Sprockhövel/ Hattingen/ Witten. Plakate in Sprockhövel, Hattingen und Witten bezeichneten zwei Juristen als Betrüger. Die Vorgeschichte kam jetzt vor Gericht ans Tageslicht.
Wegen Verleumdung hat das Amtsgericht Hattingen einen 76-jährigen Essener verurteilt. Der Mann soll im Jahr 2018 Plakate im Raum Witten, Hattingen und Sprockhövel geklebt haben, auf denen Behauptungen über zwei Rechtsanwälte verbreitet wurden. Dort hieß es: „Achtung RA [...] ist ein Abzocker“ oder auch „Betrüger“.
Einen 37-jährigen Juristen aus Witten hatte Barbara Monstadt, die Direktorin des dortigen Amtsgerichts, damals auf die Zettel aufmerksam gemacht. „Es war mein erster Prozess dort“, erinnerte sich der Anwalt am Montag vor Gericht. Immer häufiger sah er dann die Zettel.
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Im Juni 2018 forderte ihn die Rechtsanwaltskammer aus Hamm auf, eine Stellungnahme zur Eingabe abzugeben, dass er aus Habgier einen Mandanten betrogen habe. Im Oktober tauchten wieder Zettel am Amtsgericht Witten auf. Weitere fand er in unmittelbarer Nähe seiner Kanzlei.
Der Angeklagte fühlte sich seinerzeit über den Tisch gezogen
Der Sprockhöveler Rechtsanwalt schilderte ähnliche Erlebnisse. Von seinen Mandanten sei er wegen der Zettel angesprochen worden. Die zwei Anwälte waren sich bis dato nur in einem Fall vor Gericht begegnet. Damals vertrat der Wittener den heute auf der Anklagebank sitzenden Mann. Der hatte ein Darlehen gewährt und wollte dessen Rückzahlung vor Gericht einklagen. Der Sprockhöveler Anwalt vertrat damals die Gegenseite.
Verleumdung und Urteilsfindung
Laut Paragraf 187 des Strafgesetzbuches kann Verleumdung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Wird die Tat „öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften“ begangen, sind sogar fünf Jahre Freiheitsstrafe möglich.
Im vorliegenden Fall ließ Richter Kimmeskamp als strafmildernd gelten, dass der Angeklagte zuvor nie strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Strafverschärfend sei jedoch, dass er sensible Standorte wie die Amtsgerichte wählte, um seine Beschuldigungen zu verbreiten.
Damals entschied sich das Gericht gegen den Kläger. „Mein Mandant“, so erklärte es der Strafverteidiger Clemens Louis am Montag, „fühlte sich seinerzeit über den Tisch gezogen.“ Mit 20 000 Euro Schulden ging die Sache damals für ihn aus; Rechts- und Anwaltskosten musste er tragen. Deshalb richtete sich der Essener an die Rechtsanwaltskammer; im Juni 2018 war das. Kurz danach gingen die Plakatierungen los.
Der Sprockhöveler Anwalt schaltete einen Privatdetektiv ein
Die beiden Rechtsanwälte, die sich verleumdet sahen, zählten eins und eins zusammen; vermuteten, dass der Essener hinter den Behauptungen stecke. Der Sprockhöveler schaltete einen Privatdetektiv ein und gründete eine Gruppe von zwölf Leuten, die ihm helfen wollten, den Täter zu überführen.
Am 11. Dezember 2018 verfolgten sie den Mann in dessen Auto. Er war in Richtung Niedersprockhövel unterwegs, wo häufiger Zettel zu sehen waren. Am Aldi-Parkplatz kamen Rechtsanwalt und Sohn dem Mann auf die Schliche, ertappten ihn auf frischer Tat.
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Sie konnten den Essener dabei beobachten, wie er drei Laternenmaste mit einer kleinen Lackierrolle einkleisterte. Mit der Handykamera machte der Jurist aus der Ferne ein Foto davon. Er stellte ihn schließlich sogar zur Rede. Der stritt in dem Moment aber alles ab, warf seine Rolle ins Auto und fuhr davon.
1800 Euro Strafe muss der 76-jährige Essener jetzt zahlen
Auch vor Gericht behauptete er jetzt: „Mit den Zetteln habe ich nichts zu tun.“ Bei einem einstweiligen Verfügungsverfahren hatte er aber schon erklärt, er werde in Zukunft solche Behauptungen unterlassen.
Diesen Punkt ließ auch Richter Johannes Kimmeskamp in sein Urteil einfließen. Wenngleich Verteidiger Louis meinte, man könne seinem Mandanten die Taten nicht nachweisen, war für den Richter der Tatbestand erfüllt. „Es ist völlig lebensfremd anzunehmen, dass jemand anderes die Zettel am Aldi-Parkplatz geklebt hat.“
1800 Euro Strafe muss der 76-jährige Essener jetzt zahlen. Am 17. Februar wird am Landesgericht Essen wegen möglicher Schadensersatzansprüche entschieden, die der Sprockhöveler Anwalt aufgrund der Verleumdungen stellt.