Witten. Mit Werden und Vergehen, Tod und Sterben beschäftigen sich Wittener Viertklässler in ihrer Projektwoche. Jetzt bekamen sie Besuch vom Hospizdienst.

Statt Schreiben, Lesen und Rechnen stehen an diesem Morgen Themen wie Werden und Vergehen, Krankheit, Leid, Sterben, Tod und Traurigsein auf dem Stundenplan der 4b in Rüdinghausen. Der Ambulante Hospizverein Witten-Hattingen ist in der Projektwoche „Hospiz macht Schule“ zu Gast.

„Kinder sind oft schon im Grundschulalter mit diesen Themen konfrontiert“, sagt Koordinatorin Susanne Gramatke vom Ambulanten Hospizdienst. „Und viel zu selten spricht man mit ihnen über diese Dinge, obwohl man auch in der Kindheit vielfältige Verlusterfahrungen macht.“ Die Rüdinghauser Kinder sind neugierig und befassen sich ernsthaft mit diesen Fragen. Trotzdem darf auch gelacht werden.

„Ehrlich gesagt, habe ich mir noch nie Gedanken über solche Sachen gemacht“, sagt Valerie (9). „Deshalb finde ich es gut, dass wir jetzt in der Schule darüber sprechen. Wer traurig ist, fühlt sich auch oft allein.“ Fünf Thementage gibt es. Die 23 Viertklässler arbeiten jeweils in Kleingruppen miteinander. Ein ehrenamtlicher Hospizmitarbeiter ist ihre konstante Bezugsperson. Im Plenum werden dann die Ergebnisse erzählt.

Wittener Schüler malen Schmetterling auf einer bunten Sommerwiese

Anschaulich wird es, wenn die Kinder das abstrakte Thema kreativ umsetzen sollen. „Werden und Vergehen“ haben die Kinder anhand eines Schmetterlings kennengelernt. „Wie wird aus einer hässlichen Raupe so ein schöner Falter?“, fragt Betreuerin Dorothee Sparler. Und der Kreativität waren später keine Grenze gesetzt. Da malten die Kinder zum Beispiel einen Schmetterling auf einer bunten Sommerwiese. Helene, Enya, Theo, Lara und Joe waren in ihrem Eifer gar nicht zu bremsen.

Dr. Katrin Rosery (v.li.) spricht mit Jordan, Emely und Melissa über Krankheiten, die tödlich sein könnten.
Dr. Katrin Rosery (v.li.) spricht mit Jordan, Emely und Melissa über Krankheiten, die tödlich sein könnten. © Funke Foto Services | Jürgen Theobald

Eindrucksvoll sind auch die zahlreichen Babyfotos und aktuellen Bilder, die die Kinder von daheim mitgebracht haben. „Wie habe ich mich im Laufe der Zeit verändert?“ lautete die Frage. „Das ist für Kinder eine ganz direkte, neue Erfahrung“, sagt Susanne Gramatke vom Hospizdienst. Die Kinder finden den direkten Vergleich echt cool. „Ich bin größer, habe viel mehr Haare und meine Augen sind heute nicht mehr blau“, rufen alle durcheinander.

Was kennen die Schüler für Krankheiten?

Nachdenklicher wird es beim Thementag „Krankheit und Leid“. Ganz behutsam tasten sich die Helfer mit der Frage „Was kennt ihr schon für Krankheiten?“ heran. Die Antworten lauten: Grippe, Bauchweh, Krebs, Zucker, Herzinfarkt. Im praktisch-kreativen Teil stellen die Kids verschiedene Krankheitsbilder pantomimisch dar. Wie beschreibt man aber Blindheit oder Magen-Darm ohne Worte?

Kindgerecht und im weißen Kittel beantwortet die Orthopädin Dr. Katrin Rosery (49) alle Fragen aus dem Stuhlkreis. Sie erklärt, dass Kleinwüchsigkeit ein Defekt an den Wachstumsfugen der Beine sei oder dass Krebszellen ihr ureigenes Programm vergessen hätten. Die Fragen haben die Kinder selbst erarbeitet.

Zwei Grundschulen nehmen teil

Der Ambulante Hospizdienst Witten-Hattingen wurde 1998 über die Diakoniegemeinschaft in Witten gegründet. Seit 2002 gibt es die Kooperation mit Hattingen. Infos unter ahd-wh.de

Das Projekt „Hospiz macht Schule“ gibt es seit sechs Jahren. Neben der Rüdinghauser Grundschule hat die Harkortschule das kostenlose Angebot angenommen. Interessierte Schulen können sich melden unter 0174-9726265. Spenden für den Verein sind natürlich erwünscht.

Wittener Kinder gestärkt fürs Leben

Klassenlehrer Uli Müllers hat den Hospizdienst bereits zum zweiten Mal eingeladen. „Die Projektwoche ist eine absolute Bereicherung für die Verbundenheit und Klassengemeinschaft“, betont er. „Die Kinder erhalten einen lebendigen Einblick in Randbereiche. Und diese Erfahrung wird sie auf dem weiteren Lebensweg stärken.“ Und so sensibel das Thema ist, so unbefangen bleiben die Kinder. „Spannend“ finden sie diese Projektwoche, wo sie nicht nur still sitzen müssen. Und dass es keinen Unterricht und damit auch keine Hausaufgaben gibt, dagegen hat auch niemand etwas einzuwenden.

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