Witten. Das alte Haus thront hoch oben über Witten-Herbede. Bevor es abgerissen wird, haben wir dem Gebäude aus dem Jahr 1766 einen Besuch abgestattet.

Bald gibt es in Witten-Herbede ein altes Haus weniger. Das Gebäude ist von der Vormholzer Straße aus zu sehen, liegt aber hoch oben am Hang in der kleinen Seitengasse „Am Berge“. Es wird vermutlich Mitte kommenden Jahres abgerissen. Die Redaktion hat es noch einmal besucht.

Heiner Knährich, Vorsitzender des Heimatvereines Witten-Herbede, vor dem Haus an der Straße „Am Berge“. Es steht seit 30 Jahren leer.
Heiner Knährich, Vorsitzender des Heimatvereines Witten-Herbede, vor dem Haus an der Straße „Am Berge“. Es steht seit 30 Jahren leer. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Denkmalgeschützt ist das 263 Jahre alte Haus allerdings nicht. Es sei von der zuständigen Behörde nicht als historisch bedeutsam eingestuft worden, so ein Mitarbeiter der Hattinger Alterna-Bauträgergesellschaft, die an dieser Stelle zwölf Eigentumswohnungen errichten will.

Auch den Vorsitzenden des Heimatvereins Herbede, Heiner Knährich, überkommt nicht direkt Wehmut, wenn er daran denkt, dass das Haus verschwindet. „Da hat 30 Jahre lang niemand drin gewohnt“, sagt er. Trotzdem lohnt sich ein letzter kleiner Rundgang übers Grundstück, um noch einmal „Tschüss“ zu sagen. Denn Knährich weiß sofort einiges zu erzählen.

Der in Witten-Herbede bekannte Pastor Rautert lebte in dem alten Haus

Allein der lateinische Spruch über der Tür fördert Interessantes zutage, etwa dass das Haus aus dem Jahre 1766 stammt. Darin lebten zunächst der in Herbede bekannte Pastor Rautert und seine Frau Christa Starman. „Wo der Herr beheimatet ist“ übersetzt Knährich einen weiteren Schriftzug. Doch längst rankt Efeu an den Wänden empor, einige Fenster sind mit Brettern vernagelt.

Der lateinische Spruch über der Tür des alten Hauses in Witten-Herbede.
Der lateinische Spruch über der Tür des alten Hauses in Witten-Herbede. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Der Name Rautert sei bekannt in Witten, so der Heimatforscher. Wo heute in der Innenstadt an der Ruhrstraße das Sparkassengebäude steht, habe der große Hof Rautert seinen Platz gehabt. „Der wurde 1968 abgerissen“, sagt Heiner Knährich. „Eine Sünde.“ Der Hof Starman von Seiten der Familie der Ehefrau habe sich an der Rüsbergstraße in Kämpen befunden.

Wittener Heimatforscher: Es könnte ein kleiner Kötterhof gewesen sein

Ein Fachwerkhaus im eigentlichen Sinne ist das Gebäude an der Vormholzer Straße nicht. Denn gen Westen, wo das Wetter herkommt, aber auch zur Straße hin ist die Wand komplett aus Stein, der später verputzt wurde. An anderer Stelle sieht man wiederum, dass Steine mit der breiten Seite nach außen verbaut wurden, um Material zu sparen.

Heimatforscher Knährich vermutet, dass es sich um einen kleinen Kötterhof „mit vielleicht einer Kuh“

Besondere Aktion zum Jubiläum

In Herbede gibt es etwa 50 bis 100 Fachwerkhäuser, schätzt Heiner Knährich, Vorsitzender des Heimatvereins Herbede. Vor allem das Ensemble an der Kirchstraße sei „wunderschön“.

Im Jahre 2021 wird der Heimatverein 100 Jahre alt. Aus diesem Anlass planen die Mitglieder, die alten Häuser mit erklärenden Tafeln zu versehen.

gehandelt haben könnte – obwohl das Haus mit seinen zwei Etagen und dem Dachgeschoss, in dem Heu gelagert wurde, recht groß erscheint. Das kann Gerhard Steveling nur bestätigen. Er war einer der Letzten, die dort gewohnt haben – mit seinen Eltern, zwei Geschwistern und der Oma.

Seit fast 30 Jahren steht das Gebäude in Witten-Herbede leer

Seit Anfang der 1990er Jahre stehe es leer, weiß Steveling. Vor allem erinnert er sich an die kalten Winter, in denen längst nicht jeder Raum im Haus beheizt war. Im ersten Stock, der immerhin 130 m² misst, mussten die Bewohner mit einem Ofen auskommen. Unten habe es dann irgendwann Nachtspeicheröfen gegeben. „Wir waren Selbstversorger“, erinnert sich der 71-Jährige. Auch er habe viel im 1000 m² großen Garten arbeiten müssen. Sein Vater war Hobbyimker und Vorsitzender des Herbeder Imkervereins. 30 Bienenvölker gehörten ihm. Einen Teil davon hat Heiner Knährich bei dessen Tod übernommen.

Und noch etwas wird Gerhard Steveling auf ewig an dieses Haus erinnern: seine Abneigung gegenüber Mäusen. „Die konnte man immer in den hölzernen Zwischendecken trippeln hören.“ Und auch wenn es bis Anfang der 50er Jahre nur draußen eine Toilette gab und das warme Wasser aus der Waschküche fürs freitägliche Bad genutzt werden musste, sagt er: „Ich habe mich dort bis 1973 sehr wohl gefühlt.“