Sprockhövel. Ein Paketzulieferer hat einen Senior beim Rangieren in Sprockhövel überfahren. Die Strafe fiel höher aus, weil der Mann öfter rücksichtlos war.

Viele Haßlinghauser werden sich an den 28. Juni 2019 erinnern, als mittags mit ordentlich Getöse der Rettungshubschrauber mitten im Stadtteil landete. Ein älterer Mann war vor dem Rathaus unter einen Transporter geraten, es sah nicht gut aus. Vor dem Amtsgericht Hattingen bekam der Verursacher am Donnerstag eine Strafe mit Ausrufezeichen.

Unfallopfer leidet unter den Folgen

Der 79-Jährige hat es überlebt, aber im Gerichtssaal war zu hören, wie sehr der schwerhörige Haßlinghauser auch nach mehr als einem halben Jahr noch unter den Folgen dieses Unglückstages leidet, hörbar auch seine Befürchtung, dass es nicht mehr so wird wie zuvor. Im Saal gegenüber: Der 26-jährige Angeklagte, verheiratet, zwei kleine Kinder, davon eines schwer krank. Sein Nettoverdienst als Paketauslieferer, als der er Mitte 2019 tätig war, lag bei 1650 Euro, die Frau geht nicht arbeiten.

Außenkamera nicht in Betrieb

Am besagten Tag war der gebürtige Wittener gegen 11.40 Uhr mit seinem Sprinter vor dem Rathaus in Haßlinghausen vorgefahren, um ein Paket in der Verwaltung zuzustellen. Sein Fahrzeug stellte er so ab, dass das Heck nahe der Treppe zum Eingang des Rathauses war. Schnell war der Job erledigt und der 26-Jährige wieder in seinem Fahrzeug. Vor seiner Rückwärtsfahrt, so gab er vor Gericht an, vergewisserte er sich: „Ich hab über die beiden Außenspiegel geschaut, ob jemand in der Nähe war.“ Die üblicherweise vorhandene Außenkamera über der Hecktür konnte er nicht aktivieren, weil die Stromquelle, der Zigarettenanzünder, für das mobile Navigationsgerät genutzt wurde. Außerdem war die stationäre Kamera an dem Fahrzeug schon länger defekt, daher auch hier eine mobile Variante mit angehefteter Optik und Kabel quer durch den Innenraum des Wagens und mit kleinem Monitor beim Fahrer. „Mein Auftraggeber wusste schon länger von den technischen Behelfslösungen, hat aber nichts unternommen“, sagte der Angeklagte aus.

Laute Schreie lassen ihn stoppen

Er startete also und nach knapp zwei Metern habe er lautes Schreien von außen gehört und seine Fahrt im Schritttempo sofort gestoppt. Ein 28-jähriger Assistenzarzt, der eben das Bürgerbüro verlassen hatte, schrie laut, als er eine Person unter dem Sprinter verschwinden sah. „Ich habe sofort einen Rettungswagen angefordert, der eintreffende Rettungsarzt hat dann einen Hubschrauber gerufen.“

Richter sieht Tatvorwurf der Fahrlässigkeit erfüllt

Richter Dr. Christian Amann hakte hier ein: „Warum haben Sie dieses große Fahrzeug ausgerechnet an der Treppe abgestellt, wo jederzeit mit vielen Fußgängern zu rechnen war?“ In diesem Umstand sah er klare Hinweise auf die dem Angeklagten zur Last gelegten Fahrlässigkeit. Über das Verhalten des Verursachers sagten ein Polizist und besagter Arzt aus, er habe sichtlich unter Schock gestanden und immerzu den Vorfall bedauert.

Keine Knochen gebrochen

Das Unfallopfer berichtete, er sei fünf Tage in Dortmund auf Station gewesen, „wie durch ein Wunder habe ich mir keine Knochen gebrochen“, unter den Auswirkungen von Hochgeschwindigkeitstrauma und Schlaflosigkeit leidet er jetzt noch, er bleibt in Behandlung.

Vorstrafen entscheidend

Eine Wende nahm der Prozess, als die Vorstrafen des Angeklagten verlesen wurden. Der junge Familienvater ist mit zwei Delikten im Straßenverkehr aufgefallen: Einmal hatte er sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, ein anderes Mal war er wegen rücksichtslosen Fahrens verurteilt worden. Das war der Hintergrund, vor dem Richter Amann letztlich sein Urteil aufhängte: 1000 Euro Geldstrafe muss der Angeklagte bezahlen, dazu gibt es zwei Monate Fahrverbot. Er befand den Mann für rücksichtlos, er habe auf dem Parkplatz keine Sorgfalt walten lassen, da sei auch sein Job als Fahrer zweitrangig.

INFO

Zu seinen Gunsten fiel aus, dass der Angeklagter voll geständig war.

Zudem hat er in der Zwischenzeit 3400 Euro Schmerzensgeld, Sachschadensersatz und für die Reparatur der Brille des Opfers gezahlt.