptops, meinem alten iPad und dem Smartphone.

Letzteres steht in diesen Tagen kaum still: Der Sohn, der im Ausland lebt, fragt nach Hilfsangeboten für seine betagten Eltern in Witten, die verzweifelte lungenkranke Frau, die bei den Corona-Hotlines nicht durchkommt, erhofft sich von uns weitere Infos, ein Unbelehrbarer kann nicht akzeptieren, dass der Leserladen bis auf weiteres geschlossen ist, will er doch unbedingt heute seine Tickets umtauschen.

Zwischendurch gibt es Telefonschalten mit den Kollegen. Und Freunde schicken so viele Whatsapp- und Facebook-Nachrichten wie sonst nur an Silvester. Die Nachbarin ruft an und fragt, ob ich Milch hätte. Sie ist Altenpflegerin und befindet sich zur Zeit in Quarantäne. Mit dem gebührenden Sicherheitsabstand lege ich eine Packung vor ihre Haustür. Gegen Abend telefoniere ich noch mit einem älteren Herrn: „Oh! In der Redaktion ist niemand? Ich hätte gerne einen Artikel von Dezember nachgelesen.“ „Bleiben Sie Zuhause und gesund“, verabschiede ich mich von ihm. Stefanie Wand (stew)

Die hibbelnde Vierjährige auf dem Schoß

Recherchiert, schreibt, bastelt und tröstet gleichzeitig: Stephanie Heske.
Recherchiert, schreibt, bastelt und tröstet gleichzeitig: Stephanie Heske. © Heske

Fast mit Wehmut lese ich von anderen Kollegen, die im Homeoffice die Einsamkeit und Stille beklagen. Denn gegen einen Arbeitstag in den eigenen vier Wänden mit einer Vierjährigen an der Seite ist der Alltag in der Redaktion nahezu Entspannung pur. Auch in unserem Großraumbüro kann es durch gleichzeitig geführte Telefonate, Unterhaltungen und spontane Besuche unserer Leser mal etwas lauter werden. Aber all das lässt sich leichter ausblenden, als die bohrenden Fragen einer Vierjährigen.

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Gegen spätestens zehn Uhr möchte sie das erste Mal wissen, wann ich denn endlich fertig sei. Gefolgt von „Ich will auf den Spielplatz“ und „Kann ich dann Fernsehschauen?“ Ich versuche also bestmöglich am Telefon zu recherchieren, während meine Tochter sehr viel fragt, bastelt, sich sehnsüchtig die Nase an der Fensterscheibe platt drückt oder natürlich genau dann dringend auf die Toilette muss, wenn der lange erwartete Rückruf kommt.

Nie zuvor durfte sie so oft Serien sehen wie jetzt, damit ich wenigstens ab und an für eine halbe Stunde ungestört arbeiten kann. Aber da müssen wir jetzt durch, so wie viele andere Familien auch. Und dann gibt es hoffentlich bald ein Wiedersehen in Witten. Stephanie Heske (steh)

Stille ist auch erholsam

Arbeitet nun im einstigen Kinderzimmer ihrer Schwester: Jutta Bublies lernt mit fast 60 Jahren die Vorzüge des Homeoffice kennen.
Arbeitet nun im einstigen Kinderzimmer ihrer Schwester: Jutta Bublies lernt mit fast 60 Jahren die Vorzüge des Homeoffice kennen. © Bublies

Homeoffice - das ist für mich beruflich eine Premiere. Und ich werde in wenigen Wochen 60! Freunde, Verwandte, in der Regel Männer, nutzen Homeoffice-Tage schon seit Jahren und nehmen diese Angebote ihrer Arbeitgeber immer wieder gerne wahr. In der Regel, um sich Staus zur Arbeit zu ersparen. Ich bin in fünf Minuten zu Fuß in der Redaktion und muss gestehen, dass es mir ein wenig mulmig zumute war, als ich in dieser Woche zum ersten Mal alleine vor meinem Laptop saß. Hält die Leitung stand, wird alles alles technisch klappen? Es ist alles gut gegangen!

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Auch mit fast 60 und technischer Unterstützung von Kollegen am Telefon ist man noch lernfähig. Eine schöne Erfahrung. Und ich muss auch gestehen: Mittlerweile genieße ich die Stille in meinem privaten Arbeitszimmer, das vor vielen Jahren einmal das Kinderzimmer meiner Schwester war. Denn ich habe den Großteil meines Berufslebens in großen Redaktionsbüros verbracht. Manchmal mit einem nicht unerheblichen Geräuschpegel. Allein mit meinem Laptop denke ich jetzt oft an einen Satz eines alten Freundes für stressige Zeiten: „In der Ruhe liegt die Kraft!“ Jutta Bublies (jub)

Einziges Nebengeräusch: die Spülmaschine

Erst im Januar diesen Jahres hat mein Volontariat bei der Funke Mediengruppe begonnen. Die ersten fünf Wochen verbrachten wir Neulinge in Essen und nahmen an Seminaren teil. Wie schreibe ich eine Reportage? Wie mache ich ein gutes Bild? Wie führe ich ein Interview? Wir wurden intensiv auf die Arbeit in der Lokalredaktion vorbereitet. Nur auf eins nicht: Die Arbeit im Homeoffice.

Fünf Wochen durfte ich in der Redaktion in Witten verbringen. Nun führe ich meine Telefonate zuhause, während im Hintergrund die Spülmaschine läuft. Von zuhause aus arbeiten, klingt erst einmal schön. Wenn man aber neu ist, freut man sich über jede Hilfe und Unterstützung. Ein Glück, dass es viele Möglichkeiten gibt, mit seinen Kollegen in Kontakt zu blieben. Ein kurzes Telefonat? Kein Problem. Eine schnelle Nachricht per Whatsapp und alle sind auf dem aktuellsten Stand. So fühlt man sich zuhause, während sich die Wäsche im Trockner dreht, nicht ganz so alleine. Lena Karuss (lk)