Witten. Die Erdarbeiten für ein Logistikzentrum von Amazon in Witten laufen. Vorher hätte man aber mehr Amphibien umsiedeln müssen, so Naturschützer.

Naturschützer aus Witten befürchten, dass hunderte Amphibien auf einer Brache an der Brauckstraße in Rüdinghausen von Baggern plattgewalzt wurden. Wie berichtet, baut die Thelen-Gruppe hinter Bauhaus und Faiveley eine riesige Logistikhalle für den Internetriesen Amazon. Der EN-Kreis hält dagegen, der Investor habe alle erforderlichen Naturschutzmaßnahmen umgesetzt.

Die Brache auf dem alten Siemensgelände zwischen Bauhaus und der Kleingartenanlage Mellmausland schlummerte jahrzehntelang im Dornröschenschlaf. 1970 hatte Siemens an der Brauckstraße ein Werk für Telekommunikationsanlagen eröffnet. Mitgekauft wurde das Areal hinter dem Werk als mögliche Erweiterungsfläche. Dazu kam es aber nie.

Zwar gab es Pläne, wie man das florierende Gewerbegebiet in Rüdinghausen erweitern könnte. 2011 wurde deswegen ein Artenschutzgutachten für die 100.000 m² große Fläche erstellt. Und darin festgestellt: In den 50 Jahren hat sich dort „eine einzigartige Natur entwickelt, mit dichten Röhrichten und zahlreichen Amphibien“, so Ralf Schulz. Der promovierte Diplombiologe ist Mitglied der Naturschutzgruppe Nawit und sitzt als Sachkundiger Bürger für die Grünen im Umweltausschuss. Die geschützten Arten Erdkröte, Teich- und Bergmolch wurden dort gesichtet, die in vier Tümpeln lebten. Ob sie das immer noch tun?

EN-Kreis erteilte naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung

Dort lebten einst Molche und Kröten: Große Baumaschinen planieren zurzeit das Gelände zwischen Brauckstraße, Siemensstraße und Kleingartenanlage in Witten.
Dort lebten einst Molche und Kröten: Große Baumaschinen planieren zurzeit das Gelände zwischen Brauckstraße, Siemensstraße und Kleingartenanlage in Witten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Der Grundstückseigentümer, die Thelen-Gruppe, hatte das Gelände jahrelang nicht vermarktet. Plötzlich ging aber alles ganz schnell: Für den Online-Händler Amazon soll dort binnen weniger Monate ein riesiges Logistikzentrum entstehen. Im November waren die Pläne der Thelen-Gruppe Thema im Naturschutzbeirat des Kreises. Der Kreis erteilte daraufhin eine naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung. Wenige Wochen später rollten die Bagger an.

Nur einer der drei Teiche auf der Brache in Witten existiert noch

Nach den Aufzeichnungen des von Thelen beauftragten Biologen Ingo Bünning plant das Unternehmen folgende Maßnahmen: Röhricht und drei Teiche werden versetzt, die Gewässer zwischen einem neuen Lärmschutzwall und der Kleingartenanlage wiederhergestellt. Die Kröten und Molche, die im Frühjahr wieder zu ihren (ehemaligen) Laichgewässern wandern wollen, werden mithilfe eines Amphibienschutzzauns, der um das Baufeld aufgestellt wird, gesammelt und dann in die neuen Teiche umgesiedelt. Weil der Rüdinghauser Bach naturnah wiederhergestellt werden soll, könne man dort auch den ausgebaggerten Röhricht wieder einsetzen.

Drei Logistikzentren in unmittelbarer Nähe

Die Brauckstraße in Rüdinghausen entwickelt sich zum Logistikstandort. Auf dem alten Pelzer-Gelände sind bereits das Hermes-Depot entstanden sowie ein Logistikzentrum des chinesischen Amazon-Händlers Euziel, das im März die Arbeit aufnimmt.

Die Amazon-Logistikhalle entsteht laut Grundstückseigentümer, der Thelen-Gruppe, auf einer Gesamtfläche von 122.700 m2. Die Halle wird 34.350 m2 groß.

Diese Pläne führten im Naturschutzbeirat zu dem positiven Bescheid. Auch Ralf Schulz von Nawit lobt sie. „Aber das ist die Theorie und jetzt kommt die Praxis.“ Zum einen hätte das Artenschutzgutachten seiner Meinung nach aktualisiert werden müssen. „Zwischen 2011 und 2019 kann viel passieren.“ Zum anderen hätte das Gelände erst planiert werden dürfen, nachdem die Amphibien umgesetzt wurden.

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Zwar suche der von Thelen beauftragte Biologe entsprechend den Auflagen des EN-Kreises die Baustelle nach Amphibien ab. Aber er werde nur einen Bruchteil der Amphibien auf dem Gelände eingefangen, glaubt Schulz. „In der derzeitigen Winterruhe halten sich die Tiere im Boden versteckt.“ Das Gehölz in der Mitte der Freifläche haben die Bagger längst dem Erdboden gleichgemacht. Nur einer der drei Tümpel existiert noch, er liegt unmittelbar hinter dem Bauhaus-Baumarkt. Ralf Schulz: „Das lief alles viel zu überstürzt.“