Witten. Seit Beginn des neuen Jahres gilt in Deutschland die Kassenbonpflicht. Wie reagieren Händler und Kunden in Witten auf die Zettelflut?

Hinter der Bedienungstheke der Bäckerei Schickentanz liegen die Kassenbons verstreut auf dem Boden. Verkäuferin Edeltraut Plyn kommt vor lauter Stress gar nicht dazu, die ganzen Zettel in ihren kleinen Mülleimer zu werfen. Denn trotz der seit dem 1. Januar 2020 neu eingeführten Bonpflicht, die auch in Bäckereien gilt, nehmen dort die meisten Kunden ihre Belege gar nicht mit. Wie gehen die Händler in Witten damit um?

Die meisten Betriebe in der Innenstadt bemerken durch die neue Bonpflicht keine große Veränderung. In vielen Geschäften bekommt man bereits seit Jahren auf Wunsch immer einen Kassenbeleg ausgehändigt. Anders sieht es für kleinere Betriebe wie Bäckereien oder Imbissbuden aus. Hier war es bisher eher unüblich, dass Kunden einen Kassenbon ausgestellt bekommen. Mit der neuen Regelung, die Teil der neuen Kassensicherungsordnung ist, will das Bundesfinanzamt den Steuerbetrug an der Kasse mindern. Dadurch ist es allerdings nicht einmal mehr möglich, den Bon nur auf Wunsch auszustellen. Der Kassenbeleg wird automatisch bei jedem Einkauf ausgedruckt.

Kassenbonpflicht heißt länger Warten

Edeltraut Plyn arbeitet bereits seit 30 Jahren in der Wittener Bäckerei Schickentanz. Doch so viele Kassenbelege wie am Donnerstag (2.1.2020) musste die 73-Jährige bisher noch nicht ausdrucken. Selbst für ein Brötchen im Wert von 35 Cent gibt’s einen Zettel. Dabei wollen die meisten Kunden den Bon nicht einmal haben. Hinzu kommt, dass die Kunden in der Bäckerei zu den Stoßzeiten nun deutlich länger warten müssen. Während vorher zwei Mitarbeiter gleichzeitig kassieren konnten, muss nun erst der Kassenbon gedruckt werden, bevor der nächste Kunde seine Brötchen bezahlen kann.

Annette Lange, Verkäuferin in der Bäckerei Erdelmann an der Meesmannstraße in Witten, hält dem Kunden Manfred Freund ein Körbchen für den ungewollten Kassenbon hin.
Annette Lange, Verkäuferin in der Bäckerei Erdelmann an der Meesmannstraße in Witten, hält dem Kunden Manfred Freund ein Körbchen für den ungewollten Kassenbon hin. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Die Resonanz der Kunden ist dementsprechend: „Von Entsetzen bis Lachen ist alles mit dabei,“ erzählt Marion Weber-Pfeiffer, Verkäuferin bei Backhaus, während sie Günther Jaschinski den Bon über die Theke reicht. Auch der findet als Kunde die neue Regelung „verrückt“. Er ist der Meinung, dass bei solchen kleinen Beträgen kein Kassenbeleg notwendig ist. Somit bleiben zahlreiche Kassenbons liegen, um die Entsorgung muss sich dann der Betrieb selbst kümmern.

Müllberge hinter den Kassen

Besonders in Zeiten des Umweltschutzes scheint das neue Gesetz viele zu verärgern. Die Inhaberin eines Kebab Hauses in der City kann die neue Regelung nicht verstehen: „Deutschland ist Vorreiter in Sachen Umweltschutz. Wir haben ein Pfandsystem und verbieten den Verkauf von Plastiktüten und Strohhalmen. Jetzt wird wieder mehr Müll produziert.“

Kunde muss Bon nicht mitnehmen

Muss der Kassenbon auch mitgenommen werden? Für die Kunden eine gute Nachricht, für die Betriebe wohl eher eine schlechte: Der Kunde muss den Kassenbon nicht zwingend mitnehmen.

Anders als beispielsweise in Österreich oder Italien gilt in Deutschland nur die Belegausgabepflicht. Das heißt, der Händler muss dem Kunden den Kassenbeleg ausstellen, ob dieser den Bon dann auch mitnimmt, bleibt ihm selbst überlassen. Der entstandene Müll bleibt allerdings trotzdem.

In der Herbeder Bäckerei Erdelmann hat die Chefin direkt ein Körbchen für den ungewollten Kassenbeleg auf die Theke gestellt. Ein Schild daneben verschweigt ihre Meinung nicht: „Gerne können Sie diesen Müll hier entsorgen.“

Christine Weidler, Inhaberin der Bäckerei Weidler, hat seit dem neuen Jahr einen extra großen Mülleimer neben ihre Kasse gestellt. Zwar hat sie am gestrigen Tag keinen vermehrten Müll bemerkt, sie befürchtet jedoch, dass sich die Kassenbons in Zukunft auch in ihrem Geschäft häufen werden.

Höhere Brötchenpreise in Witten möglich

Auch die vermehrten, unnötigen Kosten für die ohnehin schon teuren Thermopapierrollen ärgern Christine Weidler. Etwa zwei Euro bezahlt sie für eine Rolle, von denen sie ab sofort deutlich mehr benötigt. Außerdem musste die Stadtbäckerei Weidler mit Beginn des neuen Jahres auch ihre Kassen erneuern, obwohl die alten Geräte gerade einmal zwei Jahre alt waren. Die neu entstandenen Kosten müssten umgelagert werden. Zum Leid der Kunden könnten die Brötchenpreise daher zukünftig steigen, prophezeit Christine Weidler.