Witten. Werktags zwischen 1 und 3.30 Uhr sollen die Straßenlaternen dunkel bleiben. Das fordern die Wittener Grünen. Es spart Kosten und rettet Leben.

Die nächtliche Straßenbeleuchtung hat auch Schattenseiten – sie verursacht Kosten und fördert das Insektensterben. In Sommernächten umschwirren hunderte Tierchen die künstlichen Lichtquellen und verenden dort. Von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen flattert darum folgender Vorschlag in den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz (ASU): Die Straßenlaternen in Witten sollen werktags für zweieinhalb Stunden ausgeschaltet werden. Lediglich Fußgängerüberwege und Gefahrenstellen werden weiter beleuchtet.

„Wir wollen keine Partybesucher im Dunkeln stehen lassen“, betont der Diplom-Biologe Ralf Schulz, der sich als Sachkundiger Bürger bei den Grünen engagiert. Am Wochenende blieben die Lampen an. Die Abschaltung wäre begrenzt auf 1 bis 3.30 Uhr an Werktagen, „wenn sowieso kaum Menschen unterwegs sind“. Sie gelte nur für „nicht-sicherheitskritische“ Straßen. Ralf Schulz verweist auf Städte wie Moers, Rheine oder Meerbusch. Dort gibt es bereits eine Nachtabschaltung, und es konnte „kein zusätzliches Risiko bei der Verkehrssicherheit oder der Kriminalität festgestellt werden.“

Neben der Kostenersparnis und der Klimagasreduktion spricht laut Grüne ein weiteres Argument für eine Abschaltung: Sie würde eine Verringerung des Insektensterbens bewirken. „Je nach Quelle sterben jede Nacht in Deutschland an Straßenlaternen zwischen einer halben und einer Milliarde Insekten“, heißt es in der Vorlage. „Bei der Reduktion der durchschnittlichen Beleuchtungsdauer um ca. 20 bis 30 Prozent ist mit einer entsprechenden Wirkung auf die Insektenwelt zu rechnen.“

Einspareffekt der Nachtabschaltung in Moers wird weniger

Moers hatte im September 2014 erstmals die Laternen ausgeknipst – um Geld zu sparen. 180.000 Euro investierte die Stadt in eine neue Steuerung der Beleuchtung. Sie erbrachte schon 2015 eine Ersparnis an Stromkosten von 150.000 Euro, plus eine jährliche CO2-Ersparnis von etwa 600 Tonnen. Aber: Die Nachtabschaltung lohnt sich in Zeiten der LED-Technik immer weniger. Weil die meisten der 8000 Laternen umgerüstet wurden, kalkuliert die Stadt Moers nur noch mit 50.000 Euro Ersparnis.

Und wie ist die Erfahrung der Bürger? „Ganz viele Menschen nehmen die Nachtabschaltung überhaupt nicht wahr“, sagt Thorsten Schröder von der dortigen Pressestelle. Er selbst habe die dunklen Nächte bislang schlicht verschlafen. Trotzdem gab es in den ersten Monaten lautstarken Widerstand einiger Bürger. „Es ist das rein subjektive Gefühl, dass das Haus im Dunkeln liegt.“ Mehr Einbrüche oder mehr Verkehrsunfälle habe die Polizei nicht verzeichnen können. Trotzdem führte die Nachtabschaltung zur Bildung einer Bürgerinitiative.

Kreuzungen und Zentrum bleiben in Rheine beleuchtet

Lampen wirken wie „Insektenstaubsauger“

Kunstlicht – wie das der Straßenlaternen – ist für viele Insekten eine Falle. Einige wenige verbrennen. Die meisten aber schwirren so lang um die Lampen, bis sie erschöpft zu Boden sinken und dann leichte Beute für Feinde sind. Spinnen zum Beispiel profitieren von der leichten Beute rund um den Lichtkegel.

Laut Naturschutzbund (Nabu) trägt die Stadtbeleuchtung dazu bei, dass unsere Natur artenärmer wird. Manche Lichtquellen wirken wie regelrechte „Insektenstaubsauger“. Es gibt aber auch „insektenschonende“ Leuchtmittel. Bei ihnen ist der Ultraviolett- und Blauanteil im Lichtspektrum gering.

Rheine hat als erste deutsche Stadt 2005 seine 10.800 Laternen teilweise abgeschaltet. Manchmal brennen die Laternen auch durchgängig – in den Nächten von Freitag auf Samstag, von Samstag auf Sonntag, vor Feiertagen und in der Karnevalswoche. „Unsere Stadt ist nicht schwarz“, so Stadtsprecherin Michaela Hövelmann. „Die Abschaltung betrifft nur Seitenstraßen." Ihre Bilanz ist „durchweg positiv“. Es habe mehrere Studien zur Verkehrssicherheit gegeben, alle kamen zu dem Schluss, dass die Abschaltung keine Auswirkungen habe. Außer aufs Stadtsäckel: 82.000 Euro spart Rheine zurzeit damit, dass die Straßenlaternen 650 Stunden pro Jahr weniger leuchten.

Wittener Verwaltung soll sich an Moerser Modell orientieren

Demzufolge bilanzieren die Wittener Grünen: Die Nachtabschaltung sei eine Maßnahme, die sowohl dem Klima-, als auch dem Naturschutz diene und zudem noch nach anfänglichen Investitionskosten die Stadtkassen entlaste. Die Wittener Verwaltung solle darum ein Modell ähnlich der Stadt Moers überprüfen. Wobei die Moerser schon fast einer Schritt weiter sind – dort denkt man über ein erneutes Umrüsten nach, auf eine intelligente Straßenbeleuchtung mit LED, die auf Bewegung reagiert.

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