Witten. Der Entsorger AHE möchte sich im Wittener Bebbelsdorf um den Restmüll des EN-Kreises kümmern, um Müllgebühren zu sparen. Daran gibt es Zweifel.
Das Entsorgungsunternehmen AHE will sich im Wittener Bebbelsdorf vergrößern – um eine technische Innovation zu installieren, die der AHE-Geschäftsführer als geniale Idee preist: Wenn man den Restmüll mit der ohnehin vorhandenen Abwärme der Vergärungsanlage trocknet, wird dieser leichter. So fallen weniger Fahrten in die Müllverbrennungsanlage an. Das schone die Umwelt und spare Müllgebühren, so seine Argumentation. Da ist Elisabeth Henne, Abfallexpertin des EN-Kreises, ganz anderer Ansicht.
„Unsere Bürger brauchen Entsorgungssicherheit und kein Wolkenkuckucksheim. Erst wenn konkrete Planungen mit belastbaren Zahlen vorgelegt werden, ist eine seriöse Prüfung möglich. Und dann geht es noch um die technische Realisierung des Ganzen“, betont Henne.
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Die Kreis-FDP hatte das AHE-Projekt kürzlich in einer Veranstaltung gelobt. Im Juli beauftragte der Kreistag – allen voran die CDU-Fraktion – die Verwaltung mit einer Prüfung. Im Kern geht es darum: Die AHE hat den Restmüll beprobt und festgestellt, dass er einen Wassergehalt von fast 55 Prozent hat. Gleichzeitig verpuffen 3,5 Millionen Kilowattstunden Abwärme pro Jahr aus der Vergärungsanlage ungenutzt in die Atmosphäre. Die Vision: Auf einem etwa 20.000 Quadratmeter großen Grundstück neben der Vergärungsanlage im Bebbelsdorf könnte eine weitere Anlage entstehen, in die der gesamte Restmüll des Ennepe-Ruhr-Kreises zunächst gebracht wird.
Dort soll dann mit der ohnehin entstehenden Abwärme von nebenan der Müll getrocknet werden. Am Ende sollen so mehrere hundert Lkw weniger mit Restmüll aus dem EN-Kreis über die Autobahnen zu den Verbrennungsanlagen – etwa nach Wuppertal – fahren. Mit dem Gesamtkonzept sollen tausende Tonnen CO2 gespart und Energie effizienter genutzt werden. Zudem könnte dies die Abfallgebühren senken, Gewerbesteuer und neue Arbeitsplätze für den Kreis bringen, meinen AHE und die CDU des Kreises.
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„Das Prinzip muss man sich wie bei einem nassen Waschlappen vorstellen“, der getrocknet an Umfang verliere, erklärt AHE-Geschäftsführer Johannes Einig. Durch dieses Prinzip könnte man die heute 50.000 Tonnen Restmüll, die im Kreis anfallen, auf 20.000 Tonnen reduzieren. Aktuell würde die Abwärme der Biogasanlage nur zu einem Drittel genutzt, der Rest gehe in die Luft, so Einig.
Kein Gewinn für die Umwelt
Man kann das aber auch anders sehen. „Das heißt, dass sogar der Restmüll aus Breckerfeld erst nach Witten gekarrt würde, dort getrocknet wird, um dann zur Verbrennungsanlage nach Wuppertal gefahren zu werden“, sagt Abfallberaterin Elisabeth Henne. Von der Umladeanlage Gevelsberg wurden 2018 ca. 21.900 Tonnen Restmüll über 31 Kilometer zur Müllverbrennung nach Wuppertal gefahren. Nach ihrer Rechnung entspräche dies 678.900 Tonnen-km – so nennt sich die Einheit, in der man die Beförderungsleistung von Gütern angibt.
Bei der Idee der AHE würde der Abfall zunächst 26,9 km nach Witten und dann 44,2 km nach Wuppertal gebracht. Dabei käme sie auf eine Summe von 1.073.100 Tonnen-km – also 394.200 Tonnen-km mehr. „Wo ist da der Gewinn für die Umwelt?“
Grundstücke sind bereits gekauft
Und: Die eingesetzten LKW seien nicht nur in der Tonnage nach oben begrenzt, sondern auch im Volumen. Es sei kein Zufall, dass 2020 der Restmülltransport von Witten nach Wuppertal 14,81 Euro pro Tonne, der Transport des leichteren Sperrmülls mit dem gleichen Fahrzeug jedoch 21,57 Euro pro Tonne kosten wird.
Außerdem: Der Müll würde zwar leichter, habe aber einen höheren Heizwert. Das ergibt mehr Kilojoule pro Tonne und dafür nimmt die Verbrennungsanlage wiederum mehr Geld. Also sieht Elisabeth Henne auch dort keine Kostenersparung. Auch die AHE als Dienstleister des Kreises würde für das Trocknen Gebühren nehmen.
Nach Information der WAZ hat die AHE bereits drei Grundstücke im Bebbelsdorf erworben, um neben der Vergärungsanlage zusätzliche Lagerkapazitäten zu schaffen. Zum Beispiel hatte das Wittener Unternehmen EK-Fahrzeugtechnik auf ein Grundstück im Bebbelsdorf gehofft. Den Zuschlag hatte dann aber – für seine Erweiterungspläne – die AHE bekommen, die mehr geboten hätte, heißt es. Noch seien die Flächen aber im Planverfahren der Stadt Witten, sie sind also noch nicht baureif, weiß Henne.